Peter Kraus und sein „Seiltanz zwischen Rebell und lieber Schwiegersohn"
Für sein Lebenswerk wird Peter Kraus heute die Platin-ROMY verliehen. Im Interview erzählt er spannende Details aus Leben und Karriere - und von Rock ’n’ Roll, Eifersucht, Oldtimern und einem Kuss mit Cornelia Froboess.
Irgendwann im Laufe des Interviews sagt Peter Kraus einen Satz, der zunächst nicht auffällt und erst später seine Wirkung vollends entfaltet: „Ich möchte einfach ich sein, und ich glaube, das war mein Vorteil.“ Sich selbst treu geblieben zu sein, keine Trends kopiert zu haben, authentisch aufzutreten: All das sieht der Tausendsassa als sein Erfolgsrezept an. Erst reüssierte der heute 82-Jährige als Schauspieler, dann, als der Rock ’n’ Roll in den Fünfzigern auch zu uns schwappte, als der „deutsche Elvis“.
Ein Teenie-Idol – das bis heute hüftschwingend über die Bühne fegt. Wie Cornelia Froboess, mit der er erfolgreiche Streifen wie „Conny und Peter machen Musik“ drehte, wird er heute mit der Platin-ROMY des KURIER für sein Lebenswerk ausgezeichnet. „Jede Auszeichnung ist toll, und die ganz besonders. Auch, weil sie in eine Zeit fällt, in der man keinen Kontakt zu seinen Fans hat“, sagt er. „Jetzt ist das genau das Richtige für Seele und Herz.“
freizeit: Evergreen, Junggebliebener, Legende – welche Bezeichnung ist Ihnen die Liebste?
Peter Kraus: Junggebliebene Legende klingt eigentlich ganz gut. Kann man lassen (lacht).
Ihre Frau sagte einmal, Sie wären ein Rastloser. Sehen Sie sich treffend beschrieben?
Ich muss immer was unternehmen. Daraus sind fünf Abschiedstourneen entstanden, diese Einstellung bezieht sich aber nicht nur auf den Beruf. Der Satz „Was machen wir jetzt?“ fällt bei mir am Tag sicher zehn Mal. Da muss dann was passieren. Die Ruhe und der Frieden, Zurückziehen und Ausruhen, das liegt mir nicht.
14 Tage am Strand liegen, eine Horrorvorstellung für Sie?
Entsetzlich. Es gibt eine Geschichte, die das gut illustriert: Einmal kauften meine Frau und ich in Lugano Gartenmöbel. Vier Wochen später sagte sie zu mir: „Heute bist du zum ersten Mal dringelegen.“ Ich möchte immer was tun. Ich habe eine Liste, was ich bei Regen mache. Und eine für Tage, an denen die Sonne scheint.
Er kam, sang und siegte hieß eine der ersten Schlagzeilen über Sie. Sogar mit Elvis Presley wurden Sie verglichen. Haben Sie’s da nicht mit der Angst zu tun bekommen?
Nein. Nicht, dass ich dachte, ich wäre genauso gut wie er. Aber ich hatte damals wahnsinnig großes Selbstvertrauen (lacht). Alles war damals neu: die Musik von Elvis, Bill Haley oder Gene Vincent war etwas völlig anderes als Swing oder Jazz. Wir wussten gar nicht, wie man so Gitarre spielt. Bei meiner ersten Platte gab’s keinen Gitarristen, der solche Soli beherrscht. Ein Wiener Schrammelmusiker hat das für uns dann schnellstens erlernt.
Der Rock ’n’ Roll eroberte unsere Breiten – und ist nicht überall sofort auf Gegenliebe gestoßen.
Der Vergleich mit Elvis war ein schöner Start. Als Phänomen wurde er allerdings anfangs nicht gefeiert, ist vom „Spiegel“ gnadenlos verrissen worden. Über mich schrieben sie, jetzt gibt’s in Deutschland auch so was, nur ist der ein bisschen sympathischer. Dass die Jungen ihre eigene Musik bekommen sollten und auch bekamen, war vielen zuwider.
Sie waren damals auch aufmüpfig.
Man konnte Rebell sein, sofern es möglich war. In Deutschland und Österreich war es allerdings ein bisschen anders als in Amerika. Dort konnte man richtig Rock ’n’ Roll sein, egal, was die Leute sagen. Ich musste dagegen auch meinen Vertrag erfüllen. (lacht). Für mich war es immer ein Seiltanz zwischen Rebell und lieber Schwiegersohn. In diesem Feld musste ich mich bewegen, um erfolgreich zu sein.
