Wer wagt ...

Das Warten hat sich wohl gelohnt.
Ein Spitzenkoch eröffnet ein Restaurant nach seinem Geschmack: Konstantin Filippou.

Am Anfang war es eine Idee. Dann ein Plan. Schließlich das streng gehütete Geheimnis um den Standort. Dazwischen viel Baustellenstaub und Arbeit. Seit dieser Woche ist es ein Restaurant. Das Restaurant von Konstantin Filippou. Es trägt seinen Namen.

Und es ist schön geworden. Gemeinsam mit einem gut ausgesuchten Architekten hat Filippou eine Welt nach seinem Willen und seiner Vorstellung geschaffen und die unterscheidet sich von der an seinem letzten Wirkungsort, dem inzwischen verblichenen Novelli, wie ein Artischokensalat von einem Hummercocktail.

Wer wagt ...
Salz & Pfeffer, Filippou

Viel Holz, dezentes Grau an den Wänden, Licht und große Fenster. Mininalistisches Design, zum Beispiel bei den Lampen. Gemütliche 50er Jahre-Stühle, importiert aus Portugal, stehen an Tischen aus Eschenholz, angefertigt in der buckligen Welt. Und es ist ein Wunder: diese Tische sind weder von Tüchern bedeckt und auch nicht von den lächerlichen Tischläufern, die sich in Österreichs Gastronomie virusartig verbreitet haben und auch dem besten Lokal die Anmutung eines Frühstücksraums in einem 4-Sterne-Businesshotel am Flughafen verleihen.

Wer wagt ...
Salz & Pfeffer, Filippou

Die Messer hat Filippou aus Frankreich mitgebracht. Sie sind es nicht alleine, die dem Ganzen trotz seiner nordischen Schlichtheit den Reiz eines modernen Bistros in Les Beaux oder auch einer kontemporären Taverne auf Kreta verleihen. Konstantin Filippou ist Halbgrieche.

Am Ende des Lokals steht der Kitchen-Table, auf dem bis zu drei Gäste Platz nehmen können und sich auf kühlem Marmor den Tisch mit den Köchen teilen, die hier Amuse Bouches und Vorspeisen finalisieren. Mit Pinzette und Hand wird hier gezupft, gerollt und präzise plaziert. Ein Miniradieschen da, etwas Auster dort, hier ein kurzer Hitzestoß mit dem Feuerwerfer, ohne den heute keine moderne Küche mehr auszukommen scheint. Die Köche tragen hübsche, schwarze Kochhauben und weil sie so gut gekleidet sind, dürfen sie den Gästen auch selbst servieren.

Wer wagt ...
Salz & Pfeffer, Filippou

Im Gegensatz zur Schlichtheit des Umfelds ist Konstantin Filippous Küche voll bunter Sinneseindrücke, Großzügigkeit und Opulenz. Letztere macht sich nicht in buttrigen Saucen, sondern in der Vielfalt der Eindrücke bemerkbar. Hier hat sich einer offenbar den holländischen Spitzenkoch Sergio Hermann zum Vorbild genommen, bei dem es keinen Teller ohne einen so genannten Side-Dish gibt, also einen zweiten Teller, auf dem sich ergänzende oder erweiternde Varianten und Zitate des Hauptthemas finden. Ja, ein Menü dieser Art lässt sich, wenn man will, mit einer musikalischen Komposition vergleichen.

Zu Beginn sind das Gurken und Fines-de-Clairs-Austern einerseits und Forelle (roh), Algen und Reiscreme andererseits. Austern als Vorspeise sind jetzt in der Hochküche nicht neu, was nur eine Erwähnung, aber nicht eine Kritik ist. Denn der Besuch fand in den ersten Tagen des Probebetriebs statt. Eigentlich eine Unsitte. Aber ich konnte nicht widerstehen.

