Die Geschichte der Plateauschuhe - und wieso ein Comeback ansteht
Plateauschuhe sind seit Jahren modemäßig schwer in Mode. Und es sieht so aus, als würde sich das so schnell nicht ändern. Klobige Sachen lassen sich nur schwer entfernen. Während die Kids weiterhin mit weißen Socken in Sneakers mit dicker Gummisohle stehen, flanieren die Damen im Herbst offenbar wieder mit Mary-Jane-Plattform-Heels. Zumindest verraten das - wie die Presse entdeckt hat - Bilder von der neuen "Sex and the City"-Fortsetzung. Serienfigur Carrie geht demnach auf hohen Sohlen. Und der Sex-Kolumnistin mit dem astronomischen Gehalt wurde ja nachgesagt, sie wisse immer, was gerade Sache sei.
Rein historisch gesehen hinkt Mimin Sarah Jessica Parker dem Trend aber gewaltig hinterher.
Denn schon im antiken Griechenland trugen Schauspieler im Amphitheater Schuhe mit dicken Sohlen aus Kork. Damit sollten sie besser gesehen werden. Der hellenischen Damenwelt gefiel das ausnehmend gut. Wenn sie schon keine Frauenrollen spielen durften, so übernahmen sie zumindest die Treter der Theaterwelt. Weniger aus freien Stücken trugen die Frauen im arabischen und asiatischen Kulturraum klobige Schuhe mit hohen Hartholzsohlen. Das unbequeme Schuhwerk sollte "Frauen an eigenmächtigen Gängen außer Haus hindern - eine Art Keuschheitsgürtel für die Füße", weiß der Spiegel zu berichten.
Gegen Straßendreck und im Hamlet
In Europa kamen Plateaus in der Renaissance ab dem 15. Jahrhundert auf. Ursprünglich sollten umschnallbare Holzsohlen die teuren Schuhe vor den Grauslichkeiten, die sich damals auf den Straßen türmten, schützen. Davon inspiriert, machte sich aus Spanien die "Chopinen" - Schuhe mit hoher Korksohle - auf, den Kontinent zu erobern. Und sie haben es sogar bis in William Shakespeares Hamlet geschafft, wie der Spiegel weiß. "Eure Ladyschaft befindet sich näher am Himmel als damals", bemerkt der Dänenprinz dort zu einer Schauspielerin, "als ich Euch erhöht sah durch Chopinen".
In Venedig, wo man das Außergewöhnliche immer schon liebte, waren auf einmal Schuhe mit bis zu 70 Zentimeter hohen Absätzen modern. Die Damen konnten sich dann nur mehr noch abgestützt an Dienern bewegen. Aber in Venedig liebte man immer auch das Lasterhafte. Und die dortigen Kurtisanen zogen sich diese Dinger auch an - so konnten sie hervorragend Freier von der Ferne ausmachen. Der gute Ruf war dahin.
Nördlich der Alpen ließ man derartiges gar nicht erst einreißen. In der Nürnberger Kleiderordnung von 1562 war das Tragen bei Androhung von Strafe verboten. Und im England des 16. Jahrhunderts konnte ein Mann die Ehe annulieren lassen, wenn ihn die Braut mit Chopinen unterm Kleid eine falsche Größe vorgetäuscht hatte.
Holzschuhe in Japan
In Japan haben sich unabhängig davon Geta-Sandalen aus Holz entwickelt, die eigentlich auch dazu dienen sollten, den Dreck fernzuhalten. Es gibt unterschiedliche Modelle, die von unterschiedlichen Gruppierungen getragen wurden. Jene, die Kurtisanen anhatten, wurden niemals von Geishas (die eben kein Prostituierten waren) getragen.
Während die Plateaus sich in der traditionellen japanischen Gesellschaft lange hielten, waren sie in Europa ein paar Jahrhunderte nicht zu sehen. Zu schlecht war ihr Ruf geworden. Zarte Wiederbelebungsversuche gab es ab den 1930ern als Strandschuh für Damen. Wie schon im Mittelalter wollte man nicht unbedingt staubige Zehen bekommen. Ab den 40ern schickte man in Paris Sandalen mit Korkabsätzen über die Laufstege.
