Das Osterei als Ausstellungsstück? Tatsächlich gibt es einschlägige Museen in Ungarn und Rumänien, darunter mit 11.000 Exponaten das weltgrößte in der Bukowina, aber keines ist so einzigartig wie das Eiermuseum im burgenländischen Winden am See. Etwa puncto Architektur: Auf einem leicht eiförmigen, geglätteten Betonuntergrund steht ein zweigeschoßiger Glaskubus, entworfen von dem preisgekrönten Wiener Architektenduo gaupenraub.
Das dunkelgrau gedeckte Obergeschoß ruht wie ein Vogelkörper auf seinen Beinchen auf zwei schräg angeordneten Stahlsäulen. Dazwischen führt eine gerade Treppe in entgegengesetzter Schräge nach oben. Einzigartig sind auch die rund 4.500 Exponate, Früchte einer jahrzehntelangen Sammlerleidenschaft des italienisch-österreichischen Bildhauers Wander Bertoni (gestorben 2019 im Alter von 94 Jahren).
Das Museum wird seither von seiner Witwe, der gelernten Augenärztin und Kunstsammlerin Waltraud Bertoni geleitet. Ihr Großvater hatte in der Zwischenkriegszeit in Wien den Österreichischen Bühnenverlag Kaiser & Co gegründet, der heute von Bertonis Sohn und dem Intendanten des Theaterfestivals Litschau, Zeno Stanek, geleitet wird. Angeschlossen an den Verlag war auch ein kleiner Kunsthandel, die Galerie Kaiser, über die sie den Bildhauer Wander Bertoni kennenlernte.
In allen Kulturen, Religionen und Mythologien der Welt wird das Ei als Symbol der Schöpfung und des Lebens verehrt. Im Christentum gilt das Durchbrechen der Eischale und das Schlüpfen des Kükens als Sinnbild für die Auferstehung Christi aus dem „aufgebrochenen“ Grab. Nach christlichem Glauben tritt der Mensch gewordene Gott aus der Finsternis des Todes ins Licht des Lebens. Aus diesem Grund überreichen wir einander zu Ostern bunte Eier. „Christus ist auferstanden“, sagen dazu Gläubige der orthodoxen Kirche.
Aber das Ei ist auch in anderen Weltreligionen präsent. So taucht die Eiform etwa als Zierrat oder bei Leuchtelementen in Moscheen auf. In buddhistischen Tempelanlagen Myanmars (Burma) werden kunstvoll geschnitzte Holzeier zum Kauf angeboten. In ihre Schale sind dekorative Muster gebohrt, in ihrem inneren Hohlraum befindet sich eine ebenfalls aus Holz geschnitzte Tierfigur als Glücksbringer.
Eiform in Plastiken
Bertoni griff das Ei-Thema auch in seinem künstlerischen Schaffen auf: So schuf er etwa eine überlebensgroße halbe Eischale, die an der Innenseite gestaltet ist wie die Wand eines Uterus. Man kann sich hineinlegen, sich wie ein Fötus fühlen oder sich wie der hinduistische Schöpfergott Brahma aus dem Ei neu erschaffen. In vielen von Bertonis Arbeiten taucht die Eiform auf, etwa am Fuße oder an der Spitze einer Säule oder bei der Gestaltung von eiförmigen Brunnen.
Auf seinen vielen Reisen besuchte der Künstler immer wieder verschiedene Museen, Galerien, Kultstätten, Kunst- oder auch Flohmärkte, stets auf der Suche nach dem Ei als Kult-, Kunst- oder auch Kitschobjekt. So erwarb er etwa von einem Kunsthändler ein in der Mongolei entdecktes Dinosaurier-Ei oder ein lang gezogenes antikes Stein-Ei, das bei den alten Griechen als Grabbeigabe fungiert hatte.
