
Preisexplosion und Partyglanz: Ibiza zwischen Luxus und Wohnungsnot
Ibiza feiert größer und spektakulärer denn je – doch steigende Preise, Wohnungsnot und ein skurriler ‚Final Boss‘ zeigen die Kehrseite der Partyinsel.
Ibiza hat in diesem Sommer seinen Endgegner gefunden.
Und an ihm gab es in den vergangenen Wochen kein Vorbeikommen: Ein Video, das einen muskulösen Mann mit gebleichten Zähnen, schwerer Goldkette, protziger Sonnenbrille – und vor allem mit einem akkuraten Topfhaarschnitt beim Tanzen auf der Baleareninsel zeigt, ging viral. Das Netz taufte ihn „Ibiza Final Boss“, der Ibiza-Endgegner.
Sein bürgerlicher Name lautet Jack Kay, er stammt aus Newcastle. Eine Agentur hat ihn sofort unter Vertrag genommen. Er tingelt nun durch die Discos, schmeißt Partys in millionenteuren Villen und leiht austauschbaren Tracks seine Stimme.
Der Ibiza Final Boss wirkt wie eine Karikatur
Wenn man so will, ist dieser „Final Boss“ die Allegorie eines Ortes, der sich selbst überholt: Ibiza als Karikatur – laut, protzig, mit fragwürdigem Stil, weit entfernt von irgendeiner Art von Clubkultur. Und weit weg vom Ruf des Lässigen und Coolen, der das Eiland als Partyinsel lange Zeit prägte.
Dabei ist es nicht so, dass die Insel endgültig „durch“ wäre – eher im Gegenteil. Ibiza ist im Sommer voll. Und das nicht nur mit Spaniern vom Festland oder Briten, die mit den Easyjet-Fliegern angekarrt werden. Es scheint, als kämen von Jahr zu Jahr mehr internationale Stars aus den USA, die mit immer größeren Motorjachten vor der Küste kreuzen.
Jeff Bezos und Katy Perry tanzen neben dem DJ
Hinter den DJ-Pulten der Superclubs erscheinen dann plötzlich Katy Perry oder Amazon-Boss Jeff Bezos samt frisch angetrauter Lauren Sánchez-Bezos während ihrer ausgedehnten Flitterwochen. Auch gerne hier: der gefallene Freefighter Conor McGregor. Vor kurzem tauchte ein Video auf, das zeigte, wie der Ire einem Mann im Pacha ins Gesicht schlug.
„Ich war noch nie in so etwas Großem, das sich so kalt und ohne Atmosphäre angefühlt hat. Es war, als wäre ich in einem Kino.“
Ob das noch dem viel beschworenen, unbeschwerten „Ibiza-Vibe“ entspricht? Zweifel sind erlaubt. Exzessive Afterhours, die einst bis weit in den Nachmittag hineinreichten, gehören schon länger der Vergangenheit an. Stattdessen gibt sich die Insel offiziell zahmer: Behörden gehen mit Nachdruck gegen illegale Partys in Privatvillen vor, das Nachtleben sollte in geordneten Bahnen bleiben.
Dort, wo das Feiern erlaubt ist, heißt es aber: immer größer, immer spektakulärer. Laser, Feuerfontänen, Rauchmaschinen – und dazu die ganz großen Namen. Der britische Techno-DJ Carl Cox hatte schon vor Jahren den Strandabschnitt Playa d’en Bossa mit seinen Bars und Riesen-Discos kritisiert: „Dort ist zu viel los, es hat sich bereits in Las Vegas verwandelt. Wir haben keinen Grund, dort zu sein“, sagte er einmal dem Medium Fiesta & Bullshit.
Die neue Super-Disco UNVRS
Komischerweise steht er nun im neuen Superclub UNVRS, der heuer seine Türen öffnete, hinter dem Mischpult. In den Räumen des ehemaligen „Privilege“ finden zehntausend Menschen Platz, dreidimensionale Videoprojektionen sollen für ein immersives Spektakel sorgen – und dafür, dass die Clips der Gäste viral gehen. Denn die Smartphones sind dort fast ebenso allgegenwärtig wie die Bässe.
Tanzen in der Disco? Muss offenbar nicht mehr sein. „Ich war noch nie in so etwas Großem, das sich so kalt und ohne Atmosphäre angefühlt hat. Es war, als wäre ich in einem Kino“, berichtet ein Partygast im Internetforum Ibiza Spotlight.
15 Euro für ein Glas Wasser
Ein Abend im Superclub – etwa mit David Guetta am Pult – kostet im Online-Vorverkauf 110 Euro. Ein Glas Wasser schlägt mit 15 Euro zu Buche. Und wer glaubt, das stille Örtchen sei eine kostenfreie Oase, irrt: In den großen Clubs wird gerne das kalte Wasser auf den Toiletten kurzerhand abgedreht, damit niemand gratis nachfüllt. Nicht die klügste Idee auf einer Insel, auf der Freizeitdrogen leicht verfügbar sind.
Erst kürzlich forderte die Gewerkschaft der Rettungskräfte die Clubbesitzer auf, private Sanitätsdienste zu verpflichten. Denn die offiziellen Einsatzkräfte fühlen sich längst überfordert – zu viele Alarmierungen wegen Kreislaufkollaps und Zusammenbrüchen.
Doch nicht nur die Rettungskräfte ächzen unter dem Ansturm der Touristen. Wassermangel im Sommer ist seit Jahren ein großes Problem. Und wie so oft an Spaniens Küsten fehlt es auch auf Ibiza an bezahlbarem Wohnraum. Einheimische und Saisonkräfte können sich die Mieten kaum noch leisten. Neubauten entstehen fast ausschließlich im Luxussegment.
1.500 Euro für ein Zimmer
Im Sommer 2024 gingen erstmals Hunderte Menschen auf die Straße, um gegen die Preisexplosion zu demonstrieren. Laut der Nachrichtenagentur Reuters kletterten die Durchschnittsmieten auf der Insel im Juli 2024 auf 33,7 Euro pro Quadratmeter – ein Anstieg um 23 Prozent binnen eines Jahres. Eine kleine Einzimmerwohnung kostet damit rund 1.500 Euro im Monat, während der nationale Mindestlohn in Spanien bei 1.381 Euro liegt.
Die Kehrseite des Partyglamours zeigt sich abseits der Strandpromenaden. Nach Angaben der lokalen Behörden lebten im vergangenen Jahr fast 800 Menschen in provisorischen Siedlungen.
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