Karibik-Insel Jamaika: Wo James Bond begann
von Karl Riffert
Eine Fahrt auf einer alten, schmalen Landstraße durch die Blue Mountains auf Jamaika. Hier, 150 Kilometer südlich von Kuba, wächst der beste Kaffee der Welt. Die steinernen Randsteine stammen noch aus der britischen Kolonialzeit und die Landschaft voller grüner Berge, die bis zu 2.200 Meter hoch werden, ist atemberaubend schön.
Es ist erstaunlich. Man denkt bei Jamaika an das herrlich blaue Meer der Karibik, an makellose Sandstrände, an Montego Bay und Negril, an Rastafari, Reggae und Bob Marley, aber das wirklich Besondere sind die dicht bewachsenen Blue Mountains, die erst in der Dämmerung in ein pastellfarbenes, geheimnisvolles Blau getunkt werden. Das Ziel unserer kleinen Expedition ist der Geburtsort eines Jahrhundert-Phänomens, der Heilige Gral der Bond-Fans. Seit 69 Jahren sorgt Ian Flemings fiktiver Geheimagent James Bond für volle Kinokassen. Vier Milliarden Menschen haben schon mindestens einen Film mit 007 gesehen, und über 100 Millionen Bücher mit den Bond-Abenteuern wurden bislang verkauft.
Bonds Geburtsort
Begonnen hat alles nicht in London, sondern im milden Klima der Karibik, an der Nordküste Jamaikas bei Oracabessa, in einem eher unspektakulären Bungalow, freilich mit Traumaussicht und privatem Strand. Mit 43 schrieb Ian Fleming hier seinen ersten Bond-Roman „Casino Royal“, 13 weitere sollten folgen.
Bonds Schöpfer war im Juli 1943 zum ersten Mal nach Jamaika gekommen. Fleming, damals 35, arbeitete für die britische Marineabwehr und sollte vor Ort versuchen, eine Strategie gegen deutsche U-Boote zu finden, die zu jener Zeit in der Karibik sehr erfolgreich britische Schiffe versenkten. Obwohl es die ganze Zeit in Strömen regnete, verliebte sich Fleming sofort in Jamaika und er vertraute einem Freund an: „Wenn wir diesen verdammten Krieg gewonnen haben, werde ich mich auf Jamaika niederlassen. Ich werde diese Insel genießen, im Meer schwimmen und Bücher schreiben.“ Tatsächlich kaufte sich der künftige Thriller-Autor 1946 ein Stück Land mit eigener Bucht und ließ einen Bungalow mit riesigen, glaslosen Fenstern bauen. Er nannte sein Zweit-Haus in den Tropen nach einem Geheimplan der britischen Abwehr zur Verteidigung Gibraltars „Goldeneye“.
14 Jahre lang verbrachte Fleming, der nach dem Krieg in London für den Kemsley-Zeitungskonzern arbeitete, hier jedes Jahr nach Weihnachten drei Monate. Als Auslandsressortchef der Sunday Times, dessen Eigentümer mit seiner eigenen Oberschicht-Familie befreundet war, konnte sich Fleming über einen beneidenswerten Arbeitsvertrag freuen: drei Monate Urlaub pro Jahr und ein Salär von 18.700 Euro pro Monat (umgerechnet und nach heutigem Geldwert) plus ein monatliches Spesenkonto von knapp 2.100 Euro. Da bestellt man schon gerne mal eine Flasche Dom Perignon und reichlich Beluga-Kaviar. Aber Bonds „Vater“ konnte nicht nur gut schreiben, er war auch fleißig. Am Ende seiner dreimonatigen Jamaika-„Urlaube“ flog er jedes Mal mit einem fertigen Bond-Manuskript zurück an die Themse.
Fleming, der in seiner Familie als Taugenichts und Frauenheld galt und von seinem steinreichen Bankiersgroßvater enterbt worden war, erwies sich also als disziplinierter Romanschreiber. Sein Gärtner Ramsey Dacosta erinnert sich in einem Gespräch für das KURIER FREIZEIT-Magazin, das in Goldeneye geführt wurde, an Flemings Arbeitsweise.
Der „Commander“, wie er sich vom Personal nennen ließ, sei jeden Morgen nach dem Aufstehen weit hinaus ins Meer geschwommen. Dann habe er gefrühstückt, und zwar immer Rührei. Er arbeitete oft im Freien oder aber im Haus bei heruntergelassenen Jalousien. Täglich drei Stunden, 2000 Worte. Fleming schrieb immer vorwärts, keine Korrekturen, kein Lesen des Geschriebenen – redigiert wurde erst später in London. Dazu 80 Zigaretten und gegen Ende seines Lebens eine Flasche Gin pro Tag. Der Geheimagent 007 war Flemings Alter Ego und durfte alles, was Fleming selbst nach seiner Hochzeit 1952 nicht mehr erlaubt war und was ihm auch wegen seines Alters und seiner schwindenden Gesundheit nicht mehr möglich war. Während James Bond unsterblich scheint, starb Ian Fleming schon mit 56.
Seine Villa Goldeneye ist heute ein separierter Teil eines Luxusresorts, das dem Plattenproduzenten Chris Blackwell gehört, der einst Bob Marley, Cat Stevens, Grace Jones, Bryan Ferry, U2 und viele andere Weltstars produzierte. Die Küste wiederum ist jener Landstrich, an der Christoph Kolumbus 1492 bei der „Entdeckung“ Jamaikas entlang gesegelt war. Kolumbus notierte damals begeistert, dies sei die schönste Insel der Welt, ein Paradies.