Wer wagt ...
Salz & Pfeffer, Filippou

Artischocke kommt einmal als Salat mit genial behandeltem Topinambur, rohen Champignons und einem erdigen Jus aus Pilzen. Filippou liebt das milimetergenau Geschnittene, das roh gehobelte. Dann die Artischocke als Teil von festen Canneloni, gereicht in einer Sauce aus Buttermilch, obenauf Reibkäse. Wer das nicht gut findet, verlässt jetzt besser das Restaurant. Schräg gegenüber wäre eine Pizzeria. Doch niemand von den Gästen macht Anstalten, aufzustehen.

Noch einmal eine kleine Genialität: gebackene Schnecken, Ravioli aus dünn geschnittenen roten Rüben, gefüllt mit Schnecke, darauf eine Scheibe aus Rindermark, ein Saft aus Liebstöckel, als Sidedish eine Creme aus Brot, wiederum rote Rübe. (Variante eines berühmten Rezepts von René Redzepi, darf vermutet werden. Stört das jemanden, wenn sich ein Koch von den Besten seine Anregung holt? Mich nicht.)

Ein gebratener Schweinebauch wird dünn aufgeschnitten, lauwarm, serviert mit Sauerklee, Zwiebel und Aal, dazu ein Ravioli, der mit Eidotter gefüllt ist. Bleibender Eindruck: ziemlich wunderbar, das.

Schon im Novelli war die Makrele ein Hit, inspiriert von den jungen und junggebliebenen Köchen in Frankreich. Makrele ist schwer angesagt und schmeckt auch so gut. Jetzt macht Filippou den Fisch noch "rauer" als früher, serviert das entgrätete, ganze Teil mit Kopf, erfrischend dazu der Kren und das Dillöl. Die Topinambursauce allerdings - ich weiß es nicht.

Wer wagt ...
Salz & Pfeffer, Filippou

Wenn der achte Gang eines Essens serviert wird und die Teller komplett geleert zurück gehen, mögen das die einen als Zeichen ausufernder Dekadenz ansehen, die anderen aber einfach schließen, dass der Koch sein Handwerk versteht. Also ist die Taubenbrust perfekt rosa, das Haxerl wiederum auf gleichem Niveau knusprig und ergänzt wird das alles durch eine Creme aus Taubenleber. Der Nachbarteller bringt gebratenen Karfiol mit kleinen Ravioli, die mit Taubenklein gefüllt sind, und eine klare Sauce auf Sherrybasis. Ermattet sinkt der Gast zurück, blickt in die zufriedene Runde der anderen und hat jetzt das Gefühl, dass dieses Lokal ein Erfolg werden könnte.

Zumal sich Filippou einen wirklich guten Mann für den Wein geholt hat. Leo Kiem war acht Jahre im Ausland und hat unter anderem in den Betrieben von Gordon Ramsay in London (Maze) das Nachdenken und Einschenken gelernt. Die Weinkarte strotzt vor kleinen Entdeckungen, listet Sorten auf, die dem Wiener Trinker nicht so geläufig sein könnten, hat auch Griechenland im Programm und macht insgesamt ziemlich neugierig.

Wer wagt ...
Salz & Pfeffer, Filippou

Eine Nachspeise noch: Apfel-Lakritz mit Lakritz-Eis und Apfelkrapfen. Wie wunderbar. Spät ist es geworden und jetzt schaut noch Filippous Nachbar Christian Petz (Badeschiff) vorbei, gratuliert zum gelungenen Start und meint in Richtung des frischgebackenen Restaurant-Besitzers: "Ob es wirklich funktioniert und das ist, was du willst, siehst du frühestens in einem halben Jahr."

Ich komme etwas früher wieder. Denn Herr Filippou hat auch bei den Preisen an die Gäste gedacht, die nicht für jedes Abendessen einen Bausparer auflösen wollen. Vor allem, da sie niemals einen hatten.

Konstantin Filippou Dominikanerbastei 17 1010 Wien T: +43/(0)1/512 22 29restaurant@konstantinfilippou.com www.konstantinfilippou.com

Kommentare