Jedes zweite Kind isst mindestens einmal pro Woche Fast Food

Jedes zweite Kind isst mindestens einmal pro Woche Fast Food
UNICEF warnt: Schlechte und unzureichende Ernährung gefährdet die Kindergesundheit. In Industrieländern trinken 62 Prozent täglich Zuckerhältiges.

Mindestens jedes dritte Kind unter fünf Jahren - 200 Millionen Mädchen und Buben weltweit - leidet unter den Folgen von unzureichender oder schlechter Ernährung und ist entweder unterernährt oder übergewichtig. "Die Zahl der betroffenen Kinder ist alarmierend", warnt das UN-Kinderhilfswerk UNICEF in seinem heute, Dienstag veröffentlichten "Bericht zur Situation der Kinder in der Welt".

Fast zwei Drittel der Kleinkinder zwischen sechs Monaten und zwei Jahren erhält nicht die richtigen Lebensmittel, um ihre körperliche und geistige Entwicklung zu fördern. Es besteht die Gefahr, dass sich ihr Gehirn nicht gut entwickeln kann und sie später Lernschwierigkeiten haben werden. Das Immunsystem der Kinder ist geschwächt, wodurch sich das Risiko für Infektionskrankheiten erhöht, die in vielen Fällen sogar zum Tod führen.

"Trotz aller technologischen, kulturellen und sozialen Fortschritte in den letzten Jahrzehnten haben wir eine grundlegende Tatsache aus den Augen verloren: Wenn Kinder schlecht ernährt werden, haben sie ein schlechtes Leben", sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore. „Millionen von Kindern ernähren sich ungesund, weil sie einfach keine andere Wahl haben. Die Art und Weise wie wir Mangelernährung verstehen und bekämpfen, muss sich ändern: Es geht nicht nur darum, dass Kinder genug zu essen haben; es geht vor allem darum, dass sie das Richtige zu essen haben. Das ist unsere gemeinsame Herausforderung.“

Der UNICEF-Report dokumentiert alle Formen kindlicher Fehlernährung im 21. Jahrhundert. Darin wird die dreifache Bürde von Fehlernährung analysiert: Unterernährung, versteckter Hunger durch fehlende Nährstoffe sowie Übergewicht bei Kindern unter fünf Jahren. Die wichtigsten Fakten im Überblick:

  • 149 Millionen Kinder unter fünf sind aufgrund von Mangelernährung unterentwickelt, sprich zu klein für ihr Alter.
  • 50 Millionen Kleinkinder sind unterernährt, sprich zu dünn im Vergleich zu ihrer Größe.
  • 340 Millionen Mädchen und Buben - jedes zweite - leidet unter Defiziten aufgrund fehlender Vitamine und Nährstoffe wie z.B. Vitamin A und Eisen.
  • 40 Millionen Kinder unter fünf sind übergewichtig oder fettleibig.

Fehlernährung beginnt im Babyalter

Der UNICEF-Report warnt, dass schlechte Ess- und Ernährungsgewohnheiten schon in den ersten Tagen im Leben eines Kindes ihren Anfang nehmen. Nur 42 Prozent aller Kinder unter sechs Monaten werden ausschließlich gestillt, und eine wachsende Zahl an Babys wird mit Milchpulver gefüttert. In Ländern mit mittlerem Einkommen wie Brasilien, China und der Türkei hat der Verkauf von Babymilchpulver zwischen 2008 und 2013 um 72 Prozent zugenommen, vor allem durch unangemessenes Marketing und schwache Programme, um Stillen zu fördern und zu unterstützen.

Wenn Babys rund um das Alter von sechs Monaten anfangen, feste Nahrung zu sich zu nehmen, erhalten viele von ihnen die falsche Beikost. Im weltweiten Durchschnitt bekommen fast 45 Prozent der Kinder zwischen sechs Monaten und zwei Jahren weder Obst noch Gemüse zu essen. Fast 60 Prozent essen weder Eier, Milchprodukte noch Fisch oder Fleisch.