Geplant war Ihre Karriere so nicht, richtig?
Es war nicht mein Ziel, Rock ’n’ Roller zu werden. Ich hatte Theater gespielt, Filme gedreht, wollte ein anerkannter, ernsthafter Schauspieler werden. Schöne Filme drehen, maximal bis ich 30 bin, danach als Regisseur hinter die Kamera wechseln. Ich dachte nicht, dass der Rock ’n’ Roll mein Leben bestimmen wird. Dass diese Musik Bestand haben wird, war damals für niemanden absehbar. Meine Pläne hat das ganz schön über den Haufen geworfen.
1958 spielte der Rock ’n’ Roll-Pionier Bill Haley im Berliner Sportpalast ein berüchtigtes Konzert, es gab Ausschreitungen. Sie waren dabei. Wie haben Sie es erlebt?
Bill Haley hat nur noch ein Riff gespielt, bamm-bamm, bammbamm-bambambam, ununterbrochen. Dann kamen plötzlich die Roadies, haben sich alle Instrumente und Lautsprecher geschnappt – und die ganze Band ist abgegangen. Ein voller Sportpalast und der Haley sagt nicht einmal auf Wiedersehen. Ist einfach weg, es ist aus und die Bühne leer. Natürlich sind da Flaschen geflogen und wurden Stühle zertrümmert. Letztlich stellte sich ein Feuerwehrmann mit Wasserschlauch auf die Bühne. Und hat jeden, der sie stürmen wollte, abgespritzt. So kann man natürlich Krawall erzeugen. Imponiert hat mir das allerdings nicht.
Sondern?
Mir hat das nicht gefallen, ich habe das nicht positiv in Erinnerung. Ich dachte: Wenn das nur Krawallmusik ist, mache ich das nicht weiter. Ich weiß noch, ich habe mich mit Bill Haley darüber unterhalten. Der hat ja richtig auf diese Eskalation hingearbeitet. Haley hat gesagt, in Amerika sei das einfacher, da spielen wir hinter einem Netz. Da stört es einen nicht, wenn die Flaschen geflogen kommen ...
In Ihren Filmen mit Cornelia Froboess ging es friedlicher zu. Wie erinnern Sie sich an die Zusammenarbeit mit ihr?
Die Chemie zwischen uns hat sofort gestimmt – mit ein Grund, warum unsere zwei Filme so erfolgreich waren. Auch proben mussten wir deshalb nie. Ich habe mit Partnerinnen gedreht, mit denen ich nicht gleich klargekommen bin, das musste sich erst einspielen. Doch wir beide verstehen uns bis heute sehr gut. Wenn wir uns sehen oder telefonieren, haben wir einen Riesenspaß, das ist dann einfach herrlich. Wir sind kein Liebespaar geworden, was bestimmt ein Vorteil war (lacht). Sie ist das weibliche Teenager-Idol geworden, ich zur selben Zeit das männliche. Das hat uns verbunden.
Sie haben ihr den ersten richtigen Kuss ihres Lebens gegeben, wie sie einmal verraten hat.
Dass so was passiert, war ich ja alleine schon meinem Image schuldig (lacht).
Ziemlich selbstbewusst gingen Sie dabei vor. Sie haben sie gefragt, ob sie denn schon einmal richtig geküsst worden sei.
Wenn du rund um die Uhr von Mädchen verehrt wirst, hältst du dich natürlich für den Allergrößten, ist doch klar. Ich habe das als Aufgabe gesehen. Ich konnte nie flirten wie im normalen Leben, ich musste ja ein gutes Image hinterlassen. Musste eine Leistung bringen, denn ich war ja ein Idol, ein Mädchenschwarm.
Ihre Frau Ingrid ist seit mehr als 50 Jahren an Ihrer Seite. War’s manchmal auch schwer mit Ihnen?
Ich glaube nicht; meine Frau ist auch viel zu intelligent, als dass sie mir das zeigt. Mit Sicherheit war sie manchmal eifersüchtig, aber sie hätte den Teufel getan, deswegen eine Debatte loszutreten. Meine Frau ist ein absoluter Glückstreffer. Aber wer so emsig gesucht hat wie ich, der muss auch belohnt werden (lacht). Da muss man dann auch dazu stehen, muss man nicht mehr Rock ’n’ Roller sein. 52 Jahre sind wir verheiratet, immer ohne Streit, stets voller Harmonie.
Sie haben sich in Wien kennengelernt. Wie lief das ab?
