Sie gilt als "Arzt im Blumentopf" und kommt sogar als Diätmittel zum Einsatz. Doch die Aloe Vera kann wohl weniger, als viele denken – und sogar schädlich sein.
Jahrtausende alte Legenden ranken sich um die Aloe Vera: Bereits im Alten Ägypten sollen Kleopatra und Nofretete den Saft der Pflanze zur täglichen Hautpflege genutzt haben – etwa als Gesichtsmaske. Christoph Columbus hatte angeblich auf seinen Expeditionen immer Aloe-Blätter im Kübel dabei, um damit Wunden oder Verletzungen seiner Söldner auf See versorgen zu können.
Seit einigen Jahren erlebt die Aloe Vera auch hierzulande ein Revival – allerdings nicht nur zur äußerlichen Anwendung, sondern als Saft-Varianten, die etwa von den USA aus über ein System von Empfehlungsmarketing in Österreich vertrieben werden.
Die Anwendungsempfehlung des Herstellers, dass der Saft täglich nach Belieben getrunken werden soll, stößt nicht nur Konsumentenschützern, sondern auch medizinischem Fachpersonal sauer auf. Anders als durch findige Geschäftsleute vermarktet, ist die Pflanze noch lange kein Allheilmittel.
Ist hier von der Aloe Vera die Rede, ist damit die Echte Aloe gemeint, eine Pflanzenart aus der Gattung der Aloen mit über 500 Arten. Sie wächst in subtropischen und tropischen Regionen, ist aber auch bereits im Mittelmeer-Raum, in Indien oder auf den Kanarischen Inseln zu finden.
Dem Wüstengewächs gefällt jedoch auch ein ein sonniger Platz auf heimischen Balkonen, was die Aloe Vera noch sympathischer macht.
Charakteristisch für die Pflanze sind ihre dicken stacheligen Blätter, deren Fleisch vor allem für die Kosmetikindustrie interessant ist. Der Saft der Blätter besteht aus etwa 160 Inhaltsstoffen, davon Mono- und Polysaccharide, Aminosäuren, Enzyme, Mineralstoffe, Spurenelemente, Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe. Volksmedizinische Bedeutung hat vor allem das Aloe-Vera-Gel, das durch Auspressen des Wasserspeichers des Blattes gewonnen wird. „Das Gel hat eine hervorragende Wirkung, es ist wundheilungsfördernd, entzündungshemmend, schmerzlindernd und vor allem feuchtigkeitsspendend“, sagt Dermatologe Christian Fellenz. Daher überrascht es ihn auch nicht, dass Menschen Aloe-Vera-Gel seit Hunderten von Jahren in Form von Cremen und Lotionen verwenden. Susanne Hofmann von der auf Naturheilkunde spezialisierten St. CharlesApotheke in Wien sieht das genauso.
„Wir empfehlen vor allem die Anwendung auf der Haut – seien es Wundheilungsstörungen, eine begleitende Psoriasis-Therapie oder ganz banaler Sonnenbrand. Hochwertige Aloe-Vera-haltige Lotionen können hier eine Unterstützung liefern“, sagt die Pharmazeutin. Gerade bei sonnengeschädigter Haut wirkt das Aloe-Vera-Gel besonders gut, da dieses feuchtigkeitsspendend und hautberuhigend ist, andererseits unterstützt Aloe Vera den Körper bei der Wundheilung, indem es hilft, die Integrität des Gewebes wieder aufzubauen. Hinzu kommt, dass – außer bei Allergikern – kaum Nebenwirkungen durch das Auftragen auf die Haut zu erwarten sind.
Wie bei allen Stoffen können Menschen auch allergisch auf die Aloe-Pflanze reagieren. Dies trifft allerdings äußerst selten zu.
von Mag. pharm. Susanne Hofmann Saint Charles Apotheke
Tatsächlich Wunderpflanze?
