Winnetou in Winzendorf: Warum Karl-May-Festspiele faszinieren
Es knallt ohrenbetäubend, wenn die mexikanischen Banditen mit ihren Waffen und gekreuzten Revolvergurten auf ihren Pferden durch den Wilden Westen mit künstlichen Felsen reiten. „Peng“. Einer schleift mit einem Seil einen armen Indianer hinterher. Alle fiebern mit, ob Old Shatterhand mit großer List und in einem Sarg vor den ruchlosen Gesellen fliehen kann.
Ein Lachen ertönt, als der schrullige Sam Hawkens, der laut Geschäftspartnerin wie ein Iltis stinkt, dem Oberschurken mit Augenklappe entgegenschleudert: „Ihr trinkt wohl so viel Tequila, damit ihr wieder zweifach seht.“ Und wenn Winnetou zum ersten Mal erhaben mit seinem Ross von einer Galerie herabreitet, ertönt die markante Melodie der Karl-May-Verfilmungen der 1960er – und Applaus brandet auf.
Wilder Westen im Industrieviertel
Oder wie es Josef „Joesi“ Schützenhofer einige Minuten vorher angekündigt hat: „Es gibt alles, was Karl-May-Festspiele ausmacht: Action, Spannung, Komik.“
Er ist der Regisseur des Stücks „Winnetou und das Halbblut“ frei nach Karl May, das gerade in Winzendorf nahe Wiener Neustadt am Programm steht. Seine Generation hat noch die Filme Sonntagnachmittag im Fernsehen gesehen. „Winnetou und Old Shatterhand waren unsere Helden wie heute John Wick.“
Wobei ganz so brutal wie beim vom Keanu Reeves verkörperten Killer geht es im nö. Industrieviertel dann doch nicht zu. Aber es ist auch nicht ohne. Die Fäuste fliegen. „Tusch“, macht es zur akustischen Verstärkung aus den Lautsprechern. Die Messer sitzen locker und auch wehrlose Personen lassen ihr Leben.
Ansonsten stürzt das Halbblut Apanatschi von großer Höhe in einen Tümpel. Winnetou liebt, wie es sich gehört, die große Geste. Und weil die Schauspieler Mikrofone tragen, hört sich das Gesagte in der riesigen Halle ein bisschen an wie synchronisiert. Alles wie früher im Fernsehen.
Karl May Festspiele Winzendorf
Große Bühne und viel Action im Industrieviertel, wenn Winnetou, Old Shatterhand und Co. gegen die Bösewichte kämpfen.
Karl May Festspiele Winzendorf
Große Bühne und viel Action im Industrieviertel, wenn Winnetou, Old Shatterhand und Co. gegen die Bösewichte kämpfen.
Karl May Festspiele Winzendorf
Große Bühne und viel Action im Industrieviertel, wenn Winnetou, Old Shatterhand und Co. gegen die Bösewichte kämpfen.
Karl May Festspiele Winzendorf
Große Bühne und viel Action im Industrieviertel, wenn Winnetou, Old Shatterhand und Co. gegen die Bösewichte kämpfen.
Und auch wenn die Streifen heute nicht mehr so präsent sind, die Premiere in Winzendorf ist ausverkauft. Familien sind das Hauptpublikum. Einige decken sich in der vorgelagerten Westernstadt mit Cowboyhüten, Indianerschmuck, Schießgewehren und Pfeil und Bogen ein. Schon Stunden vor dem Stück sind viele da, Ripperl stehen auf der Speisekarte. Saloon-Tänzerinnen treten im Vorprogramm auf wie auch das spätere Halbblut, das mit ihrer mexikanischen Liebschaft ein Ständchen zum Besten gibt.
Familienbesuch
„Es sind viele Eltern hier, die noch die Filme kennen und ihren Kindern diese Geschichten über Völkerverständigung näherbringen wollen“, meint Intendant Martin Exel. „Bei Karl May taucht der Edle Weiße auf, den es ja so nicht gab, der sich mit den Indianern versteht.“ Und noch etwas mache die Faszination solcher Festspiele aus. „Es endet gut, es treten viele gute Menschen auf, auch wenn natürlich Bösewichte auftauchen.“
Westernstadt
In der Westernstadt gibt es Colts, Getränke und Ripperl.
