Kontroverse Studie: Konsum von rotem Fleisch ist gar nicht ungesund
Zu viel Fleisch verkürzt das Leben: Unter dieser Schlagzeile machte 2017 eine schwedische Studie in internationalen Medien die Runde. Bei Fleischliebhabern war die Sterberate im Schnitt um 21 Prozent höher.
Die Erkenntnis, dass Fleisch die Gesundheit beeinträchtigen kann, war damals keinesfalls neu: Im Jahr 2015 kamen WHO-Experten in einer Übersichtsarbeit zu dem Ergebnis, dass fleischreiche Ernährung das Risiko für Darmkrebs erhöht. Verarbeitete Fleischprodukte wie Geräuchertes oder Gepökeltes, etwa Wurst, Schinken und Speck, stufte die Organisation darin als eindeutig "krebserregend" ein. Rotes Fleisch – also alle Fleischsorten außer Geflügel – wurde als "möglicherweise krebserregend" bezeichnet.
Studie widerspricht gängigen Empfehlungen
Die Autoren einer neuen Erhebung argumentieren nun in eine gänzlich andere Richtung. Den Konsum von rotem Fleisch einzuschränken sei nicht notwendig, heißt es in der Studie. Auf Fleisch zu verzichten habe nur wenig Einfluss auf die Gesundheit.
Auf dem Papier wirkt die Untersuchung zunächst ernstzunehmend: Ein Gremium internationaler Wissenschafter führte insgesamt fünf Erhebungen durch, darunter eine mit 54.000 Teilnehmern, in der kein Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und einem erhöhten Risiko für Herzerkrankungen, Diabetes oder Krebs festgestellt werden konnte. In drei weiteren Übersichtsarbeiten zeigte sich lediglich eine geringe Reduktion des Gesundheitsrisikos bei Personen, die drei Mal oder öfter täglich rotes oder verarbeitetes Fleisch aßen und ihren Konsum verringerten. In einer fünften Studie wurden die Motive für Fleischkonsum erhoben. Es zeigte sich, dass Menschen Fleisch essen, weil sie es als gesund ansehen, den Geschmack mögen und eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten zu aufwendig erscheint.
In ihren neuen Richtlinien sprechen die Forschenden abschließend nur eine "schwache Empfehlung" aus, dass die meisten Menschen ihren Verzehr von rotem und verarbeitetem Fleisch nicht reduzieren müssen. Publiziert wurden die Erkenntnisse im Fachblatt Annals of Internal Medicine.
Globales Interesse an Ernährung
Der an der Studie beteiligte Gordon Guyatt, Mediziner und Universitätsprofessor an der kanadischen McMaster University, sagte über die Ergebnisse: "Es gibt ein weltweites Interesse an Ernährung und insbesondere an rotem Fleisch. Die Menschen müssen in der Lage sein, Entscheidungen über ihre eigene Ernährung auf der Grundlage der besten verfügbaren Informationen zu treffen."
Der ebenfalls an der Erhebung beteiligte Epidemiologe Bradley Johnston von der kanadischen Dalhousie University bestätigte, dass die aktuelle Arbeit vielen Ernährungsrichtlinien widerspreche: "Dies ist nicht nur eine weitere Studie über rotes und verarbeitetes Fleisch, sondern eine Reihe systematischer Überprüfungen von hoher Qualität, die zu Empfehlungen führen, die wir für weitaus transparenter, robuster und zuverlässiger halten", sagte Johnston.
"Verantwortungslos"
Unbeteiligte Experten sehen die Studie unterdessen kritisch. "Das ist eine sehr verantwortungslose Empfehlung für die öffentliche Gesundheit", sagte Frank Hu, Vorsitzender der Ernährungsabteilung der Harvard T.H. Chan School of Public Health im Interview mit CNN.
"Warum sollte man eine 'schwache Empfehlung' zum Verzehr von rotem und verarbeitetem Fleisch abgeben?", fragte Ernährungswissenschaftler Christopher Gardner von der Stanford School of Medicine im Gespräch mit dem US-Sender. Und Gardner weiter: "Ich bin völlig verblüfft. Und ich mache mir große Sorgen darüber, wie gefährlich das ist."
"Es sollte beachtet werden, dass das Gremium keine nationale oder internationale Organisation oder Regierungen repräsentiert", mahnte Jim Mann, Professor für Medizin und Ernährung an der Universität von Otago in Neuseeland, gegenüber CNN. "Leitlinien werden im Allgemeinen von maßgeblichen Stellen und nicht von selbst ausgewählten Gruppen herausgegeben", sagte Mann, Mitglied der Expertengruppe für Ernährungsberatung der WHO.
Christine Laine, Ärztin und Chefredakteurin der Annals of Internal Medicine, verteidigte die Veröffentlichung unterdessen: "Es gibt viele Gremien, die starke Ernährungsempfehlungen herausgegeben haben, die nicht durch qualitativ hochwertige Überprüfungen der Beweise gestützt werden", sagte sie zu CNN. "Wir waren also aufgrund der Methodik an dieser Arbeit interessiert."
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