Kein Weg führt derzeit an der Craft-Bier-Welle vorbei. Wer auf sich hält, greift zu innovativen Bieren aus kleinen Brauereien, die sich sowohl geschmacklich als auch handwerklich von den Produkten der großen Hersteller unterscheiden. Und vielleicht auch noch klingende Namen tragen. Österreich ist da keine Ausnahme. Hochspezialisierte Bierläden eröffnen und Supermärkte führen immer mehr Craft Biere im Sortiment. Im Vorjahr besuchten mehr als 12.000 Bierliebhaber die „Craft Bier Fest Wien“ und „Craft Bier Fest Linz“ . "Mit dem Trend zu kreativen, handwerklich hergestellten Bieren ist einiges am Biermarkt in Bewegung geraten", sagt Mitorganisator Micky Klemsch von "Biorama".
"Aromatische Komplexität"
Der Buchautor und Koch Stevan Paul spricht überhaupt von einer "geschmacksintensiven Braukultur, die in den letzten Jahren die Bierwelt revolutioniert hat". Dazu zählt etwa das "India Pale Ale – kurz (und englisch ausgeprochen) IPA. Es beschreibe das Craft Beer-Phänomen perfekt: Enorm vielfältig sei es, voll von "aromatischer Komplexität", gepaart mit einer "ungewohnt intensiven Bitterkeit".
Eigentlich überraschend, dass erst jetzt derart intensiv mit Geschmäckern und Braustilen getüftelt wird. In den USA wurde das Heimbrauen in den 1970er-Jahren wieder erlaubt, eine Frischzellenkur für die zu diesem Zeitpunkt eher darniederliegende US-Bierkultur. Der Name "Craft Beer" stammt aus dieser Zeit: handwerklich gebrautes Bier sollte einen Gegenpart zu den faden Einheitsbieren darstellen. Inzwischen macht Craft Bier 22 Prozent des Gesamt-Bierumsatzes in den USA aus.
Mit dem Bierbrauen beschäftigen sich die Menschen schon seit Jahrtausenden. Die ältesten Überlieferungen stammen aus der Zeit der Sumerer vor rund 6000 Jahren. Anthropologen setzen die Entdeckung des alkoholischen Trunks sogar noch früher an. Am Anfang dürfte jedenfalls der Zufall gestanden sein – und ein am Lagerfeuer übrig gelassener Topf mit Getreidebrei, der sich nach einigen Tagen zu etwas geschmacklich ganz anderem verändert hatte. Schon damals hatte sich das Wesen jedes Brauvorgangs gezeigt: die Umwandlung von Zucker in Kohlendioxid und Alkohol durch Hefe.
Doch das ist nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. "Nicht nur ein Mal hab’ ich in meiner Küche eine richtige Sauerei gehabt, weil wieder mal alles übergegangen ist", sagt Kurt Tojner über seine Anfänge als Hobbybrauer. Der Visa-Österreich-Chef begann vor mehr als 20 Jahren mit einem großen Topf am heimischen Herd. Ihn faszinierte, "dass es kein planbarer Prozess wie die Finanzwirtschaft ist. Es hat viel mit Interaktion zu tun." Damals sei Bierbrauen "eine totale Nische" gewesen, die Zutaten waren nicht leicht erhältlich. Er erinnert sich, Hopfenpellets in Gurkengläsern wie einen Schatz gehütet zu haben.
Jahrelanger Tüftler
Diese Zeiten sind längst vorbei. Spezialgeschäfte erleichtern es einer wachsenden Zahl an Hobbybrauern, sich zunehmend an der Kunst der Bierherstellung versuchen. Tojner hat mittlerweile in seinem Haus eine kleine Brauerei mit Kühlschränken und Brauanlage eingerichtet. Auch wenn sie nur 20 Liter fasst: "Ich kann da alle Prozesse viel genauer einstellen."
Denn es kommt auf viele Details an. Das jahrelange Tüfteln hatte Erfolg: Im Vorjahr errang er bei der Hobbybrauer-Meisterschaft Austrian Beer Challenge mit seinem "Süßes Wiener Blut" den Vize-Staatsmeistertitel in der Kategorie "Lager Bier".
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