Ich habe Theater gespielt, an den Kammerspielen. Zum ersten Mal im Leben war ich gezwungen, für längere Zeit einen festen Wohnsitz zu haben. Nicht wie mit meiner Freundin, die ich lange Zeit in Schweden hatte (die Sängerin Lill-Babs, Anm.), wo man sich traf und kurz darauf wieder im Flugzeug saß. Ich war in einer Stadt und alles andere plötzlich gar nicht mehr so wichtig. Ingrid hat mir Wien gezeigt, wir haben uns langsam angenähert. All das waren wohl Gründe, warum es mit uns so gut geklappt hat. Von unserem Kennenlernen im Lokal „Schaukelpferd“ gibt es zwei Versionen ...
Welche bevorzugen Sie?
Die bessere. Sie saß mit zwei anderen Fotomodellen an einem Tisch. Ich habe mir das Gästebuch geben lassen, bin zur ihr gegangen, habe mich als Geschäftsführer vorgestellt und sie gebeten, sich einzutragen, um so ihren Namen zu erfahren. So haben wir uns kennengelernt – Ingrid behauptet allerdings, es sei etwas anders abgelaufen (lacht). Sie war damals jedenfalls auf Plakaten in ganz Wien zu sehen. Überall, wo ich mit meinem Sportwagen unterwegs war, war ihr Gesicht zu sehen. Ich war begeistert.
Sportwagen und Oldtimer, eine andere Leidenschaft von Ihnen. Immer schon?
Ja, Autos haben mich bereits als junger Mann fasziniert. Das soll jetzt nicht traurig klingen, aber in Berlin konnte ich damals eigentlich nirgends hingehen. Ich war überall bekannt und in einer Clique unterzutauchen, wäre mir als arrogant ausgelegt worden. Ich war eigentlich „einsam“. Also wurde es mein Hobby, in der Nacht mit dem Auto herumzufahren. Wie ein Wilder! Gegen Peter Vogel (öst. Schauspieler, Anm.) bin ich so manches Rennen gefahren. Das war gut für die Seele.
Ihr Lieblingsmodell?
Mein AC Ace Bristol D2. Ich bin mit ihm viele Rallyes gefahren. Meinen Jaguar SS 100 habe ich einem Freund verkauft. Mit den Autos bin ich bis nach Sizilien gefahren oder ans Nordkap. Für mich ist das erholsam, es hat nichts mit Raserei zu tun, auch wenn das Auto sehr sportlich aussieht. Das Schöne am Oldtimer-Fahren ist ja, du fährst langsamer als alle anderen und glaubst, du bist dreimal so schnell (lacht).
Sie schrauben nicht nur an Ihren Autos herum, sondern sind überhaupt ein begeisterter Bastler.
Das war schon als Kind so, nach den Hausaufgaben habe ich Flugzeuge gebastelt. Heute kann es passieren, dass ich einen Grill konstruiere und baue. In meinem früheren Haus in Salzburg habe ich die gesamte Badezimmereinrichtung selbst gedrechselt.
Heute pendeln Sie zwischen Wohnsitzen am Luganersee und der Südsteiermark.
Wir haben stets gesagt, wenn wir älter sind – ich sage immer: reifer – kehren wir nach Österreich zurück. Es hat sich glücklich ergeben und ich fühle mich sehr wohl hier. Wir wohnen in einem klassischen alten Bauernhaus, haben einen Weingarten. Manfred Tement stellt für uns Wein her.
Liegt’s am Wein, dass Sie so vital sind?
Dafür habe ich kein Geheimnis. Meine Frau kümmert sich um eine vernünftige, gute und sehr gesunde Ernährung. Gesund bedeutet aber nicht Müsli zu essen oder auf Fleisch zu verzichten, sondern Qualität. Ansonsten bin ich gerne aktiv. Statt dem Aufzug gehe ich Stiegen. Zwei Stunden lang im Fitnesscenter zu trainieren und danach vor dem Fernsehkastl zu versauern, das ist für mich der falsche Weg.
Und wie geht es Ihnen in dieser Zeit der Lockdowns und Quarantänen?
Ich habe das gut überstanden, weil ich zu den Glücklichen gehöre, die einen schönen Wohnsitz haben. Bin ich am Weinberg, hält sich die Tragik in Grenzen. Schlimm ist es vor allem für jene, die sich das nicht leisten können. Oder die Rituale wie den Stammtisch-Besuch pflegen. Das hatte ich nie. Ich muss auch nicht jedes Jahr nach Mallorca fliegen. Ich war einmal dort, hab mir’s angeschaut und das war’s.
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