Drei Frauen und drei Sterne: Starkoch Bocuse wird 90
Der Altmeister der französischen Küche ist müde. Paul Bocuse äußert sich nicht mehr öffentlich, kommt auch nicht mehr jeden Tag an die Tische seiner Gäste in sein legendäres Drei-Sterne-Restaurant. "Er ist nicht sehr in Form", ist aus seinem Umfeld zu hören. Seine Marke aber ist topfit, er gilt nach wie vor als Aushängeschild der Kochkunst a la francaise.
Am 11. Februar wird der Gourmet-Verführer und erfolgreiche Selbstvermarkter 90 Jahre alt. "Paul Bocuse ist in den letzten 50 Jahren sicherlich in der Welt das Aushängeschild für Küchenkultur, für Hochküche und für Kulturprägung in der Küche", sagt der deutsche Sterne-Koch Frank Rosin. Bocuse gilt als "Papst der französischen Küche", der Restaurantführer Gault&Millau wählte ihn zum "Koch des Jahrhunderts", sein Stammrestaurant in seinem Heimatort Collonges-au-Mont-d'Or bei Lyon hat seit 1965 durchgängig drei Michelin-Sterne – Rekord.
Die Marke "Monsieur Paul"
Doch die Bocuse-Revolution lag noch woanders. "Bocuse hat den Mut gehabt, aus seiner Küche zu kommen", erzählte Jean-François Mesplede, früherer Chef des Michelin-Restaurantführers, dem Magazin "L'Express". "Er hat sich eine weiße Jacke mit seinem gestickten Namen machen lassen, mit einer hohen Kochmütze und einem Trikolore-Kragen, um seinen Titel des "Besten Handwerkers Frankreichs" vorzuführen." Zum großen Restaurant gehört für Bocuse das Zelebrieren von Essen und Trinken, die perfekte Show.
Derbe Sprüche, Charme und drei Frauen
Bocuse ist für durchaus mal derbe Sprüche bekannt und wird zugleich als großer Charmeur beschrieben. Zu seinem 80. Geburtstag machte er öffentlich, dass er seit Jahrzehnten mit drei Frauen zusammenlebte. Wenn er die Zeit zusammenzähle, in denen er den Dreien treu gewesen sei, komme er auf 135 Jahre gemeinsamen Lebens, erzählte er damals schelmisch. Die Zeitung "Liberation" nannte ihn daraufhin "Monsieur Croque-Madames" (so heißen auch Schinken-Käse-Sandwichs in Frankreich).
"Er ist ein Möbel vom Flohmarkt"
"Gemessen am Design der heutigen Avantgarde, ist er ein Möbel vom Flohmarkt", schrieb der deutsche Gastronomiekritiker Wolfram Siebeck 2013 im "Zeit-Magazin". Trotzdem könne es sein, dass letztlich Bocuse im Museum der Kochkunst ende – und nicht die Avantgarde: "Er kann für sich in Anspruch nehmen, das kulinarische Frankreich authentischer zu repräsentieren als all seine Zeitgenossen: eben weil er sich seit Jahrzehnten nicht verändert hat." Frank Rosin meint: "Gerade in der heutigen Zeit, in der die Verbreitung und Pflege von Kulturen ein großes Thema und auch ein großes Problem sind, ist so jemand ganz wichtig."
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