Welche Fische man noch mit gutem Gewissen essen kann
Wenn es zu heiß für sonstige Aktivitäten ist, wird am liebsten gegrillt. So erklärt sich Norbert Schuster beim großen Wiener Fischhändler Eishken Estate die starke Nachfrage just bei extremer Hitze. „Der Sommer ist die Hoch-Zeit für Fische.“
Schusters Beobachtungen zeigen deutlich den Image-Wandel von Fisch seit den 1980er-Jahren. So lange ist er im Geschäft – und seither hat sich Fisch zu einem Lifestyle-Produkt entwickelt. Besonders an Wochenenden wollen viele mit Fisch auf dem Tisch vor Familie und Gästen brillieren. „Früher war der Parkplatz im Sommer leer, man ist mit nur einem Filetierer im Geschäft ausgekommen. Heute suchen die Kunden manchmal eine halbe Stunde lang einen Parkplatz“, sagt Schuster.
33 Prozent der Fischbestände sind überfischt
Dass der Fischkonsum steigt, ist einerseits positiv, denn Fisch und Meeresfrüchte sind kalorienarm und gesund – etwa durch die physiologisch wertvollen Omega-3-Fettsäuren, die die Zellen schützen. Andererseits führt mehr Nachfrage zu höheren Fischereimengen – und damit zu einer mittlerweile dramatischen Überfischung, wie die Welternährungsorganisation FAO erst dieser Tage anlässlich des neuen „FAO Reports“ anprangerte. Bereits 33 Prozent der weltweiten Fischbestände sind überfischt, bei knapp 60 Prozent sind die verträglichen Befischungsgrenzen praktisch erreicht.
Scholle in Nord- und Ostsee stabilisiert sich
Und das, obwohl sich manche Bestände dank Maßnahmen wie die gemeinsame Fischereipolitik der EU einigermaßen stabilisiert haben. Dazu zählt etwa die Scholle in Nord- und Ostsee. „Im Nordatlantik wird der Fischbestand sehr stark überwacht, in der Ostsee ist das Management der Fischerei recht gut“, sagt Gerhard , Meeresbiologe an der Uni Wien. Die Scholle zählt nach wie vor zu den beliebtesten Speisefischen der Österreichern – auch die Fischvorlieben sind Trends unterworfen. „Es gibt immer wieder Wellen für verschiedenes Getier“, sagt Fisch-Experte Norbert Schuster.
Grill-Lieblinge Wolfsbarsch und Goldbrasse
Früher seien eine Zeit lang Jakobsmuscheln sehr gefragt gewesen, derzeit sind es Kabeljau, Lachs – sowie Wolfsbarsch und Goldbrasse, vor allem zum Grillen. Thunfisch hat seit der japanischen Sushi-Welle aufgeholt. Folge: Echter Thunfisch gilt als höchst gefährdet.
Garnelen aus Massentierhaltung
Garnelen, ein Hit der Achtziger-Jahre, sind wiederum vom Luxus zur Massenware aus Massentierhaltung in Aquakulturen geworden. Fünf Mal so viele wie damals werden laut FAO heute verkauft. Beim Diskonter sind Shrimps-Salate schon unter zwei Euro zu haben.
Fisch bleibt Luxusprodukt
Dass Fisch in einem Binnenland wie Österreich zu einem hohen Grad importiert werden muss, liegt auf der Hand. „Man muss sich bewusst sein: Fisch bleibt ein Luxusprodukt“, betont Schuster. Herndl ergänzt: „Wenn wir in Österreich Meeresfisch kaufen, kommt der von großen Fischereien, die international handeln. Unsere Wirtschaft ist nicht nachhaltig.“ Er nennt ein Beispiel: „Die europäische Fischerei agiert sehr international, mit ihren Flotten fängt sie Afrika die Fische weg – Spanier fischen vor Namibia“, erklärt er. „Mit ihren modernen Schiffen fischen sie wesentlich effizienter als Afrikaner es tun würden.“ Der kommerzielle Fischfang ist ein riesiges Geschäft.
Woher kommt der Fisch?
Doch immer mehr Konsumenten wollen ihren Fisch auch mit gutem Gewissen genießen. Da müsste einem eigentlich klar sein: Ein Kilogramm Lachsfilet unter 20 Euro – da geht sich irgendwas nicht aus. Wer den Fisch auf dem Teller in Relation mit der Fischerei stellt, kommt rasch zur Frage: Welche Meeresfrüchte kann man noch guten Gewissens essen? Oder soll man lieber ganz verzichten? Bei Umweltschutzorganisationen wie WWF oder Greenpeace betont man: Es komme auch darauf an, wo der Fisch gefangen oder gezüchtet wurde. Denn oft sei nicht eine gesamte Art vom Aussterben bedroht, sondern einzelne Bestände in bestimmten Regionen. Eine Entscheidungshilfe ist der Fisch-Einkaufsratgeber von WWF oder Greenpeace.
Sich zu informieren, empfiehlt auch Norbert Schuster. „Es macht einen Unterschied, unter welchen Bedingungen gefischt wird. Ein Thunfisch wird in einem Einbaum, in dem nur zwei Fischer Platz haben, sicher nachhaltiger gefischt als mit kommerziellen Schiffen.“ Nachsatz: „Leider werden sie nicht nur im Einbaum gefangen.“
Nachhaltiger Fischfang - geht das?
Eine wirklich nachhaltige Fischerei ist laut Meeresbiologe Herndl nicht möglich. „Das MSC-Logo (mehr dazu) geht in die richtige Richtung, weil in der Bevölkerung nur so ein Problembewusstsein geschaffen wird. Den Leuten ist es zunehmend nicht so egal.“
Kontakte zu Fischern
Im Fischhandel ist Nachhaltigkeit längst angekommen. Man setze etwa auf die Kontakte zu bewährten Produzenten. Schuster: „Klein strukturierte Betriebe, die mit kleinen Schiffen arbeiten, das mögen wir.“ Dafür nehme man gern in Kauf, dass etwa Muscheln aus St. Michel in der Bretagne nur zwischen Juli und Dezember erhältlich sind. „Aber wenn man diese Qualität einmal kennt, ist es einem das wert.“
Transparenz durch Strichcodes
Zunehmend wird auch Transparenz ein Thema, sagt Fisch-Händler Schuster. „Wir haben etwa eine Kabeljau-Auslese aus Norwegen im Sortiment, da kann ich anhand des Strichcodes auf die Minute genau jeden Arbeitsschritt nachvollziehen: Wann der Fisch gefangen, verarbeitet, transportiert wurde.“ Ob gute Erfahrungen mit Fischern oder modernste Technik: Alles im Sinne von Transparenz schlägt sich im Preis nieder. „Beim Lachs sind wir mit Bio-Ware aus Schottland sehr erfolgreich. Der kostet aber doppelt so viel wie konventioneller“, sagt Schuster. Doch beim Verkauf geht es für ihn nicht darum, das Teuerste oder Billigste zu verkaufen. „Wichtiger ist mir, den richtigen Fisch zu finden, damit der Kunde zufrieden ist und wiederkommt.“
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