Liebe geht durch vier Mägen
Claude Monet hätte seine helle Freude an diesem Anblick gehabt. Die sattgrüne Wiese ist von zahllosen Blüten gekrönt, im Hintergrund spiegelt sich die Sonne auf dem See. Und auf dem Gras liegen, wie hingegossen, Kühe. Es ist ein Bild des Friedens.
Herrin über diese Idylle ist Isabella Übertsberger. Die junge Frau hat vor Kurzem den Hof ihres Vaters übernommen, was für sie immer außer Frage stand. "Wir waren drei Mädels zu Hause", erzählt die Salzburgerin. "Während meine Schwestern immer bei der Mutter geblieben sind, bin ich mit meinem Papa zu den Kühen gegangen und habe bei der Heuernte mitgeholfen." Ihr Berufsweg stand also früh fest. Also besuchte Isabella die Landwirtschaftsschule in Übelbach und stieg danach im elterlichen Betrieb ein. Und jetzt führt sie ihn.
Lange Tradition
Oft ändert die nachfolgende Generation das bestehende Hofkonzept. Isabella Übertsberger musste das nicht. "Seit ich mich erinnern kann, hat mein Vater den Hof biologisch geführt", erzählt sie. "Und er hat seine Kühe immer mit Heu gefüttert – ich kenne das also nicht anders." Heute ist der Hof im Flachgau ein zertifizierter Bio-Heumilch-Betrieb. Hier wird sozusagen der Rolls-Royce der Milch produziert. "Wir sind ein reiner Grünlandbetrieb", erklärt die Junior-Chefin. "Wir nutzen die Wiesen als Weiden und zur Heuherstellung – unsere 70 Kühe bekommen nur Gras und Heu zu fressen."
Was einst die übliche Form der Rinderhaltung war, ist in der modernen Landwirtschaft zur Ausnahme geworden. Früher wurde die Haltung an die Jahreszeiten angepasst. Den Sommer verbrachten die Kühe auf Almen und Weiden, sie fraßen saftiges Gras und würzige Kräuter. In der kalten Jahreszeit wurden sie von den Bauern in die Ställe gebracht und mit sonnengetrocknetem Heu gefüttert. Heutzutage sehen in konventionellen Betrieben Kühe oft ihr ganzes Leben lang keine Weide. Gefüttert werden sie mit Silage. Die Heumilchbauern besinnen sich wieder auf die alte Tradition – aus tiefster Überzeugung. "Heu ist die ursprünglichste Nahrung für die Kuh – und ich merke, dass es meinen Tieren wirklich schmeckt", sagt Isabella Übertsberger. "Außerdem sieht man, dass es den Kühe taugt, dass sie regelmäßig auf Wiesen kommen. Und wenn es ihnen taugt, taugt es dem Bauern auch."
Mit Herz und Verstand
Von Mitte März bis November steht den Kühen die Stalltüre offen. Sie können sich selber aussuchen, ob sie auf die Weide gehen oder ein wenig vom stets bereitstehenden Heu knabbern. Bei einem Heumilchbetrieb ist Weidenmanagement das A und O. "Wir sind ja zusätzlich ein biologisch geführter Hof, ich darf also etwa keinen Stickstoff auf den Wiesen aufbringen", betont Isabella Übertsberger. "Deshalb gehe ich jeden Tag auf die Weiden und muss auf einen Blick erkennen, was sie braucht." Gedüngt wird ausschließlich mit dem Mist der eigenen Kühe – eine Kreislaufwirtschaft in Reinkultur. "Und wenn Beikräuter auf der Wiese ausbrechen, müssen wir sofort handeln und uns viel einfallen lassen, damit sie sich nicht ausbreiten."
Auf dem Hof der Übertsberger sind die Wiesen nach Nutzungsart aufgeteilt. Sogenannte Magerwiesen sind den tragenden Kühen vorbehalten, auf den feuchten Wiesen stehen die anderen Tiere. Dazu gibt es noch Grünflächen, die für die Heugewinnung vorgesehen sind. Das Gras wird geschnitten, durch die Sonne getrocknet und lose in die Scheune eingebracht. So entsteht hochqualitatives und duftendes Bio-Futter.
Wichtige Nischen
Es bedeutet viel Arbeit, einen Bio-Heumilchbetrieb zu leiten. Letztlich aber rentiert es sich, da nicht nur die Qualität der Produkte stimmt, sondern auch die Bio-Heumilch besser dotiert ist. "Wir haben in Österreich klein strukturierte Betriebe, die gegen die Konkurrenz aus anderen Ländern nur Chancen haben, wenn sie sich auf Nischenprodukten spezialisieren", so Isabella Übertsberger. "Während normale Milchbauern ums Überleben kämpfen, seit die Quote gefallen ist, betrifft uns das nicht. Denn bei der Bio-Heumilch ist die Nachfrage so hoch, dass wir mehr produzieren müssten, um sie zu decken." Dennoch ruht sich die Bio-Bäuerin nicht auf bisher Erreichtem aus. So oft es geht, besucht sie landwirtschaftliche Kurse und bildet sich fort. "Bauer sein heißt nicht, dass man die Kühe ein bisschen streichelt und melkt", sagt Isabella Übertsberger und lacht. "Bauern sind echte Unternehmer – nur halt mit Tieren als Mitarbeiter."
„Wir müssen der Kuh gerecht werden“
Der Schweizer Martin Ott ist Bio-Bauer und Sozialtherapeut. Er beschäftigt sich seit Jahren mit der richtigen Haltung von Kühen.
Für Kühe ist Raufutter die beste Nahrungsquelle. Getreide wird ineffizient verdaut. Dazu kommt, dass so den Menschen Ackerfläche weggenommen wird – die Kuh frisst also den armen Menschen das Brot weg. Durch die Getreidefütterung pupst sie außerdem unser Klima tot. Frisst sie hingegen nur Gras, so wie die Natur es vorgesehen hat, dann verbessert sie durch ihren Kot jeden Boden. Und gesunder Boden hat wiederum die Fähigkeit, zu binden. Damit nicht genug, treibt der Mensch die Kuh zu immer mehr Leistung an. Gab eine gute Kuh 1815 noch 1800 Liter Milch im Jahr, so sind es heute 7000 Liter. Und was bringt es? Ein Liter Milch kostet heute weniger als ein Liter Limonade. Die Kuh ist ein hochkomplexes und sensibles Lebewesen. Dennoch kompensiert sie alles, was wir ihr antun. Es ist also höchste Zeit, dass wir ihr wieder gerecht werden.“
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