Großes Angebot an Junk Food und Soft Drinks

Im weiteren Verlauf der Kindheit sind Mädchen und Buben in alarmierendem Maß ungesunden Lebensmitteln ausgesetzt. Dazu tragen Werbung und Marketing bei, die Fülle von industriell stark verarbeiteten Lebensmitteln in Städten ebenso wie in abgelegenen Dörfern sowie ein großes Angebot an Fast Food und stark zuckerhaltigen Getränken.

So konsumieren in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen 42 Prozent der SchülerInnen im Jugendalter mindestens einmal täglich einen zuckerhaltigen Softdrink, und 46 Prozent essen mindestens einmal pro Woche Fast Food. In Industrieländern steigt der Anteil sogar auf 62 bei den Getränken bzw. 49 Prozent bei Fast Food.

Jedes zweite Kind isst mindestens einmal pro Woche Fast Food

In der Folge nehmen Übergewicht und Fettleibigkeit bei Kindern und Jugendlichen weltweit zu. Zwischen 2000 und 2016 hat sich der Anteil der übergewichtigen Kinder von fünf bis 19 Jahren fast verdoppelt. Im Vergleich zu 1975 sind heute zehn Mal so viele Mädchen und zwölf Mal so viele Buben übergewichtig. In Deutschland waren 2016 insgesamt 26,6 Prozent der Kinder und Jugendlichen von fünf bis 19 Jahren übergewichtig, eine Steigerung um 37 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 (19,4 Prozent) bzw. fast doppelt so viele wie 1975 (13,8 Prozent).

Kinder in Armut besonders betroffen

Die größte Last von Unter- und Fehlernährung in all ihren Formen haben Kinder und Jugendliche der ärmsten und am meisten benachteiligten Gemeinschaften zu tragen. In den ärmeren Haushalten nimmt nur jedes fünfte Kleinkind zwischen sechs Monaten und zwei Jahren die nötige abwechslungsreiche Nahrung zu sich, die es für ein gesundes Wachstum braucht. Auch in wohlhabenden Ländern wie Großbritannien ist der Anteil der übergewichtigen Kinder in den ärmsten Regionen mehr als doppelt so hoch wie in den reichsten Gebieten.

Der Report hebt weiter hervor, dass klimabedingte Naturkatastrophen schwere Ernährungskrisen zur Folge haben können. Dürren sind für 80 Prozent der Beschädigungen und Verluste in der Landwirtschaft verantwortlich. Das hat dramatische Auswirkungen darauf, welche Lebensmittel Kindern zur Verfügung stehen sowie auf die Qualität und Preise dieser Lebensmittel.

Was UNICEF fordert

Um die wachsende Ernährungskrise von Kindern zu bekämpfen, ruft UNICEF Regierungen, die Privatwirtschaft, Spender, Eltern, Familien und Unternehmen  dazu auf, Kinder mehr in ihrer gesunden Entwicklung zu unterstützen.

  • Familien, Kinder und Jugendliche sollen darin bestärkt werden, nahrhafte Lebensmittel einzufordern. Die Nachfrage nach ungesunden Lebensmitteln soll gesenkt werden, z.B. durch bessere Aufklärung über gesunde Ernährung und gesetzliche Regelungen wie Zuckersteuern.
  • Die Lebensmittelhersteller sollen durch Anreize dazu gebracht werden gesunde, praktische und bezahlbare Lebensmittel zu produzieren.
  • Ein gesundes „Ernährungs-Umfeld“ für Kinder und Jugendliche soll geschaffen werden, z.B. durch korrekte und leicht verständliche Angaben auf den Verpackungen und strengere Kontrollen für das Marketing von ungesunden Lebensmitteln.
  • Gesundheits-, Bildungs- und Sozialsystem sollen die Bemühungen um gesunde Ernährung stärker unterstützen.
  • Bessere Daten zur Ernährung von Kindern müssen erhoben werden.

"Wir verlieren Boden beim Kampf um gesunde Ernährung", sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Fore. "Das ist kein Kampf, den wir alleine gewinnen können. Regierungen, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft müssen die Ernährung von Kindern priorisieren und zusammenarbeiten, um die Ursachen von ungesunder Ernährung in all ihren Formen anzugehen."

 

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