Private Paradiese: Her mit dem grünen Daumen!
Meister der Heckenschere können sich an den Gärten des Schlosses von Eyrignac (oben) im französischen Périgord abschauen, was alles geht. Aber dazu müsste man Platz haben. Viel Platz.
Wir leben zwar in einem Land der Gärtner. Aber eine Spur kleiner. Zwei von fünf Österreichern verfügen über eine eigene Grünfläche, das ergab eine vom Gartenfachhändler Bellaflora in Auftrag gegebene Studie. Immerhin. Der Garten variiert dabei vorwiegend von der Fläche eines Vorgartens (30 m²) bis zu halben Fußballfelddimensionen (3.500 m²).
Nur wenige können aus dem Vollen schöpfen und wie Designer und Architekt Matteo Thun vor Venedig gleich eine ganze Insel als Gartenlandschaft gestalten. Macht nichts. Auch ein paar Nummern kleiner ergeben sich genügend Möglichkeiten, der Welt einen grünen Daumen zu zeigen. https://www.matteothun.com
Der stürmische Drang nach draußen ist nach dem langen Winter sicher groß. Ebenso die Versuchung, einem der angesagten Gartentrends zu folgen. „Machen Sie Ihren Garten zum Urlaubsziel 2021“, heißt es da etwa. Oder: „Machen Sie Ihren Garten zum Selbstversorger-Garten.“
Unter die Lupe genommen
Gute Idee, eine Ecke für ein Beet ist schon reserviert. Ein eigener Vogelgarten ist auch angedacht. Isabelle Van Groeningen, am größten Botanischen Garten der Welt ausgebildet, den Kew Gardens bei London, rät dennoch zur Bestandsaufnahme, bevor man sich ans Werk macht. „Haben Sie Ihren Garten in letzter Zeit genauer unter die Lupe genommen?“, animiert sie uns, den Wohnraum im Freien erst zu inspizieren. „Oft hat man nicht bemerkt, dass die Sträucher so stark gewachsen sind, dass kein natürliches Tageslicht mehr ins Haus gelangt.“
Erst dann sollte man sich einen Ruck geben und sich entweder in „Edward mit den Scherenhänden“ verwandeln. Oder in einen Blumenkaiser. Und, nicht vergessen: „Es ist wichtig, dass Sie Ihrem Instinkt folgen. Denn Sie müssen mit Ihrem Garten leben, sich darin wohlfühlen und glücklich sein.“
Flower Power
Wohlfühlen. Gutes Stichwort, denn ob nachhaltiger altmodischer Bauerngarten im Landhausstil oder minimalistisch-zeitgenössischer Garten mit geringem Pflegeaufwand, man sollte die Momente im Garten genießen. Der Trend zum Smart Garden mit Rasenmäherroboter und Bewässerung nach App hilft dabei, keine Frage.
Dennoch ist gerade im Frühling noch Zeit, sich Gedanken über die Gestaltung zu machen. Und da gibt uns Isabelle Van Groeningen, Leiterin der Gartenschule der Königlichen Gartenakademie in Berlin, Grundsätzliches mit auf den Weg. „Innerhalb eines Gartens ist es wichtig, Kontraste zu schaffen“, betont sie. „Dunkel und hell, offen und geschlossen, still und belebt, große und kleine Blätter, geradlinige und runde Blätter.“ https://www.koenigliche-gartenakademie.de
Im Auge des Betrachters
Die belebende Kraft der Blumen werde noch intensiver, wenn das Auge des Betrachters dabei Unterstützung bekommt. Die Expertin: „Linien helfen, Struktur zu geben und den Blick auf einen visuellen Spaziergang zu lenken.“ Leichter gesagt als getan. Aber Gartenbesitzer ohne allzu großes Geschick brauchen nicht verzagen. So wie hierzulande Gärtnereien helfend zur Seite stehen, bietet auch die Königliche Gartenakademie – eine Autorität in allen Gartenbelangen – einen Service an, der Interessenten einen Schritt näher zu ihrem Traumgarten bringen soll: das 1-Euro-pro-m²-Design-Konzept.
Gut, man sollte schon einen Garten mit einer Fläche von mindestens 500 m² haben, um hier vorstellig zu werden. Persönlich aufkreuzen muss man hingegen nicht. „Einige dieser Treffen haben wir in letzter Zeit per Zoom-Meeting gemacht“, sagt Van Groeningen. „Die Kunden kommen mit Aufmaß, Bildern, Fragebogen und Storyboard. Für viele reichen dieser Masterplan und eine Skizze. Sie gehen damit zu ihrer Gartenbaufirma oder führen es meist selber aus.“
Mit einer Skizze hat auch ein Riesenprojekt erste Form angenommen, dass dem Büro von Matteo Thun & Partners übertragen wurde: Eine "vergessene" Insel vor Venedig in einen pulsierenden Park mit Hotel zu verwandeln.
Im Jahr 2015 wurde das JW Marriott Venice Resort & Spa eröffnet. Vom direkten Blick auf den Markusplatz bis zum Park mit erhabenem Wohlfühlfaktor spielt es alle Stückerl. Matteo Thun: „Statt die Natur zu zwingen, dort zu gedeihen, wo sie nicht hingehört, respektieren wir sie und überlassen es ihr, sich natürlich zu entwickeln. Wir nennen es botanische Architektur.“
Unter dem Stichwort „nachhaltiges Gärtnern“ liegt das auch dort, hoch im Kurs, wo grünes Gras und Wasser Seltenheitswert haben. Die preisgekrönte Landschaftsplanerein Kamelia Zaal aus Dubai etwa bestätigt, dass in den Arabischen Emiraten nachhaltige Gärten voll im Trend liegen. "Und das ist gut so. Unser knappstes Gut ist Wasser, und wir müssen das für die Planung unserer Städte und Landschaften berücksichtigen." https://www.kamelia.ae
Keine Frage der Grösse
Eine Frage an die Expertin: Was benötigen moderne Gärten? Kamelia Zaal: "Ein Garten ist die Ausweitung des Wohnraums, kann also alles vom Minimalismus bis zum Dschungel repräsentieren. Was ihn besonders macht, liegt in der Qualität der Details und der Materialien – auch der Pflanzen und Bäume."
Kann auch ein kleiner Garten eine Art Paradies darstellen? "Absolut. Hier geht es nicht um Größe, sondern darum, was ein Garten in den Menschen bewirkt, die darin leben."
Dafür muss man auch keine Luftschlösser bauen. „Egal, wie groß Ihr Garten ist“ verspricht Naturteichspezialist Peter Reinisch aus Tattendorf bei Baden, „in fast jedem Garten ist Platz für eine Wasserquelle oder einen Zierteich, der sich harmonisch ins Gesamtbild einpassen lässt.“
Damit die Flucht aus dem Alltagsstress perfekt gelingt.
Wer gerne gartelt, schaut bei anderen gerne über den Gartenzaun. Wie machen die das? Was pflanzt der an? Und wieso wird das bei der so prächtig und bei mir nicht?
Selbst bei meisterlich angelegten imperialen Parks oder Barockgärten wie bei Schloss Schonbrun oder Schloss Hof lassen sich Inspirationen holen. Oder auch bei der Vereinigung "Great Gardens of the World". Ob historische Gärten wie die "Herrenhäuser Gärten" in Hannover oder eine moderne Gartenkomposition wie Radicepura in Italien, zumindest virtuell lassen sich diese botanischen Anlagen erkunden. https://www.greatgardensoftheworld.com
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