Bei den Herren waren höhere Schuhe wegen eines Tabus kein Tabu. Mann wollte nicht klein sein. Daher waren etwa TV-Programmhefte voll mit Anzeigen für Lift- oder Aufzugschuhe, wie die Süddeutsche berichtet. Die machen um ein paar Zentimeter höher. Wer die anzog, war in guter Gesellschaft. Humphrey Bogart bekam beim Dreh von "Casablanca" Plattform-Absätze angeschnallt. Er sollte nicht kleiner aussehen als seine Partnerin Ingrid Bergmann.
Der starke, große Mann. Die zarte, verletzliche Frau. Damit war es dann aber bald einmal vorbei. Ab den späten 60er- und frühen 70er-Jahren waren die Plateauschuhe wieder da. "Sie unterstrichen mit ihren starken Formen die sexuelle Emanzipation und Freiheit der Frau, als Gegenpol zu den zarten, verletzlichen Pumps der frühen 60er-Jahre", schreibt die Vogue.
Ziggy Stardust und Kiss
Und kurz darauf setzte auch die sexuelle Befreiung des Mannes ein. David Bowie spielte als Ziggy Stardust mit einer angeblichen Homosexualität und zog sich hohe Schuhe an. Andere Glam-Rocker zogen mit. Die New York Dolls ginge in Dragqueen-Läden einkaufen. Und auch die Mannen von Kiss ließen es nicht nur pyrotechnisch, sondern auch fußtechnisch krachen.
Auch in verschiedenen Subkulturen tauchen die Schuhe mit Plateau immer wieder auf. Die Anhänger der Gothic-Szene schlüpften mit kühler Begeisterung in ganz hohe Stiefeln - oft auch mit großen Schnallen, die von der Fetisch-Szene übernommen wurden. Das wiederum inspirierte etwa Punk-Pionierin Vivienne Westwood. Diese schickte Naomi Campbell bei ihrer Show 1993 in Paris extrem hohe, geschnürte Plateaustiefeln auf den Laufsteg. Das Top-Model stolperte und fiel hin.
Das sollte übrigens später immer mal wieder auf den Runways der Welt vorkommen, dass die Damen wegen hoher Absätze umknickten und trotzdem einen bemüht ernsthaften Gesichtsausdruck aufsetzten.
Anfang bis Mitte der 90er steppten neben dem Bär auf einmal auch Sneaker mit Plateau-Sohlen auf den Tanzböden der großen Raves. Die Buffalo Boots waren da - die dann ein paar Jahre später schwer in Verruf kommen sollten. Was wenige wissen: angestoßen hat den Trend der schrille Frankfurter Techno-DJ Sven Väth, der mit dem Buffalo-Gründer befreundet war. Väth war damals der Szene-Superstar und was er machte, setzte Trends bei jungen Menschen.
Die damals bei wohl noch jüngeren Menschen - hauptsächlich Mädchen - schwer angesagten Spice Girls entdeckten ebenfalls die Buffalos. Und zeigten der Welt, dass man auch mit 10 bis 15 Zentimeter hohen Sohlen hyperaktiv herumhopsen kann. In den späteren Neunzigern waren die Schuhe omnipräsent, bevor sie nur mehr noch auf deutschen Privatsendern in Nachmittags-Talkshows und in Großraum-Discos zu sehen waren. Dann hatte die Modewelt eine Weile genug davon.
Ab den 2010ern tauchten die hohen Absätze zwar spärlich - wenn sie es dann taten, umso brutaler auf. Vielfach waren sie von der Fetisch-Szene inspiriert, waren sehr hoch und waren voll von glänzendem Lack. Wenn es um Anklänge aus der Lack- und Leder-Ecke geht, ist Lady Gaga immer vorne dabei. Und doch ist eins gleich geblieben: Wie auch die Lebemenschen im vergangenen Venedig musste sie schon beim Gehen gestützt werden.
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