Teppiche sind wieder in: Auch die alten Muster feiern ein Comeback
Hinter den Kulissen in der Werkstätte von Wiens berühmtestem Teppichhändler Rahimi: Wie Muster entstehen und warum neu interpretierte Klassiker wieder angesagt sind.
Ein Loch im Perserteppich ist kein Weltuntergang. Und auch die größte Perfektion darf einmal ausfransen. Hossein Ghafourian hockt in den prunkvollen Räumen der Teppichhandlung Rahimi & Rahimi im Palais Szechenyi in der Wiener Spiegelgasse auf dem Boden.
Vor ihm lehnt ein Holzrahmen, in den ein etwas devastierter Perserteppich eingespannt ist. Faden für Faden spannt er mit einer Häkelnadel in ein Raster und flickt das kleine Malheur, als würde er dem Teppich die Seele zurückgeben. Mit einem Kamm zurrt er die Fäden fest, millimetergenau, sodass am Ende wieder dasselbe Muster wie zuvor erscheint.
Ein Teppichmeister mit langer Erfahrung
Einen Plan, ein Muster vom Teppich braucht Hossein nicht. Erfahrung reicht– und die hat er genug.
Teppichmeister Hossein Ghafourian repariert einen alten Perserteppich in den Räumen von Rahimi & Rahimi in Wien.
©kurier/Wolfgang WolakMit 15 begann er bei seinem Vater, einem Teppichmeister aus Persien, zu arbeiten. Und er wurde selbst Teppichmeister. „Ein Muster an der Ecke ist oft wie das andere. Wenn hier ein Loch ist, macht man es genauso wie dort“, sagt er gelassen. Im Jahr 1982 wurde er nach Wien geholt, um beim Teppichhändler Rahimi anzufangen.
Neben ihm, ein anderer Teppich. Die bunten Fransen stehen an einer reparierten Stelle in alle Richtungen, vom Muster keine Spur. Hossein Ghafourian lässt sich nicht irritieren. Er greift zur Schere, trimmt Faden um Faden – und plötzlich taucht das Muster wieder auf. Kein Hokuspokus, sondern gelerntes Handwerk.
So entstehen Teppiche vom Iran bis Nepal
Was hier im Kleinen passiert, geschieht im Iran, in Nepal, in Indien und in Afghanistan im Großen. „Ein großer Teppichentwurf wird in Raster geteilt“, erklärt Ali Rahimi. „Der Knüpfmeister ist wie ein Polier am Bau: Er sorgt dafür, dass am Ende alles zusammenpasst.“
Das Muster eines neuen oder reparierten Teppichs kommt erst nach dem Scheren zum Vorschein.
©kurier/Wolfgang WolakRahimi ist Hossein Ghafourians Chef. Er leitet den Teppichhandel Rahimi & Rahimi und ist ein umtriebiger wie landesweit bekannter Netzwerker. Das Unternehmen führt im Stammhaus mehr als 5.000 Orientteppiche. Gute, versteht sich. Einige von ihnen liegen übereinandergestapelt im, wie Rahimi sagt, schönsten Teppichhaus Europas – verteilt auf drei Etagen.
Das ist laut Ali Rahimi ein guter Teppich
„Einen guten Teppich kann man reparieren oder waschen“, sagt Ali Rahimi. Ein halbwegs guter Teppich fängt bei 150.000 Knoten pro Quadratmeter an. „Über 200.000 wird es schon fein, aber es gibt Teppiche mit bis zu zwei Millionen Knoten pro Quadratmeter.“ Doch das hat sich mittlerweile überholt: „Beim modernen Teppich geht es nicht mehr um die Feinheit, sondern mehr ums Design und um die Materialien.“
Ali Rahimi ist ein weitum bekannter Netzwerker. In seinem Stammhaus führt er zudem mehr als 5.000 Teppiche
©kurier/Wolfgang WolakDie 60er- und 70er-Jahre mit ihren klassischen Mustern waren die Blütezeit der Teppiche. „Wenn man damals etwas geschafft hatte, besaß man einen Kristalllüster, einen Nerz und einen Teppich – und vielleicht einen Mercedes“, erzählt Rahimi. Aber irgendwann hatte man sich sattgesehen. „Rote Teppiche, blaue Teppiche – das war einfach zu viel.“ Also wurde wieder schlicht eingerichtet: klare Formen, ruhige Farben, viel Stahl, viel Glas – und erstmal kein Teppich.
Doch offenbar braucht es Gemütlichkeit wieder. „Der Urgedanke des Teppichs kommt von den Nomaden. Man wollte etwas Bequemes, Schönes im Zelt haben“, sagt Rahimi, während er einen Tee serviert. „Ein Teppich im Haus verändert das Gefühl. Im Sommer sorgt er für Kühle, im Winter für Wärme.“ Dann zitiert er ein orientalisches Sprichwort: „Gib mir einen Stuhl, gib mir einen Teppich und ich kann wohnen.“
Vintage, aber doch neu
Heute ist die Vielfalt zurück. Die einen schwören auf Klassiker, andere auf neoklassische Teppiche – das alte Muster, nur in neuen Farben. Und das letzte Drittel? Abstrakt, ohne klassische Ornamente. Oder man spielt damit. Designer wie Jan Kath haben den „Used-Look“ salonfähig gemacht: Spezielle Brandtechniken sorgen dafür, dass die Seide langsamer verbrennt als die Wolle, Muster werden gebrochen, Teppiche altern gewollt.
Manche Exemplare sehen aus, als hätten sie Jahrzehnte auf dem Buckel, die meisten Fransen verschwunden. Aber nein – nagelneu, gerade gewebt. „Wenn Sie drüberstreichen, spüren Sie oben die Seide – die Wolle wurde absichtlich weggebrannt“, erklärt Rahimi. Vintage-Effekt garantiert.
Neben Wolle und Seide kommen heute auch neue Materialien ins Spiel: Brennnesseln, Hanf, alles, was sich in ein Teppichkunstwerk einfügen lässt.
Das kostet ein ordentlicher Teppich bei Rahimi
Und was kostet so ein Meisterwerk? „Wir wollen Qualität“, sagt Ali Rahimi. „Günstige haben wir auch, aber keine schlechten.“ Ein Sechs-Quadratmeter-Teppich (2×3 Meter) startet bei etwa 4.000 Euro. Nach oben? „Das geht hinauf bis 50.000 Euro.“
Einblick in die Räumlichkeiten des Palais Szechenyi in Wien. Dort liegen und hängen auch abstrakte Teppiche und Stücke in Vintage-Optik.
©kurier/Wolfgang WolakWer mag, kann sich den Teppich nach eigenem Geschmack anfertigen lassen: oval, rund, rosa mit Tupfen – alles möglich. Anders als noch vor dreißig Jahren. Muster, Material, Farben – alles wird ausgewählt. Dann geht es ins Herkunftsland, wo die Knüpfmeister Faden für Faden einarbeiten. Ein Quadratmeter dauert grob gerechnet einen Monat. Handwerk eben, das braucht seine Zeit.
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