Er sei noch bei einer Konferenz in London, morgen, ja, morgen müsste er erreichbar sein. Gleiche Uhrzeit? Ja. Gut, ist ja noch Zeit. Bis morgen also.
Morgen aber war dann doch ein anderer Tag. Das Telefon läutete. Lange, sehr lange, zu lange. War wohl nix. Beim zweiten Anruf etwas später hob Hélène ab. „Oh, hallo“, Peter Ustinov war zwar kurz in der Schweiz, sei aber schon wieder weg. Morgen, hieß es, sei er ganz sicher erreichbar. Und wo? In Singapur, im Raffles, seinem Lieblingshotel, ganz sicher.
Zur Zeit dieser Telefonate schrieb man zwar schon das Handy-Zeitalter. Aber Sir Peter Alexander Baron von Ustinov, wie er mit vollem Namen hieß, war dort natürlich noch nicht angekommen. Wie auch, schon Computer waren ihm lästig, auf der Schreibmaschine tippen ebenso und Faxen sowieso. Seine Handschrift könne niemand lesen, nicht einmal er selbst. Und überhaupt. Über das Telefon funktionierte unsere Kommunikation ohnehin, nun, ja, einigermaßen perfekt.
Sein Leben, ein Traum
„Raffles Hotel, guten Abend, was kann ich für Sie tun? Oh, Sie wollen Sir Peter sprechen, of course. Einen Moment, bitte.“ Der Concierge am anderen Ende der Leitung stellte durch, es zischte und knackte, na, bitte, klappt doch. Die sogleich mit dem Diktafon aufgenommene Kolumne fand nicht nur Aufnahme in eine Freizeit-Ausgabe, sondern auch in die Literatur, in eines der acht Bücher von Sir Peter Ustinov: „Geschichten von unterwegs“.
"Das Leben – ein Traum“ ist der Titel. Und am Text wirkte ich in der Eigenschaft als Telefonist zumindest als Inspirationsquelle mit. „Man hat mich gebeten, diesmal über das Thema Film zu schreiben“, diktierte er mit hörbarem Augenzwinkern.
„Wahrscheinlich aus dem Grund, weil ich an diesem Punkt meines Lebens Erinnerungen an ein obskures Goldenes Zeitalter habe, das der heutigen Verwirrung voranging.“
Sir Peters Weitblick
In der Folge schweifte Ustinov von Humphrey Bogart, mit dem er 1955 in der Komödie „Wir sind keine Engel“ spielte, zu Kaiser Nero, für dessen Darstellung er 1952 für einen Oscar als Nebendarsteller nominiert war, zum damaligen UN-Generalsekretär. Wie das zusammenhing? Ganz einfach. „Die ganze Unterhaltungsindustrie hat es bis heute nicht geschafft, eine Persönlichkeit wie Kofi Annan zu erfinden. Und dafür gibt es einen guten Grund. Höflichkeit, ein tiefes Verständnis und das Geschenk der Versöhnung spielen keine Rolle in unserer Sicht von der Welt, in der wir leben.“
Ereignisse auf diplomatischem Parkett beweisen, dass sich bis heute wenig daran geändert hat. Sir Peter war eben ein Mann von Welt mit Weitblick.
Und ein Mann mit einem außergewöhnlichen Humor. Als leidenschaftlicher Autofahrer – er besaß unter anderem einen 1934er Hispano Suiza 12 Zylinder – nahm er einmal eine CD zu einem (fiktiven) Grand Prix von Gibraltar auf. Die Motorengeräusche machte er alle mit dem Mund, auch die eines Ferrari F1-Boliden.
Man wusste nie, was ihm als Nächstes einfallen würde. Eine Kolumne über das Thema Reisen endete so: „Nächste Woche? Hawaii, dann die Fidschi-Inseln und Kiribati im Westpazifik auf den Spuren von Mark Twain fürs Fernsehen. Danach stehen Australien, Indien, Südafrika an. Ach ja, dazwischen noch die Regie einer Oper im Bolschoi. Wie war das noch mit der Würze des Lebens?"
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