Rax, Schneeberg und Semmering: Liebeserklärung an die Wiener Hausberge
Gefragt nach meiner ganz persönlichen Liebeserklärung an Semmering, Rax und Schneeberg, denke ich erst: Wie wundervoll! Kurz darauf lache ich etwas hysterisch. Jede/r Liebende wird das kennen: So gewiss man seiner Liebe ist – sie zu formulieren, ihr Warum, Woher und Wohin aufzuspüren, ist gar nicht so einfach.
Warum weitet sich mein Herz, wenn ich Preinerwand, Sonnwendstein oder Klosterwappen sehe, wenn ich Zyklamen am Kreuzberg rieche, wenn ich die Semmeringbahn am Eichberg höre? Zunächst ist es sinnliche Gewissheit: Es ist der Duft, der Klang, der Anblick der Berge, die ich liebe. Vor allem die unverwechselbare Silhouette der Berge ist eine Konstante, die sich im Herzen verankert. Diese Form erlebt man tausendfach unter wechselnden Bedingungen – an einem Wintermorgen färbt die Sonne den verschneiten Berg rosa, anderntags ergießt sich ein Nebelstrom aus dem Steirischen herüber und bei Wiener Neustadt aus dem Zug blickend, wird abgeschätzt, ob die „Breite Ries“ noch befahrbar ist. Im Sommer geht die Sonne hinter dem Höllental, im Winter über der Heukuppe unter … Der Berg wird zum Bezugspunkt, zu einem Teil von einem.
Das Immer-wieder-Erleben ähnlicher Eindrücke schafft Vertrautheit. Mit Semmering, Rax und Schneeberg sind besonders viele Menschen höchst vertraut. Diese Berge am Beginn und Ende der Alpen liegen ohne vergleichbare Nachbarn eine Fahrstunde südlich von Wien und lassen alle Phänomene des Hochgebirges erleben. Entsprechend gern gehen wir auf „unseren“ Berg immer wieder. Das häufige Aufsuchen desselben Ortes vertieft die Bindung zu Wegen, Blicken und Hütten – sie werden zum Daheim.
Mir wurde das Faible für das Gebirge überdies in die Wiege gelegt: Meine Eltern Gritli und Naz Gruber führten ein Sportgeschäft in Gloggnitz, meine Mutter unternahm weltweit Bergtouren, mein Vater bestieg drei 8.000er, war Teil des „Land der Berge“-ORF-Teams und Bergführer von Viktor Frankl. Meine Biografie begann auf der Rax – auf ihr habe ich meine ersten Lebensmonate verbracht, denn meine Mutter war auf unserer Hütte auf über tausend Metern Seehöhe vor einer Gräserallergie sicher. Das Wasser für mein Bad wurde zu Fuß von der Helenenquelle geholt und auf dem Holzofen gewärmt. Als Kleinkind trugen mich meine Eltern im Rucksack mit auf die Rax. Auch in meiner Jugend waren Bergtouren selbstverständliches Wochenendvergnügen. Oft habe ich meinen Vater, der Einsatzleiter der Bergrettung Reichenau war, oder Freunde zu „Winter-Diensten“ auf die Trinksteinhütte begleitet. Daran denkend sehe ich die Eisblumen an den Fenstern, den Atemhauch in der kalten Hütte vor mir. Ich höre das Fauchen des Sturms, das Simmern des Teewassers auf dem Herd, die Funkgespräche. Ich erinnere mich an viele Suchaktionen und daran, dass wir hier nächtelang geplaudert, gelacht und gesungen haben. All das vermittelte mir etwas Abenteuerliches, Weites, Freies und Freundschaft.
Bilder: Besondere Blumen
Bergverbindungen
So wie Jausen am Berg – nach viel Bewegung in frischer Luft – besonders gut schmecken, als wären die Berge Geschmacksverstärker, so haben Bergtouren die Qualität, Beziehungen nicht nur zu intensivieren, sondern zwischen Menschen, die sich im Tal nie getroffen hätten, erst zu ermöglichen. Denn hier oben verlieren Geld und Status an Belang, wichtig ist das Erlebnis in einer außergewöhnlichen Landschaft. Es muss dabei nicht um Gravierendes gehen wie das gemeinsame Überleben einer Gefahr. Auch dass wir unsere Jause teilen, eine wunde Ferse verarzten, eine aberwitzig steile Geröllhalde in der Mittagshitze hochsteigen, verbindet. Wozu das Gehen selbst beiträgt, bei Nietzsche, Schopenhauer, Kierkegaard, Freud, Frankl ist darüber nachzulesen. Gehen ist anspruchslos, gleichförmig, langsam.
Diese scheinbar faden Qualitäten haben es in sich: Gehen ist sinnlich, es entschleunigt, es entspannt und es verbindet – mit sich und anderen. Auch das mag Mitgrund sein für ein Phänomen: Selbst wenn die Wege der Menschen im Tal sehr andere sind, den auf den Bergen geflochtenen Banden zwischen ihnen eignet eine merkwürdige Tragfähigkeit. Zudem habe ich für Menschen, die auf Bergen unter schwierigen Bedingungen arbeiten, wie Bergbauern, SennerInnen und Hüttenwirte großen Respekt und fühle mich Menschen nah, die kreativ mit Bergen „umgehen“, die über sie singen, malen, dichten!
In einem Lied sagt das lyrische Ich angesichts des Höllentals: „Da geht das Herz mir auf und auch der Mund.“
Genauso will ich als Autorin und Landartistin meine Liebe zur Naturlandschaft ausdrücken und anderen ihre eigene Liebe zur Natur präsent machen – in diesen Tagen in der Hoffnung, dass das Denken an die vertrauten Berge als Refugien von Natur, Ruhe und Klarheit, eine Quelle der Kraft sei und wir sie bald wieder besuchen können!
Die Autorin Eva Gruber wuchs in einer Schwarzataler Bergsteigerfamilie auf, studierte Germanistik und Anglistik in Wien, war Akademikertrainee im Art-Brut-Center „Haus der Künstler“ in Maria Gugging und im Verlagswesen tätig. Sie setzt sich als Autorin und Landartistin mit dem Thema Naturlandschaft auseinander – durch Fußreisen, Landart- Installationen im öffentlichen Natur-Raum, Publikationen, Ausstellungen und Vorträge. Sie lebt in Gloggnitz und auf Reisen. eva-gruber.com
Das Buch „Semmering, Rax, Schneeberg. Die schönsten Wanderungen in den Wiener Alpen“, Styria Verlag, 192 Seiten, 23 Euro
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