Wahrscheinlich wäre dem Starkoch die Kritik egal, aber am besten schmeckte der Gugelhupf, der freilich von einer Wiener Bäckerei zugeliefert wird. Jamie Olivers Imperium umfasst mehr als 5000 Mitarbeiter, sein Vermögen wird auf 280 Millionen Euro geschätzt. Je größer die Namen, desto größer die Erwartungshaltung: Dementsprechend groß war das Medieninteresse, als Montagabend das Deli feierlich eröffnet wurde.
Der britische Starkoch fährt mit unterschiedlichen Restaurant-Konzepten sehr erfolgreich, unter anderem entwickelte er das Deli-Format für die Flughäfe Gatwick und Oslo. Reisende sollen nicht nur mit klassischen Snacks wie Pizzaschnitte und Sandwiches verköstigt werden, sondern auch mit seinen Superfood-Rezepten. "Dahinter steht die Idee, einen Ort zu schaffen, an dem man sich schnell zurechtfindet und Gerichte bekommt, die man liebt", beschreibt TV-Star
Jamie Oliver sein erstes Gastronomie-Projekt in Österreich.
Der KURIER hatte Montagabend die Gelegenheit, alle angebotenen Speisen zu verkosten: Über das Niveau einer besseren Kantine kommen die Smoothies und Salate nicht hinaus. Keine Frage, Smoothies (alle 5,5 Euro) schmecken Anfang April nun mal nicht nach reifem Obst. Auf der anderen Seite darf entgegen gehalten werden, dass diese allemal besser sind als Cola und andere Softdrinks, die es normalerweise am
Flughafen zu erstehen gibt. Unter den Sandwiches stach das Rubens Sandwich mitPastrami und scharfem Senf (6,90 Euro) geschmacklich besonders hervor.
Die Salate, wie der Rainbow Slaw mit Kraut oder der Superfood Salad mit Linsen, Brokkoli und Rüben, waren kaum gewürzt, ebenso hätte sich der Lachs über eine Prise Salz oder ein paar Spritzer Zitrone gefreut. Die Salate können mit warmen Speisen wie Lachs, Süßkartoffeln oder Pulled Pork zu einer sättigenden Hauptspeise zusammengestellt werden (je nach Zutat zwischen 13,50 und 15,90 Euro). Geschmacklich top präsentierte sich die im Ofen gegarte Süßkartoffel. Enttäuschend fallen die Pizzen aus, die sich im American-Style mit einer dicken Teigschicht präsentieren: Jene Variante mit den scharfen Würsteln – namens Vienna Hot (6,50 Euro) – soll eine Reminiszenz an
Wien sein.
Warum kein österreichisches Konzept?
Das Deli ist erst der Vorgeschmack auf einen ganzen Jamie Oliver-Foodcourt, der auf jener Fläche eröffnen wird, auf der derzeit mit Meinl ein ur-österreichisches Unternehmen vertreten ist: Ein
Restaurant mit mediterraner Speisekarte soll heuer noch folgen, eine Bar folgt kommendes Jahr: In Summer nehmen dann die Oliver-Lokalitäten mehr als 800 qm² Raum ein.
"Jeder spricht immer von regional und saisonal und dann holt man einen Briten."
In der Wiener Gastro-Szene gibt es bereits ein kritisches Hinterfragen, warum der Flughafen auf den Starkoch anstatt auf österreichische Küche setzt: "Jeder spricht immer von regional und saisonal und dann holt man einen Briten. Das ist so wie wenn der brasilianische Teamchef einen österreichischen Kicker nach Brasilien holt. Dabei wäre die Location eine geeignete Plattform für Weltklasse-Produzenten, die wir in
Österreich haben", meint ORF-Fernsehkoch Andi Wojta. Seine Haltung wolle er keinesfalls als Kritik an Jamie Oliver verstanden wissen: "Kulinarisch gesehen sind wir Weltmeister und wir brauchen uns nicht zu verstecken: Wir machen sensationelles Schwarzbrot, Semmeln, Speck und vieles mehr. Mir geht es nicht um die Person Jamie Oliver, sondern es soll ein Denkanstoß sein. Natürlich ist es einfacher, ein internationales Konzept umzusetzen. Aber unser Anspruch sollte sein, dass wir das nächste Mal auf ein österreichisches Konzept setzen."
Flughafen-Vorstand Julian Jäger steht voll und ganz hinter seiner Entscheidung, die britische Marke nach Wien zu holen: "Wir wollen ganz vorne mitspielen, das gelingt nur mit einer internationalen Marke. Mit Demel ist bereits ein österreichisches Unternehmen am Flughafen vertreten – es geht um eine gute Mischung." Der Vorstand hofft durch das neue Gastronomie-Konzept auf den fünften Stern für Schwechat: Bisher ist München der einzige Flughafen weltweit, der mit fünf Sternen (nicht zu verwechseln mit Michelin-Sternen) ausgezeichnet ist. Diese begehrte Auszeichnung verlieh das Londoner Luftfahrtforschungsinstitut Skytrax heuer zum zweiten Mal. Ob Wien 2018 den fünften Stern mithilfe des britischen Starkochs holt, wissen wir im Frühjahr 2018.
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