Die Beatles in Hamburg: Die ganz andere Stadtgeschichte

Mal mit Gitarre, mal mit Ukulele: Tourguide, John- Lennon-Fan und Musikerin Stefanie Hempel schmettert „Hey Jude“, beäugt von den Beatles
Am 10. April 1970 trennten sich die Beatles. 50 Jahre später beginnt ihre Karriere in Hamburg jeden Samstag von vorne: Eine strahlende Frau mit Ukulele und Gitarre erinnert an die Fab Four, führt singend zu Schauplätzen, an denen die Karriere der Pilzköpfe begann.

Es kann  peinlich  werden: Eine Anfang-Vierzigerin erklärt ergrauten Beatles-Fans die Bandgeschichte und schmettert zwischendurch Hits der Fab Four zur Ukulele – „bitte mitsingen!“ Bei so was haben sich schon etliche Cover-Bands im Ton vergriffen. Nicht so Stefanie Hempel. Nach ihren ersten Akkorden von „Please, please me“ ist klar: Die gebürtige Mecklenburgerin hat auch diese Gruppe mit toller Stimme und Charme erobert. Gesundheitsschuhe der Gäste wippen im Takt, ihre Besitzer singen den  Refrain  „oh yeah“ mit. Mit diesem sympathischen Auftakt hat Stefanie das „Ticket to ride“ bei ihren Gästen gelöst, gespannt erwarten sie nun ihre Geschichten.

Auf dem Beatles-Platz kamen sie an, im Sommer 1960, Milchbubis mit Elvis-Tolle und  Lederjacken, zum ersten Mal von zu Hause weg. Nur weil zwei andere Liverpooler Bands absagten, wurden die Beatles engagiert. „Mit Schlagzeug“ stand im Vertrag. Hatten John, Paul, George und der damals zur Band gehörende Stuart Sutcliff aber nicht. Weshalb sie kurzerhand ihren Kumpel Pete Best zum Hamburg-Trip überredeten, denn er hatte kurz zuvor wenigstens ein paar Trommeln und Becken geschenkt bekommen. Stefanie  erzählt das weder im Stile einer allwissenden Diplom-Beatologin noch mit Star-Heiligenschein, sondern sympathisch augenzwinkernd, und zeigt dazu Fotos in einer Mappe.

Die Beatles in Hamburg: Die ganz andere Stadtgeschichte

Der Beatles-Platz mit den Fab Four als glänzende Metall-Silhouetten

Nächster Stopp: „Große Freiheit“. Hier lagen drei der vier Clubs, in denen die Beatles von Rock-’n’ Roll-Rüpeln zu Pop-Talenten reiften.  „Am 17. 8. 1960 betraten die Beatles die Bühne des ‚Indra‘. Es war ihr erstes Deutschland-Engagement und der Beginn einer großen Karriere“, steht etwas pathetisch auf einer Tafel am roten Backsteinhaus. Stefanie rückt das gleich augenzwinkernd zurecht – mit dem Hinweis auf ein vergilbtes Plakat: „Anspruchsvolle Entkleidungsrevue“. „Die war die Rettung der Beatles“, sagt Hempel, „hatten sie doch damals gerade für eine Stunde eingeübte Titel und waren froh, dass eine Stripperin ihnen bei den ersten Konzerten  Verschnaufpausen verschaffte, denn die Band musste meist von sieben Uhr bis frühmorgens spielen, angetrieben vom fiesen Klubbesitzer Bruno Koschmider.“ Die Beatles-Expertin garniert die Geschichte mit einer Strophe von „Rock ’n’ Roll-Music“ auf ihrer Ukulele, dem Lieblingsinstrument von George Harrison. Ihre  Gruppe  singt mit und pilgert weiter zum „Kaiserkeller“, der zweiten Beatles-Bühne und dem  „Star-Club“-Erinnerungsstein gegenüber.

Stefanie Hempel erzählt vom Haus der Fotografin und Pilzkopf-Erfinderin Astrid Kirchherr, wo die Beatles sich  sattessen und duschen durften,  vom Geschäft, wo die Band ihre Instrumente kaufte und von den  ersten Studioaufnahmen   – „erstmals mit Ringo Starr am Schlagzeug“, eine historische Wegmarke in der Bandgeschichte mit Hamburg-Bezug. Stefanie Hempel ist selbst Sängerin, ist 1998 fürs Studium an der Musikhochschule nach Hamburg gekommen, vor allem aber, weil sie in der Stadt leben wollte, in der die Beatles „erwachsen wurden“, wie John Lennon es einst formulierte.

