Ursula Strauss: „Eitelkeit vernebelt den Blick“
Endlich wieder auf der Bühne: heute Abend im Wiener Theater Akzent. Ursula Strauss, die in TV und Kino wohl präsenteste heimische Schauspielerin, hat sich auch einen Namen als Sängerin erarbeitet. Im Freizeit-Interview erzählt sie von einem denkwürdigen Auftritt mit „wüdn“ Mundart-Liedern mit Ernst Molden – und von ihrer Rolle als Königin Maria Theresia.
Zugleich spricht sie die öffentliche Rolle von Künstlern an, erklärt aber auch, warum sie das Private schätzt. Sie halte ihr Privatleben „nicht bewusst verborgen“, meint sie, „aber eben auch nicht bewusst öffentlich“.
FREIZEIT: Wieder auf der Bühne zu stehen, das muss sich fantastisch anfühlen, oder?
Ursula Strauss: Ja, tut es. Ich trage an diesem Abend im Theater Akzent satirische Texte zum Thema „Schnitzel, Gulasch und gefilte Fisch“ vor. Das Konzept stammt von meinem langjährigen Freund Béla Korény, er hat mich gefragt, ob ich nicht dabei sein möchte. Ethel Merhaut und Michael Schade gestalten den Abend gesanglich. Und, ja, wieder vor Publikum stehen zu dürfen, ist schon ein gutes Gefühl.
Ist das Ihr erster Auftritt nach langer Zeit?
Nein, wir hatte schon ein paar Konzerte mit unserer Platte „Wüdnis“, die ich mit Ernst Molden aufgenommen habe. Die Pandemie hat ja Live-Auftritte immer wieder verunmöglicht. Drehprojekte konnten aber abgesehen vom ersten Lockdown im Vorjahr durchgeführt werden.
Worauf dürfen wir uns in nächster Zeit freuen?
Auf „Euer Ehren“ etwa, die deutsch-österreichische Adaption der israelischen Erfolgsserie „Kvodo“. Sebastian Koch spielt die Hauptrolle, einen Richter, der auf Abwege gerät und dann viele falsche Entscheidungen trifft. Und dann durfte ich zu meiner großen Freude unter der Regie Robert Dornhelms „Maria Theresia“ spielen.
Eine Rolle, wie sie kaum zu toppen ist in der heimischen Geschichte. Wie auch Ihre Leistung als Schauspielerin schwer zu überbieten ist: 65 Episoden „Schnell ermittelt“, 60 weitere Rollen im TV und im Kino – und das alles in den letzten 15 Jahren.
Stimmt, das ist eine Menge. Ich hatte Glück und durfte in den letzten Jahren gut arbeiten.
Haben Sie in all dieser Zeit nie Urlaub genommen?
Doch, natürlich. Ich hatte immer wieder Zeiten dazwischen, in denen ich mich gut erholen konnte. Aber es ist schon richtig, die Zeit des Rückzugs ist unheimlich wichtig, um neue Kraft zu schöpfen. Mir diese Zeit immer wieder bewusst zu nehmen, das verliere ich vielleicht manchmal aus den Augen.
„Schnell ermittelt“ wurde noch ganz ohne Instagram oder Netflix zum Hit.
Stimmt. Ich denke, dabei ist es uns gelungen, mit einem gewissen Humor die ganze Familie, also verschiedene Altersgruppen, anzusprechen. Allerdings haben sich die Zeiten und mit ihnen auch das Fernsehverhalten recht schnell geändert.
Zappt man jetzt durch die Sender, hat man oft das Gefühl, dass alles grauslicher geworden ist.
Wenn man sich anschaut, was gerade alles in unserer Welt vor sich geht, ist das auch kein Wunder. Ob Filme, Serien oder Romane, die Kunst ist natürlich immer ein Spiegel der Zeit, in der sie entsteht. Unsere Wirklichkeit ist durch die allgegenwärtige Vernetzung unglaublich intensiv und schnelllebig. Das ist nicht nur anstrengend, sondern konfrontiert uns auch mit unserer Machtlosigkeit angesichts des vielen Leids. Das beeinflusst natürlich das Lebensgefühl vieler.
Sie haben nun mit „Geschichten vom Franz“ bereits die zweite Verfilmung eines Buches von Christine Nöstlinger gedreht. Spielen Sie anders, wenn Sie an Kinder- und Jugendfilmen mitwirken?
Die Ernsthaftigkeit des Arbeitens ist in Kinderfilmen keine andere. Im Gegenteil. Und warum sollte man Kindern anders begegnen als auf Augenhöhe? Sie nicht ernst zu nehmen, nur weil ihr Erfahrungsschatz kleiner ist, wäre ein Fehler.
Wäre das eine Flucht vor der Realität, wenn Sie nur mehr in Liebesfilmen mitspielen würden?
Ich habe gerade einen schönen, sehr interessanten Liebesfilm gedreht, der jetzt in Deutschland in die Kinos kommt – „Le Prince“. Eine wahrhafte Geschichte über die Begegnung zweier Menschen zu erzählen, dagegen ist nichts einzuwenden. Ich finde Liebesgeschichten ganz toll. Aber es muss eine Geschichte sein, die Tiefe hat, Ecken und Kanten. Dann kann wahre Romantik entstehen.
