Kultur, Geschichte und Landschaft stehen in Sizilien im Mittelpunkt, doch die Insel ist auch ein kulinarisches Paradies.
31.07.21, 06:00
von Herbert Hacker*
Nein, man kann nicht in vier Tagen eine Insel wie Sizilien ausreichend erkunden. Dafür reichen auch vier Wochen nicht, eher schon ein halbes Leben. Auch wenn eine Autofahrt über die ganze Insel nur vier oder fünf Stunden dauert, Sizilien ist zu groß und vielfältig, um es hastig und auf die Schnelle zu entdecken. Deshalb sind die vier Regionen, die wir in der Folge vorstellen, mitunter nur ein Anreiz für spätere, zeitlich ausgedehntere Touren. Im Idealfall aber machen sie Appetit auf eine Insel, die zu den faszinierendsten Ecken der Welt zählt. Wer dem Charme dieses pittoresken Eilands einmal verfallen ist, der kommt sowieso immer wieder.
Zu entdecken gibt es jedenfalls eine ganze Menge. Eine Insel als eigenes Universum, in dem der französische Romancier Guy de Maupassant alles fand, „was dazu angetan ist, unsere Augen, unseren Geist und unsere Phantasie zu verführen“.
Palermo und Cefalù
Palermo hat sich gewandelt. Einst genügte schon der Klang des Namens, um an die Mafia zu denken. Lange Zeit galt die Stadt als eines der Zentren der „Ehrenwerten Gesellschaft“, ängstliche Gemüter mieden sie und dachten, sie werden hier womöglich am helllichten Tag ins Jenseits befördert. Das stimmte nie, denn die Mafia interessierte sich zu keiner Zeit für Touristen. Und das ist heute mehr denn je der Fall. Viele Anti-Mafia-Organisationen haben in Palermo ihren Ursprung, kurz gesagt: Palermo ist eine absolut sichere Stadt. Und sie ist faszinierend.
Diesen Zauber spürt man schon, wenn man durch die Altstadt spaziert, vorbei an alten leicht verfallenen normannischen Türmen, an Kirchen mit Kuppeln wie Moscheen, barocken Palästen, an Gärten, in denen neben Palmen auch Zitronen- und Orangenbäume wachsen und an Märkten mit einer Auswahl an Fischen und Gemüse, wie sie auch in Italien selten geworden ist. Auch ein Opernhaus wie das „Teatro Massimo“ wird man kaum noch irgendwo anders finden. „Non vi lasciamo senza musica“ steht über dem Hauptportal, was so viel bedeutet wie „Wir lassen euch nicht ohne Musik zurück“. In Zeiten der Pandemie ein Satz mit großer Bedeutung. Wer gute Restaurants sucht, der ist in den Straßen zwischen Vucciria und dem Meer gut aufgehoben. Besonders empfehlenswert ist das Restaurant „Gagini“ mit einem wunderschönen alten Gewölbe und einer gehobenen, modernen sizilianischen Küche. Eine knappe Stunde östlich von Palermo liegt der pittoreske Badeort Cefalù, einer der schönsten Orte Siziliens. Spektakulär ist in Cefalù vor allem die Kathedrale „Santissimo Salvatore“ mit einem mächtigen Felsen dahinter. Auch der Strand kann sich durchaus sehen lassen, weshalb die Stadt schon lange kein Geheimtipp mehr ist. Dennoch hat Cefalù in kulinarischer Hinsicht mehr zu bieten als nur Touristenlokale. In Trattorien wie dem „Il Normanno“ neben der Kathedrale etwa, werden Meeresfrüchte und klassische Pastagerichte in bester Qualität serviert. Und dann ist da noch der Ort Cerda hoch oben in den Bergen von Cefalù, es ist die Artischockenhauptstadt Siziliens, ein Umstand, der sich in vielen Gerichten in den Lokalen dieser Region widerspiegelt. Die Sizilianer sind, ähnlich wie die Römer, verrückt nach Artischocken.
Taormina und Catania
Die beiden Städte Taormina und Catania könnten unterschiedlicher nicht sein. Taormina, einer der berühmtesten Ort der Insel, liegt hoch über einem Gebirgshang über dem Meer und bietet eine Aussicht, wie man sie auch in Sizilien nur selten findet. Wohl auch deshalb hat die Stadt eine extrem hohe Dichte an edlen Boutiquen, teuren Hotels und exklusiven Restaurants.
Zu den Klassikern der Restaurantszene gehört unter anderem die „Trattoria Da Nino“, wo seit mehr als fünfzig Jahren grandiose Fischgerichte serviert werden. Eine kulinarische Institution.
