Da kannst du noch so bedächtig vorgehen: Am Ende hast du einen weißen Rand am sündteuren Marmor-Tisch, den der Verkäufer einst pries, er könne genauso gut in einem Apartment auf der 5th Avenue stehen. Nur: Würd ich nicht auf ihn aufpassen, könnte man meinen, hier residiere eine Milchfrau. Oder der Herr der Ringe.
Selbstverständlich witterte ich sofort eine breit angelegte Verschwörung gegen mich. Egal, wo ich hinkomme: überall das Gleiche. Und nicht nur mit der Milch! Detto mit dem Tee. Was war ich stolz auf meine elegante Kanne aus dem berühmten Teegeschäft. Und dann sieht es jedes Mal aus, wenn ich einschenke, als passiere die Sintflut. Eine Hälfte Tee im Häferl, die andere auf dem Tisch. Ich frage mich: Warum schafft die Menschheit es, auf dem Mond zu landen – aber nicht, eine Kanne zu konstruieren, die nicht tropft?
Physiker kennen das Problem - es ist komplex
Nun, das fragen sich auch Wissenschaftler. Sie nennen es den Teekanneneffekt. Es geht um Hydrodynamik. Oberflächenspannung. Adhäsion. Die Benetzbarkeit spielt eine Rolle, die Geometrie der Kanne, die Ausflussgeschwindigkeit. Ziemlich komplex. Am gründlichsten gingen vier Physiker der Universität Lyon der Frage auf den Grund. Was das für unsere Praxis bedeutet? Abhilfe naht: Dicke und stark abgerundete Ausgussöffnungen sind demnach unbedingt zu vermeiden. Spitze Öffnungen mit Abrisskante dagegen ideal. Und: eine hydrophobe Beschichtung wählen. Der Tee wird dann nicht über den Rand nach unten gezogen, sondern LÖST sich – und landet sicher im Häferl. So gut schmeckt Physik. Und so eine Kanne kaufe ich mir jetzt.
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