Beide Objekte sind in Bertonis Eiermuseum in Winden ebenso zu sehen wie hunderte andere. So etwa mehrere fein bemalte Porzellaneier aus China und Bali, kunstvoll verzierte Eier aus Papiermaschee, erworben in Kaschmir. Zu den Highlights der Ausstellung gehören auch Biedermeier-Eier aus der Monarchie, Renaissance-Eier aus der Toskana, bunte Glaseier aus Böhmen und aus Venedig, fein bemalte Herend-Eier aus Ungarn und reich verzierte Natureier aus Rumänien, von wo das Museum immer wieder neuen Nachschub erhält. Von ähnlicher Machart, aber mit einer speziellen Kratztechnik verzierte Objekte sind die kroatischen Eier aus dem burgenländischen Stinatz.
Zu den vielen Besonderheiten des Museums gehören aus Fischkörpern geformte Eier der Wiener Keramik-Künstlerin Rosemarie Benedikt oder Porzellaneier aus Mexiko, aus denen sich verschiedene bunte Tierfiguren winden. Und in der Kitschvitrine finden sich Soldateneier, die den Einrückenden als Schutzengel mit ins Feld gegeben wurden oder etwa Eier mit dem unvermeidlichen Konterfei von Kaiser Franz Josef.
Eier auf Dalí-Museum
Bertoni war aber keineswegs der einzige Künstler, der sich des Themas Ei annahm. Der spanische Surrealist Salvador Dalí zum Beispiel ließ sich auf das Dach seines Hauses im katalonischen Portlligat (sic!) ein meterhohes weißes Hühnerei montieren. Auch die Dachkante des Dalí-Museums in dessen spanischem Geburtsort Figueres ist, von weitem sichtbar, mit solchen Eiern verziert. Aber kein anderer Künstler beschäftigte sich derart umfassend mit dem Thema Ei wie Bertoni.
Geboren in Reggio Emilia, einer Provinz am südlichen Rand der Po-Ebene, kam er 1943 als Zwangsarbeiter nach Wien. Nach dem Krieg studierte er Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste – und blieb in der Donaumetropole. Zusammen mit Anton Lehmden und Josef Mikl gehörte er zu den Gründervätern des Art Clubs. Bertoni verdingte sich zunächst als Restaurator, ehe er vor allem im Rahmen der Aktion „Kunst am Bau“ des legendären Wiener Kulturstadtrates Viktor Matejka öffentliche Aufträge annahm.
Heute stehen Bertonis Großplastiken wie Säulen, Brunnen oder figürliche Darstellungen vor öffentlichen beziehungsweise gemeinnützigen Bauten oder auch Kirchen und Klöstern im ganzen Bundesgebiet. Unter anderem schuf er auch eine fast zwanzig Meter hohe Stahlplastik „Sonnenanbeter“ für die Weltausstellung in New York 1964 (sie steht heute auf dem Kirchberg in Winden).
Ein anderes Großwerk, die Jubiläumssäule, geschaffen 1991 aus Anlass der 70-jährigen Zugehörigkeit des Burgenlandes zu Österreich, steht vor dem Landhaus in Eisenstadt. 1965 schuf sich Bertoni mit dem Ankauf der so genannten „Gritschmühle“ in Winden am See sein eigenes Freilichtmuseum. Das zehn Hektar große Areal an den Südausläufern des Leithagebirges „war schon den Römern als Kraftort bekannt“, erklärt Waltraud Bertoni. Tatsächlich fand der Wiener Archäologe Wolfgang Neubauer 2019 im Nordteil des Grundstückes mittels Bodenradar ein nahe der antiken Bernsteinstraße gelegenes römisches Verwaltungsgebäude beachtlichen Ausmaßes. Das nach Carnuntum wahrscheinlich zweitgrößte römische Bauwerk auf österreichischem Boden soll in den nächsten Jahren freigelegt werden.
Bertoni restaurierte die alte Gritsch-Mühle und erweiterte das Bauwerk nach und nach um ein Ateliergebäude samt Galerie und Wohntrakt sowie um ein Kunstmuseum. Weil die immerzu wachsende Eiersammlung bald keinen Platz mehr fand, schuf sich der Bildhauer vor zehn Jahren zu seinem 85. Geburtstag ein eigenes Eiermuseum, das manchmal auch unerwartete Interessenten aufsuchen. Eines Tages, so erzählt Witwe Bertoni, tauchte eine Schar Kinder aus dem Dorf auf und wollte „das Dino-Ei sehen“.
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