Rückruf von Brustimplantaten: Was Implantatträgerinnen wissen müssen

Jemand hält Brustimplantate in der Hand.
Die Leiterin der Plastischen Chirurgie von AKH / MedUni Wien über die Hintergründe des Rückrufs und worauf Frauen achten sollten.

Das Pharmaunternehmen Allergan hat weltweit Brustimplantate seiner Reihe "Biocell" zurückgerufen. Für die US-Lebensmittel- und Arzneibehörde FDA besteht ein Zusammenhang zwischen diesen Implantaten und 481 Fällen einer seltenen Kebserkrankung mit der Bezeichnung BIA-ALCL (Breast Implant Associated Anaplastic Large Cell Lymphoma) - speziellen Tumoren des Lymphgewebes (Lymphome), die in einem Zusammenhang ("assoziiert sind") mit Implantaten stehen.

Weltweit sind 573 Fälle dieser speziellen Krebserkrankung bekannt, 481 davon stehen in Zusammenhang mit Allergan Biocell Implantaten, so die FDA.

Bei 33 Todesfällen in Folge dieser Krebserkrankung war der Typ des Implantats bekannt, in zwölf Fällen handelte es sich um Allergan-Produkte.

Bereits im Dezember 2018 informierte die Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen, dass die europäische CE-Zulassung für texturierte (aufgeraute) Brustimplantate und Gewebeexpander des Herstellers Allergan nicht verlängert wurde.

"Situation ernst nehmen"

"Die Situation ist sehr ernst zu nehmen. Es sollte jetzt aber auf keinen Fall eine generelle Panik unter Patientinnen mit Brustimplantaten entstehen", betont Christine Radtke, Leiterin der Klinischen Abteilung für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie des AKH Wien / MedUni Wien.

Rückruf von Brustimplantaten: Was Implantatträgerinnen wissen müssen

Christine Radtke, Leiterin der Abteilung für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, AKH / MedUni Wien.

"Grundsätzlich sind Brust-Implantate sehr gut untersuchte und erprobte Medizinprodukte. Allerdings hat die Oberflächenbeschaffenheit dieser speziellen Implantate möglicherweise die Bildung solcher Lymphome begünstigt."

"Und gerade bei dieser Biocell-Produktlinie klagten die Frauen auch häufiger über unspezifische Beschwerden wie Müdigkeit oder Übelkeit" - die sogenannte Breast Implant Illness, sagt Radkte. Bei Trägerinnen solcher Implantate ohne Symptome bestehe kein Grund zur Sorge - und auch kein Grund, das Implantat zu entfernen. Bei Beschwerden sollte aber sofort ein Arzt aufgesucht werden (siehe unten).

Die Erfahrung der vergangenen Jahre habe gezeigt, dass bei rauer Oberfläche das Risiko einer problematischen Kapselfibrose geringer sei. "Grundsätzlich ist es eine natürliche Reaktion des Körpers, dass er um einen Fremdkörper eine Kapsel aus Bindegewebe bildet. Die Frage ist immer, wie schnell passiert das und wie stark: Wenn das erst nach 20, 30 Jahren der Fall ist und die Kapsel keine Probleme verursacht, ist es kein Problem. Wenn es aber schneller geht und die Kapsel so viel Druck ausübt, dass sich das Implantat verformt - was ästhetisch ein Problem ist und auch schmerzhaft sein kann -, muss das Implantat ausgetauscht werden."

"Kontroverse Diskussion"

Bei Implantaten mit rauer Oberfläche zeigen sich derartige Kapselfibrosen eben seltener. "Allerdings gibt es dazu unter Plastischen Chirurgen eine kontroverse Diskussion und auch die vorliegenden Zahlen sind nicht wirklich zuverlässig. Aber in Europa haben viele Kolleginnen und Kollegen sehr gute Erfahrungen gemacht."

"Es gibt jetzt aber keinen Grund dafür, dass alle Frauen mit Implantaten mit rauer Oberfläche Angst bekommen", betont Radtke. "Wichtig ist aber, dass Implantatträgerinnen bei Auffälligkeiten rasch reagieren."

Rückruf von Brustimplantaten: Was Implantatträgerinnen wissen müssen

Generell würden Hersteller immer wieder mit neuen Oberflächenstrukturen auf den Markt kommen. "Da bin ich aber sehr zurückhaltend, weil einfach die Langzeitdaten fehlen. Ich persönlich setze nur auf Produkte mit langen Erfahrungswerten."

Radkte betont aber auch, dass die Wahrscheinlichkeit für eine derartige Krebserkrankung sehr gering sei. Alleine in den USA werden jährlich mehr als 300.000 Brustimplantate Frauen eingesetzt.

Und die Expertin betont auch, dass die Implantat-Qualität heute eine sehr gute sei. Die jetzige Situation können man nicht dem Brustimplantat-Skandal vor einigen Jahren vergleichen, wo ein Hersteller billiges Industriesilikon verwendet hatte.

In Österreich werden jährlich rund 1200 Brustimplantationen durchgeführt.

Worauf Patientinnen achten sollten

Folgende Empfehlungen gibt die Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen:

- Kommt es mindestens ein Jahr nach Implantation zu einer starken Flüssigkeitsansammlung in der Brust, so suchen Sie Ihren behandelnden Arzt auf, damit dieser der Ursache auf den Grund gehen kann.

- Sollte es sich um eine derartige Krebserkrankung handeln, wird eine Heilung zumeist durch Entfernung des Implantats mit der umschließenden Kapsel erreicht.

- Suchen Sie unabhängig davon, ob Sie Symptome haben oder nicht jährlich ihren behandelnden Arzt für eine Routinekontrolle auf.

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