Abgesehen von den beschriebenen positiven Auswirkungen des Gels auf geschädigte Haut schreiben Beauty-Industrie und Frauenzeitschriften der Aloe-Vera-Pflanze noch viel mehr erfolgversprechende Eigenschaften zu. Mittlerweile gibt es Aloe-Kapseln und -Saft – von weniger Besenreisern, weniger Cellulite und Pickeln, besserer Verdauung ist dabei die Rede. Der Saft soll sogar beim Abnehmen helfen, indem er den Stoffwechsel anregt und Fett abbaut. Doch stimmt das wirklich? „Es gibt keine Studien, die den Nutzen belegen“, kommentiert der Wiener Mediziner Christian Fellenz. Der Mythos des Abnehmens stammt wohl eher daher, dass der eingedickte Aloe-Vera-Saft der Blätter als Laxans, also als Abführmittel, verwendet werden kann, da die enthaltenen Anthranoide den Dickdarm stimulieren.
„Die laxierende Wirkung konnte mit Studien sehr gut untermauert werden“, sagt Pharmazeutin Hofmann und warnt davor, diese Wirkung missbräuchlich für Diäten zu verwenden. Der Jo-Jo-Effekt stelle sich bei solchen Methoden sowieso alsbald wieder ein. „Alle anderen Indikationen haben aus wissenschaftlicher Sicht noch zu wenig Daten, um von einer ,Wunderwaffe’ zu sprechen“, führt Hofmann weiter aus. Bei der innerlichen Anwendung durch Kapseln oder Saft könne es sogar zu krampfartigen Magen-Darm-Beschwerden, einer Nierenentzündung sowie einer Rotfärbung des Urins kommen. Wovon Dermatologe Fellenz auch abrät, ist die Verwendung der rohen Aloe Vera für Getränke und Smoothies, da keine positive Auswirkung auf den Organismus belegt sei.
Der Anteil von Aloe-Vera-Gel in Cremes und Lotionen sollte reichlich sein, um eine positive Wirkung zu haben – ich schätze weit über 50 bis 60 Prozent.
von Dr. Christian Fellenz Dermatologe bei Skin Fellenz
Selbst herstellen
So bleibt doch nur die äußerliche Anwendung mit Aloe-Vera-Gel als etabliertes Mittel. Aber soll man sich hierfür gleich ein Blatt von der Zimmerpflanze abzwicken? „Bei sofortigem Gebrauch ist das Herauslösen des Gels aus der Pflanze sicherlich eine unkomplizierte und schnelle Hilfestellung, etwa bei akutem Sonnenbrand“, sagt die Apothekerin. Es sei jedoch darauf zu achten, dass die Zimmerpflanze mindestens fünf Jahre alt ist, weil sie erst dann ihre Vielfalt an Inhaltsstoffen entwickelt hat. Möchte man das Aloe-Vera-Gel länger aufheben, sind einige Konservierungsstoffe nötig, um es für circa drei Monate haltbar zu machen. Wichtig ist jedenfalls, den Wirkstoff Aloin – eine gelbe Flüssigkeit in der Blattrinde – zu entfernen. Es steht im Verdacht, krebserregend und mutagen zu sein.
Wer auf Nummer sicher gehen möchte, kann auf industriell hergestellte Produkte zurückgreifen. Wichtig ist jedoch, dass die Sprays und Gele „echte Aloe“ enthalten, also „Aloe Vera Barbadensis Blattsaft/Leaf Juice“, da das Gel aus Blattsaft im Vergleich zu Gel aus Trockenkonzentrat mehr wertvolle Wirkstoffe enthält. „Getrocknetes Pulver im Aloe-Vera-Gel erkennt man an den Begriffen ,Powder’ und ,Extract’“, erklärt Hofmann. Aber nicht überall, wo Aloe Vera draufsteht, können Konsumenten von einer Wirkung ausgehen. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat Kosmetika, Cremes und Drogerieartikel mit Aloe Vera untersucht und dabei aufgedeckt, wie Hersteller die Verbraucher hinters Licht führen. Der Aloe-Vera-Gehalt lag teilweise bei nur einem Prozent – obwohl die Verpackung durch große Bilder der Pflanze einen anderen Anschein erweckte. Klare Gewinner der Untersuchung waren die zertifizierten Naturkosmetik-Produkte, zu denen auch Pharmazeutin Hofmann rät.
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