Händehygiene: Sogar auf Intensivstationen oft mangelhaft

Händehygiene: Sogar auf Intensivstationen oft mangelhaft
Internationale Studien zeigen erschreckende Ergebnisse. Patienten sollen Gesundheitspersonal auf Mängel aufmerksam machen.

Eine von 31 Personen, die stationär in einem Krankenhaus behandelt werden, erkranken in den USA an einer Infektion. Das zeigen Daten der nationalen Gesundheitsbehörde CDC. Derartige im "Gesundheitssystem erworbenen Infektionen" (hospital acquired infections, HAI) betreffen in den USA rund 722.000 Personen pro Jahr, wovon etwa 75.000 Patientinnen und Patienten im Krankenhaus versterben. Die geschätzten Behandlungskosten belaufen sich jährlich auf 33 Milliarden US-Dollar.

"Für Europa geht die EU-Agentur European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) von 8,9 Millionen HAI-Fällen jährlich in Spitälern aus“, sagt  Walter Hasibeder, Primarius der Abteilung für Anästhesie und operative Intensivmedizin am St. Vinzenz Krankenhaus in Zams/Tirol und künftiger Präsident Österreichischen Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI). "Patienten auf Intensivstationen sind besonders gefährdet, sie haben ein fünf- bis zehnfach erhöhtes Risiko für eine im Spital erworbene Infektion“. Alljährlich soll Anfang Mai der "Internationale Tag der Händehygiene" auf das Thema aufmerksam machen.

Was das Infektionsrisiko erhöht

Die richtige Händehygiene vor und nach jedem direkten Patientenkontakt ist die wichtigste Maßnahme zur Verhinderung der Übertragung gefährlicher Bakterien, Pilze und Viren von einem Patienten auf den Anderen. Obwohl der Zusammenhang zwischen suboptimaler Handhygiene und der Übertragung von Infektionskrankheiten schon lange bekannt ist, zeigt eine kürzlich am  Europäischen Kongress für Klinische Mikrobiologie und Infektionskrankheiten  2019 in Amsterdam vorgestellte Studie, dass selbst in so kritischen Krankenhausbereichen wie auf Intensivstationen, noch immer gravierende Mängel bei der Händehygiene existieren.

Auf 18 Intensivstationen in den USA wurden die Maßnahmen zur Händehygiene beim ärztlichen und pflegerischen Personal über einen Beobachtungszeitraum von acht Monaten genau dokumentiert. Die Ergebnisse waren erschreckend: In zwei Drittel der Fälle war die Händehygiene beim Wechsel von einer "schmutzigen“ zu einer "sauberen“ Tätigkeit an Patientinnen und Patienten mangelhaft. Bei Ärztinnen und Ärzten gab es signifikant häufiger schwere Mängel in der Händehygiene verglichen mit dem Pflegepersonal. Vor allem das Tragen von Einmalhandschuhen war häufig mit der Vernachlässigung von Händehygienemaßnahmen verknüpft. Einer der Studienautoren, Prof. Loreen Herwaldt von der Universität Iowa, betont, dass vor allem der Wechsel von "schmutzigen" zu "sauberen" Tätigkeiten an Patienten ohne adäquat durchgeführte Händehygiene-Maßnahmen das Patientenrisiko für Infektionen deutlich erhöht.

Welche Maßnahmen helfen

Dabei gebe es durchaus Möglichkeiten der Verbesserung, betonen Experten. Eine erst kürzlich publizierte Zusammenfassung verschiedener Studien zu diesem Thema kommt zum Schluss, dass durch ein Maßnahmenbündel die Hygiene in Gesundheitseinrichtungen deutlich verbessert werden könne: Dazu gehören vermehrte, verpflichtende Hygienefortbildungen, praktisches Training sowie regelmäßige Kontrollen zur Händedesinfektion.

"Ich würde mir zusätzlich wünschen, dass mündige Patientinnen und Patienten im Krankenhaus das Spitalspersonal direkt darauf ansprechen, sollte vor dem Kontakt die Händedesinfektion vergessen worden sein", sagt Prof. Hasibeder. "Diese Aufmerksamkeit der Patientinnen und Patienten würde in kürzester Zeit eine deutliche Verbesserung der Händehygiene bewirken."

Mehr gefährdete Patienten

Hygienemaßnahmen, darunter speziell die Händehygiene, werden in allen Gesundheitseinrichtungen – besonders aber in den Krankenhäusern – aus mehreren Gründen immer wichtiger, wie der ÖGARI-Experte betont. "Die Patienten, die wir auf unseren Intensivstationen betreuen, werden immer älter und fragiler. Das zunehmende Alter unserer Patienten führt an sich schon zu einer schlechteren Immunsituation. Hinzu kommen chronische Vorerkrankungen, wie zum Beispiel Diabetes, welche zusätzlich die körpereigene Abwehr schwächen und Infektionskrankheiten begünstigen."

Abwehr resistenter Keime

Eine ganz neue Dimension haben die Hygienemaßnahmen insgesamt und die Händehygiene im Speziellen mit dem Aufkommen von Antibiotika-resistenten Keimen erhalten. Ihre Entstehung muss von Anfang an durch Hygiene und sparsamen sowie richtigen Einsatz der Antibiotika verhindert werden – ebenso ihre Weiterverbreitung von Patient zu Patient. Hier ist die wirksame Händehygiene ein (mit-)entscheidender Faktor.

"Abgesehen von der Händedesinfektion im Gesundheitsbereich können wir alle im täglichen Leben zur Verhinderung der Übertragung von Keimen beitragen“, so Prof. Hasibeder. „Besonders wichtig ist regelmäßiges Händewaschen, unter Ablegen von Schmuck, mit Seife, gründlich und mindestens 30 Sekunden lang plus Abtrocknen. Das sollte vor dem Essen, nach jedem Toilettenbesuch, nach Husten, Schnäuzen etc. erfolgen, und natürlich auch vor und nach Kontakt mit einem Kranken. Händehygiene geht eben alle etwas an.“

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