Wichtiges Wachstum

Symbolbild
Einst wurden die Bio-Bauern belächelt. Heute gelten sie vielerorts als Vorreiter in der Landwirtschaft. Stagnation darf es aber keine geben.

Sag mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist. So könnte das Sprichwort abgewandelt werden. Ernährung ist eines der wichtigsten Themen der heutigen Zeit. Was Bio dazu beigetragen hat, erzählt Andreas Steinwidder, Leiter des Bio-Instituts an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein.

Ist Bio eine nachhaltige Produktion oder eine Lebenseinstellung?Andreas Steinwidder: Für viele ist es beides. Einerseits ist die Bio-Landwirtschaft die umweltschonendste und die am besten kontrollierte Form der Lebensmittelerzeugung. Andererseits braucht eine Qualitätsproduktion auch die entsprechende Identifizierung mit der Produktionsweise und dem Produkt. Für viele Bauern, Verarbeiter und Vermarkter ist Bio daher auch eine Lebenseinstellung. Wir sind dankbar, dass immer mehr Konsumenten den Wert nachhaltiger Produkte schätzen und auf Bio setzen – auch für viele Bio-Kunden wird Bio zu einer Lebenseinstellung.

Wie konnte sich Bio von einem belächelten Minderheitendasein zur Speerspitze der modernen Landwirtschaft entwickeln?

Zu Beginn der Bio-Bewegung waren es vor allem innovative Bauern, die eine Alternative zur Intensivierung der Landwirtschaft suchten und entwickelten. Österreich war eines jener Länder, das sehr früh strenge gesetzliche Bestimmungen für die Breite der Bio-Produktion hatte. Mit dem EU-Beitritt Österreichs entschieden sich sehr viele Landwirte zur Bio-Umstellung – nicht zuletzt, weil dieser Weg über Förderungen unterstützt wurde. Die Vermarktung der Bio-Produkte, aber auch die Werbung für Bio über Handelsketten nahm kontinuierlich zu und trug auch wesentlich zur Steigerung der Nachfrage bei. Parallel entwickelten sich Bio-Forschungs- und Beratungsstellen. Gemeinsam mit den Bauern wurden schwierige Aufgaben gelöst und das Wissen in der Produktion, aber auch in der Verarbeitung und Vermarktung stieg.

Was braucht es jetzt?

Global betrachtet braucht es eine umfassende Bio-Forschungs-, Bildungs- und Beratungsstrategie. In der Produktionstechnik müssen teilweise Anbaumaßnahmen verbessert werden, um Pflanzenerkrankungen oder den Befall mit unerwünschten Insekten zu reduzieren. Hier spielt auch eine standortangepasste Bio-Saatgutforschung eine große Rolle. In der Verarbeitung müssen wir Produktinnovationen schaffen, die die Besonderheiten des Bio-Rohstoffs hervorstreichen und veredeln. In der Kommunikation zum Konsumenten muss es uns gelingen, dass Bio-Landwirtschaft realistisch als ein Ort der professionellen und nachhaltigen Lebensmittelerzeugung gesehen wird – und nicht als ein idealisiertes Heimatmärchen beworben wird. Wir brauchen faire Preise für die Landwirte, um unsere kleinen Betriebsstrukturen zu halten und Mut zum Weitermachen zu geben.

Wo stünden wir, wenn es nur Bio-Betriebe gäbe?

Hätten wir jetzt schon eine Landwirtschaft, die zu 100 % Bio wäre, gäbe es keine Diskussionen über Hormonfleisch oder intensive Mastbetriebe mit umweltbelastenden Güllelagunen, wie wir sie etwa in den USA sehen. Unsere Bauern müssten nicht gegen Billigprodukte konkurrieren – einen Kampf, den sie heute nicht gewinnen können, da die externen Kosten für Umweltbelastungen den Produkten ja nicht angelastet werden. Demgegenüber würden Regionalität, Saisonalität und Vielfalt in der Lebensmittelbranche sowie Familienbetriebe in der Landwirtschaft eine wesentlich größere Rolle spielen. In den sich entwickelnden Ländern hätten wir auf Bildung gesetzt, die eine standortangepasste Landwirtschaft mit geringem Bedarf an externen Ressourcen vermittelt. Damit wäre es uns gelungen, die Bodenqualität und -stabilität zu verbessern, Ertragsschwankungen zu minimieren und vor allem die ländliche Bevölkerung in den Regionen zu halten.

Die Konsumenten würden den Wert von Lebensmitteln kennen, es würde weniger im Müll landen und der Speiseplan würde vielfältiger und wohl auch gesünder sein. Die Wertschöpfung in der Lebensmittelerzeugung würde stärker auf den Höfen bleiben und die vorgelagerte Industrie wäre unbedeutender. Die Bauern würden mehr Wertschätzung für ihre Produkte erfahren und in der Landwirtschaft weiterarbeiten wollen. Ich bin überzeugt davon, dass diese Form der Landwirtschaft heute und auch zukünftig die Welt mit zehn Milliarden ernähren könnte.

Österreich ist Spitzenreiter in Europa, denn jeder fünfte Hektar Agrarfläche wird biologisch bewirtschaftet. Da die Nachfrage an Bio-Lebensmitteln aber stärker wächst als die Produktion, sind nachhaltige Strategien nötig. Vor zehn Jahren wurde das Bio-Institut an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein mit dem Ziel gegründet, Forschungsfragen zur biologischen Grünland- und Viehwirtschaft, zur Tiergesundheit sowie zu Biodiversität zu bearbeiten. Ein Beispiel ist das Projekt „Grüne Milch“. Dabei geht es darum, das Weideverhalten der Kühe wissenschaftlich zu untersuchen, um den Bio-Bauern noch mehr Know-how für eine zielgerechte Fütterung zu geben und so zur Erhaltung der Tiergesundheit und höchster Produktqualität beizutragen. www.raumberg-gumpenstein.at

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