Westernstadt
In der Westernstadt gibt es Colts, Getränke und Ripperl.
Westernstadt
In der Westernstadt gibt es Colts, Getränke und Ripperl.
Und das funktioniert schon eine Weile blendend. Die großen berühmten Festspiele Deutschlands gibt es seit den 1950ern – also schon vor den Filmen. Das berühmteste ist jenes in Bad Segeberg. Dort tritt die deutsche Fernsehprominenz auf. Kommendes Jahr steht „Der Ölprinz“ auf dem Programm. Sänger und Musical-Star Alexander Klaws gibt den Winnetou, Ex-Traumschiff-Kapitän Sascha Hehn den Ölprinz.
Pierre Brice engagiert
Die Festspiele in Elspe sorgten für den Knüller schlechthin, als sie 1976 Pierre Brice höchstselbst als Indianerhäuptling für mehrere Jahre verpflichteten. Millionen Menschen pilgerten ins Sauerland, um einen reiferen Winnetou zu sehen. Der Erfolg war so groß, dass das Team in großen Städten den Wilden Westen wieder aufleben ließ. Unter anderem in der Wiener Stadthalle. Später, nach nicht ganz glücklichen finanziellen Verstrickungen mit den Festspielen dockte er in Bad Segeberg an, wofür er auch Stücke schrieb und mit 62 Jahren endgültig den Lederstrumpf auszog.
Da wollte man in Winzendorf, das neben Kirchberg am Wagram – und früher Gföhl – Österreichs Karl-May-Mekka ist, nicht hintanstehen und schickte 1999 mit dem Barden Waterloo einen Indianer im Geiste auf die Bühne.
Der jetzige Winnetou heißt David Gruber und ist 21 Jahre alt. Er hat die Filme nicht mehr im Fernsehen gesehen, „ich habe aber die Bücher gelesen.“ Im zivilen Leben studiert er Landschaftsplanung an der BOKU in Wien. Er braucht – wie auch Waterloo – keine Perücke, er hat langes, schwarzes Haar. Da wundert es nicht, wenn er sagt: „Ich fühle mich eh ein bisschen wie ein Indianer.“ Was ihn noch abseits der Naturliebe und Kopfpracht dafür prädestiniert: Er kann gut Westernreiten. Und fürs Rollenstudium hat er sich dann die Filme angesehen – und sich doch einiges vom großen Vorbild angeeignet. „Die Art, wie Pierre Brice spricht. Und wie er sich so schön auf das Pferd schwingt.“
Für derartige Festspiele Menschen zu finden, die reiten und sprechen können, sei es nicht immer ganz leicht, meint Intendant Exel. „Und es ist schwieriger, wen zu finden, der sprechen kann.“ Seine liebe Not hatte übrigens auch Karl May mit der Dramatisierung seiner Stücke. Der Autor selbst hatte die Idee, seine Helden auf die Bühne zu bringen. So recht wollte das aber nicht gelingen. Er hat lediglich ein Drama vollendet, das tausende Verse umfassende „Babel und Bibel“. Und auch das wurde zu seinen Lebzeiten nie aufgeführt.
Die ersten Theaterstücke
Das erste bekannte Bild, auf dem sich Winnetou und Old Shatterhand die Hand reichen, stammt aus dem Jahr 1919. Es gehört zu einer Aufführung des Deutschen Theater München. Zehn Jahre später schlichen die Blutsbrüder in Berlin auf der Bühne herum, um Halunken zu jagen. Die Begeisterung war enorm, in ganz Deutschland wollte man Karl-May-Stücke sehen. (Nachzulesen in Nicolas Finkes und Reinhard Marheineckes „Karl May auf der Bühne“).
Nicht immer waren die Darsteller Blutsbrüder. In Berlin gab Hans Otto den Winnetou und Ludwig Körner den Old Shatterhand. Auf der Bühne waren sie Freunde. Im wahren Leben wurde Otto als Kommunist 1933 von den Nazis ermordet, Ludwig machte später Karriere als NS-Funktionär.
„Winnetou und das Halbblut“ läuft in Winzendorf noch an den Wochenenden bis 22. August. Infos: festspiele-winzendorf.at
In Kirchberg am Wagram steht an den Wochenenden bis 28. August „Im Tal des Todes“ auf dem Programm. Infos: winnetouspiele-wagram.at
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