Als Besuchermagnet schlechthin, gilt aber vor allem das „Teatro Greco“, in dem unter freiem Himmel in den Sommermonaten internationale Festspiele mit Konzerten, Ballettaufführungen, Filmen und Theatervorstellungen veranstaltet werden. Eine Aufführung unter dem Sternenhimmel ist wahrlich ein unvergessliches Erlebnis. Ganz anders präsentiert sich Catania. Böse Zungen behaupten, Catania sei die hässliche Schwester Palermos. Tatsächlich ist der Charme der Stadt ein durchaus spröder, doch Catania ist andererseits überaus lebendig und pulsierend, das Leben spielt sich hier viel mehr auf der Straße ab als in Palermo. Und auch die Zahl an guten Restaurants und Lokalen ist enorm. Zu den besten der Stadt zählt etwa das „Sapio“, wo ein blutjunger Koch die klassische sizilianische Küche modern interpretiert, was ihm immerhin vor einigen Jahren einen Michelin-Stern einbrachte.
Zwischen Catania und Taormina befindet sich übrigens auch die berühmteste Bottarga-Manufaktur Siziliens. Im kleinen Küstenstädtchen Acireale erzeugt Alfio Visalle die unter Spitzenköchen heiß begehrte Bottarga aus Thunfischeiern. Die Bottarga wird in Sizilien ebenso geschätzt wie Seeigel, rare Delikatessen, die als Zutaten für Pastagerichte einen enorm hohen Stellenwert genießen. Siracusa, Ragusa und Noto Siracusa, auch die „Weiße Stadt am Meer“ genannt, zählt ähnlich wie Taormina zu den schönsten Städten der Insel. 2005 wurde der historische Ort von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Vor allem die Altstadt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zum Tourismusmagnet entwickelt. Künstler, Maler, Musiker und Schriftsteller aus aller Welt sind hierhergezogen, weil die Stadt eine spezielle, unvergleichliche Atmosphäre hat. Von Siracusa ist es nicht allzu weit nach Ragusa und Noto. Die beiden Orte, aber auch die Stadt Modica, sind Architekturjuwelen im Stil des sizilianischen Barocks, sie kleben förmlich auf Hügeln und hinterlassen einen Eindruck, den man so schnell nicht vergessen wird. Ragusa ist aber auch Hochburg der guten Küche. Spitzenkoch Ciccio Sultano etwa besitzt dort zwei Restaurants, das „Duomo“ mit zwei Michelin-Sternen und das „I Banchi“, die moderne Interpretation einer sizilianischen Trattoria.
Sultano hat erst kürzlich sein drittes Lokal eröffnet, diesmal in Noto, der Hauptstadt des sizilianischen Barocks. Das Ristorante „Principe di Belludia“ gehört zum Nobelressort „Il San Corrado di Noto“ und gilt als neuer kulinarischer Hotspot der Stadt.
Salina, Äolische Inseln
Neben dem Ätna ist der Stromboli der zweite aktive Vulkan der Region. Stromboli ist auch eine der sieben äolischen Inseln nördlich von Messina. Die Inseln sind von Palermo und Milazzo relativ leicht mit Fähren erreichbar. Die schönste und grünste davon ist Salina, nicht zuletzt wegen ihrer landschaftlichen Reize wurde dort der Film „Il Postino“ gedreht, mit Philippe Noiret und Massimo Troisi in den Hauptrollen. Ein Meisterwerk. Salina ist noch immer eher ein Geheimtipp, hat aber in Sachen Hotels und Restaurants mittlerweile stark aufgerüstet. Besonders spektakulär liegt die Hotelanlage „Capofaro Locanda & Malvasia“ direkt am Meer. Im Ort Malfa ist es das Hotel „Signum“, in dem sich die Köchin Martina Caruso einen Namen gemacht hat, 2015 erhielt sie den ersten Michelin-Stern. Und im Hauptort Santa Marina hat sich in den vergangenen Jahren das Hotel und Restaurant „Mamma Santina“ zur besten kulinarischen Adresse entwickelt. Inhaber und Küchenchef Mario Gullo kreiert legendäre Gerichte, seine „Spaghetti alle erbe“ werden mit immerhin 14 verschiedenen Kräutern gemacht. Eine Pasta, wie man sie nur in Sizilien findet.
* Der Autor ist Senior Editor des Falstaff Magazins
… Das Buch der Sängerin Etta Scolo: Voci di Sicilia. Eine Reise durch Sizilien. Aus dem Italienischen von Klaudia Ruschkowski. Corso Verlag, Wiesbaden 2020. 256 Seiten, 29,90 Euro.
… Die CD mit der Filmmusik von „Il Postino“. Der Film mit Philippe Noiret und Massimo Troisi in den Hauptrollen wurde zum Teil auf Salina gedreht.
… Badeschuhe und ein Fernglas. Die Strände sind manchmal etwas steinig, deshalb Badeschuhe – und ein Fernglas ist in Sizilien unbedingt notwendig.
Kommentare