Angesteckt mit dem Beatles-Virus wurde die Mecklenburgerin schon als neunjähriges Mädchen. Damals, in den Achtzigern, tönten aus dem Familien-Kassettenrekorder  meist die „Puhdys“, weil Stefanies Vater der Zahnarzt dieser Ost-Band war. Eines Tages aber ging der Dentist musikalisch fremd und legte „A Collection of Beatles Oldies“ ein. Bei „She loves you“ war’s um Stefanie geschehen – sie verliebte sich unsterblich in John Lennon, obwohl der schon sechs Jahre tot war, fing sie an, Songs für ihn zu schreiben, „alles Liebeslieder für John“. Heute zeigt sie gelegentlich ein Foto, auf dem sie als Elfjährige zu sehen ist – heulend vor Glück, weil sie zu Weihnachten 1988 eine John-Lennon-Biografie geschenkt bekam.

Verliebt in John Lennon

Bis heute hat Stefanie eine besondere Beziehung zu John Lennon. Die Idee zur Beatles-Tour fiel ihr an seinem Geburtstag, dem 9. Oktober, ein. Sie machte sich auf die Suche nach Schauplätzen und Zeitzeugen. Zu ihrer Überraschung musste sie ziemlich stöbern, stieß aber bald auf Ulf Krüger, einen Musiker und Beatles-Sammler. Er und Uwe Blaschke besitzen reichlich Fab-Four-Raritäten. Viele davon waren im – leider wieder geschlossenen – Beatles-Museum zu sehen: Der Auftrittsvertrag der Beatles im „Top Ten“ (40 Mark pro Kopf und Nacht), ihre handgeschriebenen Lebensläufe (Johns Lebensziel: „Reich werden“) und Ringos Postkarte an die Oma –  mit Rechtschreibschwäche: „The wether hear is not to bad. The people hear are ok.“

Krüger kannte die Fab Four gut und gab bereits vor fast 20 Jahren einen kleinen Reiseführer heraus, mit dem man den Spuren der Beatles folgen kann – wenn auch nicht zu allen Zielen der Bandgeschichte in Hamburg, wie etwa der längst abgerissenen Ernst-Merck-Halle. Dort traten die Beatles 1966 während ihrer „Blitz-Tournee“ auf. Die Kritikerin des Hamburger Abendblatts schrieb: „Man muss es klar sagen: Das, was die Beatles fabrizieren, ist tatsächlich Musik.“ Und es war der Sound, der Hamburg seit Beginn der 1960er-Jahre endgültig zur Musikstadt reifen ließ: Klar, vorher gab es schon singende Schauspieler wie Hans Albers, Heidi Kabel  oder Freddy Quinn. Nun aber schallt es über die Reeperbahn: „Die Zeit der Dorfmusik ist vorbei!“ Es entsteht die sogenannte Hamburger Szene, zunächst mit Beat-Bands wie den Rattles mit Achim Reichel. In den 1970er-Jahren reifen in Hamburg Stars wie Vicky Leandros, Mary Roos und Udo Lindenberg, in den 1980ern beginnt Dieter Bohlen hier seinen Aufstieg zum Pop-Titanen. Heute punktet die Musik-Stadt Hamburg vor allem mit Konzerten in  der Elbphilharmonie, in  Musical-Theatern sowie mit Konzerten in unzähligen Clubs  rund um die Reeperbahn.

Seit 2004 gibt es Stefanie Hempels Beatles-Tour dort schon. Manch ein „Mitläufer“  gesellt sich aber auch einfach dazu, ohne zu zahlen. So wie dieser seltsame Typ mit Kapuzenpulli und Sonnenbrille an einem Sonntag im Jahr 2014. Hempel erkennt ihn sofort. Es ist Bob Dylan. Während sie „Twist and Shout“ singt, orgelt ihr Hirn durch, was sie nun mit diesem Überraschungsgast macht. Ansprechen? Durchdringend anschauen, damit er sich vielleicht zu erkennen gibt? Ignorieren? Sie entscheidet sich für die letzte Variante, und bald verschwindet der Literaturnobelpreisträger und Superstar wieder.

Die Tour
Stefanie Hempels dreistündige Beatles-Tour startet in der Regel von April bis November jeden Samstag um 18 Uhr an der U-Bahnstation Feldstraße und kostet 32 Euro (zzgl. Vorverk.geb.) Infos und Karten unter hempels-musictour.de

Auskunft
hamburg-tourism.de

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