Eine bahnbrechende Haltung
Einen Wecker braucht er nicht. Denn schon frühmorgens weckt Gerald Grimps das Gegacker seiner Hühner. 6000 Tiere leben auf dem Hof, untergebracht in zwei großen Ställen mit riesigen Ausläufen. In einem scharren braune Hühner, im anderen weiße. "Wir sind die Ersten in Österreich, die eine Herde der Rasse ,Lohmann Sandy‘ haben", erzählt Gerald Grimps stolz. "Deswegen kommen Experten und Besucher aus dem In- und Ausland zu uns auf den Hof, um zu schauen, wie es mit diesen Hühnern so läuft."
Umstieg mit Folgen
Zur Vorgeschichte: Gerald Grimps übernahm den Hof in Oberösterreich von seinen Eltern – und mit ihm eine Milchwirtschaft. Seine erste Amtshandlung war, auf Mutterkuhhaltung umzustellen. "Aber der Hof warf nur geringe Erträge ab", erzählt der Bio-Bauer. "Ich hatte nur zwei Optionen: entweder ich überlege mir eine Alternative zu den Rindern oder ich muss aufgeben." Gemeinsam mit seiner Frau beschloss er, den Hof weiterhin zu bewirtschaften. "Wir haben uns viele verschiedene Höfe angesehen – und so sind wir letztlich auf Legehennen gekommen", sagt der Oberösterreicher. "Und dass es ein Bio-Betrieb sein muss, war für uns von Anfang an klar, denn wir wollten die Eier mit ruhigem Gewissen unseren Kindern servieren können."
Einstieg mit Weitblick
Im Juni 2014 begann Gerald Grimps mit den Umbauarbeiten, im September zogen die Hühner, wie schon erwähnt eine Herde mit braunen Legehennen und eine Herde ,Lohmann Sandy‘, bei ihm ein. Die weißen Hühner sind Teil eines besonderen Projekts. "Es ist ja üblich, dass die männlichen Küken gleich nach dem Schlüpfen mit CO2 getötet werden", erklärt der Bio-Bauer. "In Österreich gibt es jetzt aber einen anderen Ansatz: Es wird auf sogenannte Zweinutzungshühner gesetzt." Die etwas zarteren, weißen Hühner zählen dazu. Nach dem Schlupf werden zwar nach wie vor die männlichen von den weiblichen Hühnern getrennt, aber die jungen Hähne kommen in einen Mastbetrieb.
Gerald Grimps ist mit der in Österreich neuen Rasse ,Lohmann Sandy‘ zufrieden. "Man merkt, dass die nicht so überzüchtet sind wie die braunen Hennen", erzählt er. "Sie sind agiler und schneller, außerdem viel vorsichtiger. Ich finde, die ,Sandys‘ sind die Sportler unter den Hühnern – sie sitzen schon auch einmal in vier Meter Höhe auf der Regenrinne, nicht nur auf niedrigen Stangen." Die Agilität allein würde dem Bio-Bauern aber nichts nützen. Natürlich müssen die weißen Hühner auch ihre Legeleistung bringen. Da die Rasse bisher in Österreich nicht eingesetzt wurde, wurden gerade da erste Ergebnisse mit Hochspannung erwartet. Gerald Grimps ist zufrieden. "Im Sommer, als es so extrem heiß war, haben die braunen Legehennen eher schlapp gemacht als die ,Sandys‘", erzählt er. "Außerdem verlegen die weißen Hühner ihre Eier viel seltener."
Anstieg in Aussicht
Für Gerald Grimps scheint sich der Umstieg von Mutterkuhhaltung auf Bio-Legehühner trotz nötiger Investitionen zu lohnen. Nur das Freihandelsabkommen TTiP bereitet ihm Sorgen. Er befürchtet, dass die Konsumenten dann lieber zu Produkten greifen könnten, die über den Atlantik kämen. Damit wäre die Existenz vieler Bauern gefährdet. Umso wichtiger ist es, dass die Konsumenten dann vermehrt auf Qualität setzen. "In Österreich ist Bio wirklich sicher, die Kontrollen sind streng, es gibt keine Teilbetriebe wie etwa in Deutschland", sagt er. "Selbst wenn die Bio-Eier in Österreich irgendwann einmal nicht mehr rund sind, sind sie tausend Mal besser als alle anderen."
„600.000 Küken dürfen weiterleben“
Was hat es mit dem Projekt „Haushuhn und Gockel“ auf sich?
Kornel Cimer: Der große Knackpunkt bei der Hühnerhaltung sind die männlichen Tiere. Etwa die Hälfte der Population ist für das System uneffizient. Gleich nach dem Schlupf werden daher männliche Hühner getötet. Wir haben mit Ja! Natürlich und der Brüterei Schlierbach zwei Jahre lang verschiedene Haltungssysteme und Hühnerrassen getestet, um eine Alternative aufzeigen zu können.
Jetzt ist ein Durchbruch gelungen?
Die Medien sind auf das Thema eingestiegen. Bio Austria, zwei Brütereien und die großen Bio-Handelsmarken haben an einem Strang gezogen. Für die Bio-Landwirtschaft gibt es nun eine Branchenlösung. Es werden Elterntierherden aufgebaut. Zwar spielte das Fleisch bei der dabei verwendeten Rasse bisher eine untergeordnete Rolle, aber die männlichen Küken werden nicht mehr nach dem Schlupf getötet. Sie kommen in die Mast – und im Lebensmittelkodex ist verankert, dass sie einen Stall mit Stroheinstreu, einen Außenklimabereich und einen Grünauslauf haben müssen. Das übertrifft sogar Bio-Standard. Jetzt muss sich der Handel überlegen, wie er diese Masthähne kreativ vermarktet. Und natürlich muss der Konsument mitspielen, denn wenn er dieses Hühnerfleisch nicht kauft, war alles umsonst. Jedenfalls überleben durch diese Lösung etwa 600.000 Küken im Jahr.
Kommentare