Haben Sie als Beatles-Fan eine Träne zerdrückt, als Sie vom Ableben des Rolling-Stones-Drummers Charlie Watts erfuhren?
Ein großer Musiker, er bleibt unvergessen. So ein Verlust ist immer traurig, aber die Endlichkeit gehört nun einmal zum Leben.
Eines haben Sie ihm voraus: Charlie Watts hat nie dort gespielt, wo Sie im Vorjahr aufgetreten sind, im vermutlich modernsten aller Konzertsäle – in der Elbphilharmonie in Hamburg. Wie war das?
Ganz toll. Es gibt Erlebnisse, bei denen man alle Details speichert. Genau so war das in der Elbphilharmonie. Ich bin vor Auftritten immer aufgeregt, diese Form von Lampenfieber, die irgendwie dazugehört, einen alles sehr intensiv fühlen lässt. In der Elbphilharmonie, diesem architektonischen Wunder, konnte ich die Nervosität mit dem ersten Schritt auf die Bühne ablegen und den Auftritt und die Atmosphäre einfach genießen. Das werde ich dem Ernst nie vergessen, diese Möglichkeit gehabt zu haben.
Ernst Molden?
Genau, er hat diesen Abend mit den „Wien-All-Stars“ in Hamburg eingefädelt. Kathi Straßer und Birgit Denk waren dabei, der Nino aus Wien, das ALMA-Ensemble.
Klingt gut, war das ein volles Haus?
Ja, ein volles Haus, ein Wahnsinn.
Mit Udo Lindenberg im Publikum?
Warum nicht, vielleicht steht er ja auf das Wienerlied. Auf der Bühne fühlt man sich irgendwie wie in einem Nest. Die Philharmonie ist so geschickt gebaut, dass man ein Gefühl der Geborgenheit hat, sobald man auf der Bühne steht.
Andere Frage: Können Künstler durch einen Auftritt noch etwas bewirken?
Künstler können Bewusstsein schaffen, laut Kritik üben, auf Missstände aufmerksam machen, Sprachrohr sein. Wirkliche Veränderung aber schafft nur eine kluge, soziale, nachhaltige und gerechte Politik.
Ihr Vater war Bürgermeister (von Pöchlarn; Anm.). Haben Sie schon als Kind mitbekommen, wie Politik gemacht wird?
Natürlich habe ich es mitbekommen. Mein Vater war ein sehr guter Politiker. Er hatte einen großen Gerechtigkeitssinn, er hat über seine eigene Existenz hinausgedacht im Sinne der Gemeinde und der Menschen, die sie bewohnen. Er war nicht eitel und konnte gut mit der ihm zugedachten Verantwortung umgehen.
Sie wirken als Schauspielerin ebenfalls sehr uneitel. Sie hätten ja auch ...
Politikerin werden können?
Nein, viel eher einen Grund, eitel zu sein als ein Politiker.
Weiß ich nicht. Mein Geschäft ist, mich mit dem Kern des Menschen zu beschäftigen – mit der Wahrheit. Auch mit den Abgründen, Sehnsüchten und Hoffnungen. Eitelkeit steht den meisten Menschen nur im Weg und vernebelt den Blick auf das Wesentliche. Wenn ich sie bei mir aufkommen spüre, versuche ich sie rasch wieder vor die Tür zu setzen.
Vor Kurzem haben Sie „Maria Theresia“ abgedreht. Wie haben Sie sich da vorbereitet?
Ich habe viel über sie gelesen und versucht, eine gedankliche Bindung herzustellen. Bilder waren mir auch eine Inspiration. Es klingt vielleicht komisch, aber ich habe sie irgendwie um ihren Beistand gebeten.
Müsste Österreich nicht längst eine Kanzlerin haben bei diesem Vorbild?
Müssten nicht auch schon lange klarere Gesetze gegen den Klimawandel her? Ich freue mich über jede tolle Frau in entscheidenden Positionen. Die richtigen Entscheidungen für ein ganzes Land zu treffen, ist allerdings eher ein Frage des moralischen Kompasses und nicht eine des Geschlechts.
Und privat?
Privat ist alles beim Alten.
Das heißt, vor der Öffentlichkeit verborgen?
Nicht bewusst verborgen, aber auch nicht bewusst öffentlich. Geheimnisse sind doch etwas Schönes. Sie kommen in Zeiten der Social-Media-Plattformen eh ein bisschen zu kurz. Man muss nicht alles wissen.
Ursula Strauss, 47, die fünffache Romy-Gewinnerin, ist gegen Jahresende als Maria Theresia im Fernsehen zu sehen. Zuvor gibt der Serienstar aus „Schnell ermittelt“ und „Wischen ist Macht“ Gastspiele auf der Bühne: Im Theater Akzent wirkt sie heute an einem musikalisch-satirischen Programm von Béla Korény mit. https://www.akzent.at
Müsste Österreich nicht längst eine Kanzlerin haben bei diesem Vorbild?
Ursula Strauss: Müssten nicht auch schon lange klarere Gesetze gegen den Klimawandel her?
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