Auf Bonds Spuren
Hier also, nahe Oracabessa, dem einst größten Bananenhafen Jamaikas, findet man mit Glück eine schmale Einfahrt durch ein Wäldchen. Kein Schild, kein Hinweis führt zu Goldeneye. Dennoch wird Flemings Villa gerne gebucht. Für 13.000 US-Dollar die Nacht. Zu den regelmäßigen Gästen zählt Gordon Sumner, besser bekannt als Sting, der hier seinen Hit „Every Breath you take“ schrieb. Auch Daniel Craig und die Crew des neuesten Bond-Films verbrachten fünf Tage auf Goldeneye. „Keine Zeit zu sterben“ ist nach „Dr. No“ (1962) und „Live and Let Die“ (1973) die dritte Bond-Produktion auf Jamaika. Gedreht wurde vor allem in dem verträumten Örtchen Port Antonio im Nordosten Jamaikas. Hier gab es bislang keinen Massentourismus, es ist ein Stückchen Jamaika, in dem die Zeit stehen geblieben ist. Aber vielleicht ändert der kommende Bond-Hype alles.
Viele Drehorte der Bond-Filme kann man auch heute noch auf Jamaika besuchen. Zum Beispiel den kolonialen Liguanea-Club (gesprochen: „Liganii“) in Kingston, den Bond-Fans aus der Anfangs-Sequenz von „Dr. No“ kennen. Sean Connery alias 007 saß hier, um den Tod des MI6-Agenten John Strangways aufzuklären.
In Morgan’s Harbour beim einstigen Piratennest Port Royal finden Bond-Fans eine hübsch gelegene, aber renovierungsbedürftige Dreisterne-Herberge mit pompösen Namen, das Grand Port Royal Hotel, wo Bond in „Dr. No“ den einheimischen Fischer Quarrel anheuert, um mit ihm nachts mit einem Boot nach Crab Key, der geheimnisvollen Dr. No-Insel, zu fahren.
Nicht weit von Kingston in Falmouth kann man das Jamaica Swamp Village besuchen, jene Krokodil-Farm, wo Roger Moore in „Live and let die“ (1973) tollkühn und in Anzug mit Krawatte auf lebende Krokodile im Wasser springt, um ans Ufer zu gelangen. Tatsächlich wurde an der spektakulären Szene drei Monate gearbeitet und ein Stuntman namens Ross Kananga sprang für viel Geld fünf Mal auf echte Krokodile – und wurde einmal gebissen. In Montego Bay, im Luxusresort Half Moon Bay, das lange von einem Österreicher geführt wurde, im Cottage Nr. 10, hat für denselben Film Roger Moore nicht nur eine schöne Frau verführt, sondern musste auch mit einer hochgiftigen Schlange fertig werden.
- Strawberry Hill. Unser Favorit. Traumhaftes Refugium mit 14 Gästevillen, Restaurant, Pool, tropischem Garten und Spa in den Blue Mountains hoch über Kingston. Musikstars wie die Rolling Stones, Bob Marley, Kate Moss, Grace Jones, Cat Stevens, Snoop Dog haben hier schon geschlafen. Drei Nächte (Minimum) ab insgesamt rd. 920 Euro. strawberryhillhotel.com
- Goldeneye Resort. Das Mekka für James Bond-Fans. Weitläufige Anlage in einer romantischen Lagune. Die einfachste Kategorie sind luxuriös ausgestattete „Strandhütten“ ab rd. 1.460 Euro für drei Nächte. goldeneye.com
- Riu Palace Hotel in Montego Bay. Jamaika erschwinglich. Moderne Hotelanlage mit gutem Preis-Leistungsverhältnis für Pauschaltouristen. Das beste der Riu-Hotels auf Jamaika. Mehrere Restaurants, großzügige Zimmer, schöner Strand. 6 Nächte in der Juniorsuite all inclusive mit Flug ab Wien ab 1.963 Euro/Person. tui.at
- Geejam Hotel in Port Antonio. Eines der luxuriösesten Hotels Jamaikas hoch über dem Drehort des neuesten Bond-Abenteuers. Dank eines eigenen Tonstudios zählten Stars wie Björk, Common, Drake, Rihanna, John Legend oder Gwen Stefani zu den Gästen. Nichts für Kinder. Ab 1.290 Euro für insgesamt drei Nächte (Minimum). geejamhotel.com
Auf die Spuren von Moores Jamaika-Abenteuern kann man sich auch in den Green Grotto Caves begeben, ein Höhlensystem, das man für 20 US-Dollar besichtigen kann, und das genau in der Mitte zwischen Ocho Rios und Montego Bay liegt.
Das begehrteste Bond-Touristenziel auf Jamaika ist jedoch jener magische Strand, wo Ursula Andress als Honey Rider in „Dr. No“ anmutig aus dem Wasser stieg und so zur Film-Ikone wurde. Die Masse der Bustouristen, die wie Honey Rider in den Wasserfall-Kaskaden planschen möchten, wird nach Dunn’s River gebracht. Der ist auch schön und man darf darin baden. Der echte Drehort aus „Dr. No“ am Strand von Laughing Waters und von Pearly Beach ist zwar ganz in der Nähe, aber in Privatbesitz und nur für Betuchte oder besondere Gruppen zugänglich (Eintritt: 1.000 US-Dollar).
In der Welt der Spione ist eben nicht alles echt. Da hilft nur ein Wodka-Martini. Natürlich geschüttelt, nicht gerührt.
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