„Ingrid. Ich bin die Reise!“

„Ingrid. Ich bin die Reise!“
Ingrid Bahrer-Fellner (1958–2021) berichtete als Reise-Journalistin mehr als zwei Jahrzehnte von exotischen Destinationen. Stets weltoffen und hochkompetent brachte die langjährige Ressortleiterin den KURIER- Leserinnen und -Lesern die Welt nach Hause. Erinnerungen an eine Berufsreisende und Reiselustige

Auf einem Fischmarkt in der Bretagne hielt ein Verkäufer den anwesenden Reise-Journalisten einen frisch gefangenen Seeigel hin. Ingrid Bahrer-Fellner liebte Meeresfrüchte und löffelte als Erste, ohne eine Sekunde zu zögern, den nach Seetang schmeckenden Leckerbissen aus der Schale.

„Das war Ingrid. Immer auf der Suche nach originellen Urlaubsideen für ihre Leser. Sie liebte es, unbekannte Facetten zu erkunden, Land und Leute hautnah kennenzulernen.“ Dieses Zitat stammt aus der Rede des damaligen französischen Botschafters in Wien, der ihr 2015 die „Médaille du Tourisme“ für ihr langjähriges und hochwertiges Wirken für die Förderung des Tourismus nach Frankreich überreichte. Frankreich, das war ihr Lieblingsland, „ihr zweites Zuhause“, erinnert sich Christel Sarry. Sarry war siebzehn Jahre lang Pressesprecherin bei Atout France und unzählige Male gemeinsam mit Ingrid auf Frankreich-Tour.

Die Liebe zu Frankreich begann schon sehr früh: Beim ersten Urlaub am Meer, mit siebzehn Jahren in Juan les Pins an der Côte d’Azur, genoss sie das Art de Vivre und war vom französischen Lebensstil fasziniert. Sie erstand oft Kunstwerke als Erinnerung an Begegnungen, erzählt Sarry. „Für mein Frankreich-Haus in Wien“, wie Ingrid ihr lachend erklärte.

„Ingrid. Ich bin die Reise!“

Ingrid Bahrer-Fellner war ab Juni 1995 im KURIER-Reise-Ressort tätig, ab 2013 als Ressortleiterin. Sie war stets auf hochwertige Berichterstattung bedacht, wollte mit originellen und luxuriösen Adressen überraschen, Reiselust wecken.

Ob in Kolumbien, Myanmar, Westkanada oder – Frankreich durfte ja nie fehlen – in Bordeaux und der Normandie: Jörg Redl, Reiseveranstalter von Raiffeisen Reisen, war unzählige Male mit Ingrid unterwegs „und bis zum Schluss gut mit ihr befreundet“. Redl erinnert sich an Ingrids erste Reise nach Nordindien 2009. „Sie wollte die Tour unbedingt machen. Aber eine Indien-Reise, ohne Tiger zu sehen – sagte sie mir schon vor dem Wegfahren –, geht gar nicht!“ Dann, am Ende der Reise zum Ranthambhore-Nationalpark, war es so weit. „Wir konnten die Tigerin ,Lady of the Lake‘ sichten, Ingrids Wunsch war erfüllt worden.“ Die letzte gemeinsame Reise führte mit dem Rocky Mountaineer Zug durch die verschneiten Berge Westkanadas. Im Gegensatz zum Tiger blieb ihr die Sichtung eines Grizzlybären versagt.

„Ingrid. Ich bin die Reise!“

„Ihr Wissen in Fachgebieten, die sie interessiert haben, war beeindruckend“, erzählt Yvette Polasek, Präsidentin von Corps Touristique Austria. Die Vereinigung der Tourismusorganisationen verlieh ihr 2018 – als erste Journalistin – den Ehrenpreis des Dachverbands. In der Laudatio wurde ihre Leidenschaft für Luxusschiffe aufgegriffen: „Kreuzfahrten auf den Weltmeeren waren ihr lieber als Kreuzweh auf Weitwanderwegen.“

„Ingrid. Ich bin die Reise!“

Polasek kannte Ingrid seit Jahrzehnten, die erste gemeinsame Reise führte nach Tschechien. „Damals ist sie mir auf Augenhöhe begegnet, obwohl ich der Anfänger war, sie die Journalistin mit Routine. Diesen Umgang habe ich sehr an ihr geschätzt, dass sie jungen Kollegen nie mit Herablassung begegnet ist, sondern offen und hilfsbereit.“ Bei der letzten Reise überraschte Ingrid, als sie „besser als unser Guide allen Teilnehmern erklären konnte, was es mit den kleinen, schwarzen Glasperlen in der Bijouterie, den Rocailles-Perlen, auf sich hat.“

„Als weltoffener Mensch traf sie mit Vorliebe passionierte Menschen, die ihre Leidenschaft lebten“, so Sarry. Oft stellte sie sich Fremden mit den Worten vor: „Ingrid. Ich bin die Reise!“ Ein Leben für das Reisen.

Merci, Ingrid.

von Axel Halbhuber

Es gab etwas, das ich an Ingrid besonders geschätzt habe, sogar bewundert. Du konntest knallhart in sehr deutlichen Worten sagen, was du denkst,  und das Gesagte mit einem großen Lächeln so abschließen, dass man vergaß, sich für die verbale Watsch’n, die man gerade kassiert hatte, zu bemitleiden. Das Thema war durch und es war klar, wohin die Reise geht.

Man braucht diese Eigenschaft, wenn man ein Reiseressort leiten soll. Vorschläge für Geschichten und Ideen, wie sie aussehen können, sind so bunt wie (deine) Côte d’Azur und prasseln auf einen ein wie irischer Regen. Da muss man klar bleiben und schnell entscheiden, das habe ich als Nachfolger in dieser wunderschönen Aufgabe von dir gelernt. Danke dafür, vor allem aber dafür, dass du das „Reisen ist ein Kinderspiel“-Projekt mitbegründet hast.

Vor allem möchte ich mich aber entschuldigen: Als wir vor vier Wochen die 100. Ausgabe KURIER ReiseGenuss gefeiert haben, hast du mir geschrieben: „Axel – ich gratuliere der Redaktion zu zwei Jahren neue Reise/Genussbeilage.  (...) Die heutige 100. Ausgabe – ich glaube, die allererste Ausgabe erschien 1977 oder 1979 – hat mich mit einer Story über Juan les Pins überrascht. Dort habe ich 1975 meinen allerersten Urlaub verbracht. Der Auslöser für meine Liebe zu Frankreich, die bis heute anhält. Schönen Sonntag noch, liebe Grüße Ingrid“.

Anfangs hattest du die neue Beilage mit einer legendären Watsch’n bedacht. Ich freute mich deswegen so sehr, wie versöhnt und zufrieden du in diesen Zeilen mit der Fortführung deines Lebenswerkes geklungen hast. Ich rief dich gleich stürmisch an, erreichte dich nicht – und schob den neuerlichen Anruf immer wieder auf. Man sollte nichts aufschieben.

Bitte verzeih mir das und lass es dir jetzt gut gehen. Wir werden auf jeder einzelnen Reise das Glas auf dich heben und uns Erinnerungen erzählen – über eine wahre Reisende. Danke! Axel

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