Betty macht pretty

85 Jahre und immer noch gefragt. Betty Halbreich ist die erste Adresse, wenn es um Stilfragen geht – vor allem für Stars wie Sarah Jessica Parker und Glenn Close. Seit vierzig Jahren ist sie die „Personal Shopperin“ des New Yorker Luxuskaufhauses Bergdorf Goodman. Jetzt wird sie selbst zum Fernsehstar.

Es gibt glücklicherweise auch junge Frauen, denen ihr Styling weitgehend egal ist. Eine davon dürfte Lena Dunham sein. Die 26-jährige Erfinderin und Hauptdarstellerin der Fernsehserie „Girls“ interessiert sich weder in ihrer Rolle als Hannah Horvath noch privat für Fashion. In „Worst dressed“-Rankings hat sie immer die Nase vorn. Ausgerechnet sie verfilmt nun das Leben einer ausgesprochenen Mode-Ikone. Und was sagt die Mode-Ikone dazu?

Betty Halbreich, die erste „Personal Shopperin“ des New Yorker Luxuskaufhauses Bergdorf Goodman hat Amerikas wichtigste Frauen eingekleidet. Lena Dunham aber, die nun das Leben der Betty Halbreich verfilmt, brauche ihre Tipps nicht, sagt die souveräne 85-Jährige. „Lena will nicht von mir eingekleidet werden. Sollte sie auch nicht. Sie ist okay, so wie sie ist“, sagte Halbreich unlängst in einem Interview. Das beschreibt trefflich die Quintessenz dessen, was für die Fashion-Ikone „Stil“ bedeutet: Persönlichkeit. Und die kann man bekanntlich nicht kaufen. Man hat sie, oder eben nicht. Ein starker Charakter wie Lena Dunham ist gerade deshalb so cool, weil er auf Styling-Tipps verzichtet und sich sichtbar nicht von Diät-Vorschriften beeindrucken lässt. In Hollywood wird Dunham als neue feministische Vorzeigefrau gefeiert. Gemeinsam mit „Girls“-Produzentin Jenni Konner arbeitet Dunham nun an einer Serie über Betty Halbreich, legendäre Mode-Expertin des New Yorkers Fashion-Tempels. Die Serie basiert auf Halbreichs Memoiren „All Dressed Up and Everywhere To Go“. (Auf Deutsch ist derzeit nur Halbreichs „Der Fashion Guide – Geheimtipps aus der Modewelt“ erhältlich).

Dass die TV-Serie eine Komödie wird, liegt auf der Hand. Das scharfe Auge und die spitze Zunge der Betty Halbreich sorgen für Pointen. So erzählt der Designer Isaac Mizrahi in dem Dokumentarfilm „Scatter my Ashes at Bergdorf’s“ wie Halbreich zu einer zögernden Kundin sagt: „Kaufen Sie das. Es ist zwar nicht optimal, aber weniger schrecklich als das Outfit, in dem Sie gekommen sind.“ Überhaupt: Die Stilberaterin findet grundsätzlich, dass Frauen nicht mehr angemessen angezogen sind. Die Stilfrage ist ein Thema, das sie schon ihr ganzes Leben beschäftigt: Kaum konnte sie stehen, wühlte sich Klein-Betty bereits durch den Kleiderkasten ihrer Mutter und hat seither nicht mehr aufgehört, mit Mode zu experimentieren und dafür zu sorgen, dass die Welt – zumindest in Stilfragen – eine bessere wird. Geboren und aufgewachsen in Chicago, gründete Betty Halbreich 1976 ihren Shopping-Service, und trotz der Freiheit, ehrlich zu sein, macht sie heute mit der New Yorker Shopping-Institution Bergdorf drei Millionen Dollar Umsatz im Jahr. Die zarte, doch energische Dame mit dem aparten Kurzhaarschnitt ist die Shopperin des Vertrauens der mittlerweile dritten Generationen Manhattaner Society-Größen, darunter Stars wie Meryl Streep, Sarah Jessica Parker und Glenn Close. Was gerade „in“ ist, ist ihr dabei völlig egal: „Was Mode betrifft, glaube ich an die Dauerhaftigkeit. Gewissermaßen behandle ich Kleidungsstücke manchmal wie Gemälde. Je älter sie sind, desto besser werden sie.“ Und man sieht es ihr an: Statt des letzten Schreis wählt sie auch für sich lieber klassische Eleganz „with a Twist“.

Das Wichtigste sei, sich in seiner Kleidung wohlzufühlen. Alles andere sei eine „Themenverfehlung“, ist auf Halbreichs Facebook-Seite nachzulesen. Sie könne, schreibt sie dort, sich ebenso schnell in den Kopf eines Kunden versetzen wie seine Körpermaße erkennen – auf einen Blick. Ihr Büro bei Bergdorf’s sei wie eine „Arztpraxis“.Lobende Worte findet die persönliche Einkäuferin für einen besonderen Schützling: Englands Königin Elizabeth II. kleide sich in einer Art und Weise, die ihren Untergebenen ein Gefühl der Ruhe vermittle. „Die Königin ist in ihren eigenen Stil hineingewachsen. Sie sah immer ziemlich altbacken aus, aber jetzt hat sie ihren Hut von Philip Treacy und die Handtasche – von der wir alle wissen, dass nichts drin ist, nicht mal die Schlüssel des Palastes“, erzählte Halbreich dem Telegraph. „Ihre Art sich zu kleiden, hat etwas Friedliches. In einer verrückten Welt ist es ziemlich entzückend.“ Halbreichs Stilrezepte haben sich bewährt: „Hinter jeder erfolgreichen Frau steht Betty Halbreich“, schwärmt Halbreich-Fan Isaac Mizrahi.Die HBO-Serie (derzeit wird am Pilotfilm gearbeitet) ist nicht Halbreichs erstes Zusammentreffen mit dem Show-Biz: Die stets akkurat geschminkte Lady arbeitete oft als Beraterin für Film und Fernsehen. Unter anderem ist sie mitverantwortlich für den einzigartigen Look der Kult-Serie „Sex and the City“. Trotz aller Vintage-Trends, die auch in „Sex and the City“ verbreitet werden (unter anderem versuchte Halbreich, den Look der frühen New-York-Filme von Woody Allen wieder zu beleben) ist eines klar: Dass Stil rein gar nichts mit Geld zu tun hätte, kann man nicht behaupten. Mitarbeiter berichten, wie Betty Halbreich mit breitem Grinsen von gerade abgeschlossenen 60.000-Doller-Deals erzählt. Schonungslose Ehrlichkeit – siehe oben – kann sie sich trotzdem erlauben. Schließlich ist sie fix angestellt und arbeitet nicht auf Honorar-Basis. Jeder kann zu Halbreich kommen und sich beraten lassen, sagt die Mode-Ikone. „Ich bin da, um zu helfen. Gratis. Bloß die Kleider kosten etwas.“

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