Die Wiedereröffnung des Wiener Kaffeehauses als Mixtur aus Restaurant-Bar, Kulturlocation und Designshop findet am 26. August statt.
16.08.17, 08:00
Vom Griensteidl bleibt – nichts: "Rien" heißt der Nachfolger des Wiener Innenstadt-Cafés, das Ende Juni seinen Betrieb geschlossen hat. Am 26. August wird nun wiedereröffnet, vorerst als sechsmonatiges Versuchslabor für alles Mögliche. Die Räume am Michaelerplatz werden nämlich gemixt bespielt – als Restaurant, Galerie, Kulturstätte und Design Shop. Pina Colada gibt es nicht, Wasserbüffel schon.
Das frühere Griensteidl war eigentlich kein alteingesessenes Kaffeehaus. Es wurde erst 1990 im Palais Herberstein eröffnet – gewissermaßen in memoriam des Fin de Siecle-Literatentreffs, der allerdings bereits um die Jahrhundertwende abgerissen worden war. Zuletzt gab es Unstimmigkeiten zwischen dem Hauseigentümer, dem Holzindustriellen Gerald Schweighofer, und dem Pächter Do&Co, weshalb das Café, in dem zuletzt hauptsächlich Touristen anzutreffen waren, seinen Betrieb einstellte.
Gulasch mit Fleisch vom Wasserbüffel
Wie es langfristig weitergeht, ist noch unklar. Auf Einladung hat nun die Konzeptagentur Friendship eine temporäre Bespielung ausgetüftelt, Schweighofer erhofft sich daraus Input für die künftige Positionierung des Standorts. "Wir wollen in den kommenden Monaten ausprobieren, was funktioniert und was nicht", erklärte Martin Fetz von Friendship bei einem APA-Besuch. Vom Cafe-Betrieb bleibt nicht viel übrig, insofern schaut das Café derzeit noch ziemlich nach Baustelle aus. Vom ursprünglichen Interieur werden die roten Plüschbänke und Sitznischen erhalten. Ansonsten wird hauptsächlich upgecycelt – also Vorhandenes zu Neuem zusammengebastelt. Aus den einzelnen Deckenlampen entstehen große Lichtskulpturen, aus den Tischen werden zwei lange Sitztafeln gezimmert.
Das "Rien", das von Dienstag bis Sonntag von 9 bis 1 Uhr offen haben wird, setzt auf zwei Standbeine: Gastro und Kultur. Frühstück mit Themenschwerpunkt – "Die Semmel wird eine große Rolle spielen" – wird es geben, eine Mittagskarte mit Kleinigkeiten und ab 18 Uhr eine größere Abendkarte. Man werde die "K. u. K.-Küche neu interpretieren", kündigte Hubert Peter, einer der beiden Geschäftsführer an. Soll heißen: Die Zutaten, auch die Weine, kommen aus ehemaligen Kronländern wie Ungarn, Tschechien, Rumänien oder Italien. Kulinarische Klassiker wie Würstel oder Gulasch werden unter neuen Rezepturen angeboten – letzteres beispielsweise mit Fleisch vom Wasserbüffel. Innereien sollen ebenfalls auf der Karte stehen.
Aus der Sachertorte wird die Rienna Schnitte
Als Küchenchefs fungieren Simon Kotvojs und Lucas Steindorfer, die bei Szene-Koch Christian Petz gelernt haben und u.a. im Mochi, Tian oder Coburg tätig waren. Um die Bäckerei kümmert sich Viola Bachmayr-Heyda, die bisher die Patisserie für Joseph Brot besorgt hat. Auch hier lautet das Motto: Tradition ja, aber ein bisschen weitergedreht. Aus der Sachertorte wird also die "Rienna Schnitte" – ein Wortspiel aus "Rien" und "Vienna". "Wir bieten nicht dasselbe wie überall, aber es ist auch nicht zu abgefahren – also Maracuja wird da nicht draufgeklatscht", beruhigt Fetz die Puristen. An der kurzen Seite an der Herrengasse wird eine Stehbar eingerichtet, selbst angesetzte Limos und Liköre inklusive. Cocktails werden ebenfalls serviert, aber "wir werden nicht unbedingt aus einer Ananas eine Pina Colada machen", erklärt Peter – K.u.K. also auch hier.
Preislich will man es nicht übertreiben. "Ich denke, das kann sich jeder Durchschnittsverdiener leisten. Wenn man links und rechts von uns schaut, bleiben wir deutlich drunter", wird versprochen. Laut Fetz soll keine Hauptspeise über 20 Euro kosten.
Der Name? "Die Idee war, wir fangen mit Nichts an"
In Sachen Kultur probiert man es mit Vielfalt. Konzerte sind etwa geplant, "aber keine Drums und E-Gitarren". Vielmehr denken die Betreiber an zeitgenössischen Jazz oder Singer-Songwriter-Auftritte. Ein Flügel soll in den kommenden Tagen noch angeliefert werden. "Was könnte die Kaffeehausmusik des 21. Jahrhunderts sein?", fasst Co-Geschäftsführer Philipp Haufler den Ansatz zusammen. Diskussionsveranstaltungen sind geplant, ebenso eine "Open Stage" für Poetry-Slam oder Lesungen. Die insgesamt zehn großen Fenster sollen als Kunstauslage dienen. Hier sollen im Monatstakt künstlerische Arbeiten ausgestellt werden, die auch gekauft werden können. Für den Anfang haben die Chefs zehn Fotografen eingeladen, auf je einem Bild ihren speziellen Blick auf den 1. Bezirk festzuhalten.
Für die Deckengestaltung hat der für das Innendesign zuständige Partner, Christopher Rhomberg, den Grafiker Sascha Vernik alias REVKIN engagiert. Dieser hat u.a. einen rund 13 Meter langen Bartwal in Schwarz-Weiß an die Decke gepinselt – "trotz Höhenangst", wie Friendship-Mann Fetz berichtet: "Wir wollten ein lebensgroßes Tier, aber viele, die uns eingefallen sind, waren zu klein."
Interessant könnte auch die völlige Neukonzeptionierung des Karl-Kraus-Saals sein. In diesem kleineren, räumlich vom Hauptlokal getrennten und zuletzt für Veranstaltungen genutzten Trakt zieht ein Concept-Store mit zeitgenössischem Design aus Wien – auch als Gegenpol zu den üblichen Souvenirgeschäften – ein. Hier arbeitet man mit der städtischen Wirtschaftsagentur zusammen.
Und warum der Name "Rien"? "Die Idee war, wir fangen mit Nichts an", sagt Haufler. Andererseits sind die vier Buchstaben Bestandteil von "Griensteidl". Geld bekommt Friendship für den Feldversuch nicht. Im Gegenteil: Der Hauseigentümer nimmt eine umsatzabhängige Miete. Das Experiment läuft vorerst bis Ende Jänner. "Wenn wir dann aufhören, gibt es hoffentlich ein 'de rien' ("gern geschehen", Anm.)."
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