Oldtimerparade de luxe: Wo, bitte, geht's hier zur Mille Miglia?
Für einen Neuanfang ist es nie zu spät; auch nicht bei einer Veranstaltung, die erstmals 1927 ausgetragen worden ist. Willkommen bei der Mille Miglia, einer der berühmtesten Motorsportveranstaltungen der Welt.
Nicht nur, dass der traditionelle Start in Brescia heuer vom Mai in den frühsommerlichen Juni verlegt wurde, diesmal führt die 1.000-Meilen-Strecke gegen den Uhrzeigersinn nach Rom – und zwar via Viareggio. Von Rom zieht die prestigeträchtige Oldtimer-Karawane am dritten Renntag nach Bologna. Um am vierten Tag erneut in Brescia in der Lombardei zu landen.
Der Route zu folgen, ist kein Problem. Man muss sich nur nach dem roten Pfeil, der "freccia rossa", dem Wahr- und Kennzeichen der Mille Miglia orientieren. Tausende Schilder säumen die Straßen. Wie viele Autos die Zielflagge passieren werden? Schwer zu sagen, am Start stehen jedenfalls 375 Rennwagen. Dreihundertfünfundsiebzig! Dagegen ist das nur 20 Wagen umfassende Starterfeld der Formel 1 wirklich mehr als überschaubar. Und total eintönig. Bis auf die Farben und die um Millimeter anders eingestellten Front- und Heckflügel schauen sich moderne Boliden eigentlich ziemlich ähnlich.
Diversität auf Rädern
Bei der Mille Miglia hingegen herrscht 2021 Diversität wie bei einer Regenbogenparade. Hier rittert ein stromlinienförmiger Jaguar D-Type mit dem Schlachtschiff Oldsmobile Super 88 und dem Leichtgewicht Lotus Eleven um die Wette. Zwischendurch wird vermutlich immer wieder einer aus einer Armada italienischer Fabrikate an die Spitze preschen. Egal, ob das nun ein Ferrari ist, ein Maserati, ein Alfa Romeo, ein Fiat, ein Lancia oder ein Abarth, für die meisten Zuseher am Straßenrand zählt nur eines: Hauptsache, die Motoren klingen nach cuore sportivo.
„Schönstes Rennen der Welt“
Als die Mille Miglia noch ein reines Autorennen war, nannte Enzo Ferrari diese Veranstaltung das „schönste Rennen der Welt“. Nach einem schrecklichen Unfall 1957 und dem Neustart 1977 wird der durchwegs sportliche Langstreckenklassiker als herausfordernde Oldtimer-Veranstaltung geführt. Aber egal, welche Ära der „MM“ man betrachtet, Österreicher bewiesen darin stets Mut. Siehe Gotfrid Köchert.
Als Spross der Wiener Juwelierdynastie vom Neuen Markt mischte sich der sportliche Lebemann 1956 mit einem damals brandneuen Porsche Spyder unter die Teilnehmer. Seine erste Wettfahrt mit Renn-Lizenz. Beim Wendepunkt in Rom lag der Neuzugang im Motorsport an sensationeller vierter Stelle der Gesamtwertung. Bis zum Finale hielt der „James Dean Porsche“ zwar nicht durch, aber als Köchert seine Fahrt knapp vor Florenz mit Getriebeschaden beenden musste, hatte er immerhin die zehnte Stelle inne.
Neustart
Bei der Neuauflage der Rallye, der Mille Miglia Storica, ist nur die Teilnahme von Fahrzeugen erlaubt, die auch bei der originalen Mille Miglia zwischen 1927 und 1957 für einen Start zugelassen waren. So ergibt sich ein illustres Feld von Oldtimern mit Motoren zwischen 50 und 250 PS. Vom bezahlbaren Liebhaberstück Lancia Aurelia bis zum sündteuren Ferrari 250 GT ist alles dabei, was die Faszination Automobil ausmacht. Da es um Gleichmäßigkeit geht und nicht um Höchstgeschwindigkeiten, haben auch „Spuckerl“ mit wenig Power ihre Chance. Natürlich nur, falls sie es das ein oder andere Mal über die diversen Pässe schaffen, die entlang der Route liegen.
Vor drei Jahren kam ein Team aus Österreich immerhin auf Platz 57 in der Gruppe 3, allerdings auf einem betont sportlichen Fahrzeug mit einer Raubkatze als Logo. Heuer befinden sich acht Österreicher unter dem von Russen bis Mexikanern international besetzten Teilnehmerfeld. Die meisten davon als Pilot oder Beifahrer eines Gefährts mit italienischen Genen. Einer davon als Co-Pilot einer echten Rennfahrerlegende: Franz Steinbacher.
Alles auf Abarth
Der frühere Rennmechaniker bei Abarth wird Arturo Merzario die Strecke ansagen. Ja, jenem Mann, der Niki Lauda aus dem brennenden Ferrari gerettet hat. Toi, toi, toi!
Franz Steinbacher, rüstiger Oldtimer-Experte mit Wohnsitz im niederösterreichischen Wolkersdorf, kennt alle Kurven und Etappen zwischen Brescia und Rom aus dem Effeff:. „Ich war gerade einmal zehn Jahre alt, als ich Herrn Abarth kennengelernt habe“, erzählt der Autoenthusiast mit einschlägigem Vorleben, der so nebenbei auch noch einen hervorragenden Sekt herstellt - den Steinbacher Velsecco.
Als Neffe des damaligen Generalimporteurs der italienischen Automobilmarken Cisitalia und Abarth in Österreich stand für Steinbacher bald fest, dass auch er ein Schrauber und Tüftler werden wolle.
Von 1962 bis 1968 begleitete er die damals erfolgreiche „Squadra Abarth“ als Rennmechaniker auf den unterschiedlichsten Rennstrecken. Später heiratete er mit Riki ein Castrol-Girl. Und jetzt nimmt er zum insgesamt dreizehnten Mal an der Mille Miglia teil, selbstverständlich mit einem Auto mit dem Skorpion im Logo – einem Abarth.
„Abarth ist das Synonym für kleine, aber leistungsstarke Automobile“, sagt er. Und freut sich schon auf zwei Premieren dieser Rallye. „Entgegen dem Uhrzeigersinn bin ich noch nie gefahren. Als Co-Pilot von Arturo Merzario auch nicht. Zum Glück hat er eine gute Figur. Denn in diesen kleinen Autos wird’s schnell eng.“
Unten sehen Sie wie klein Sportwagen früher waren: Franz Steinbacher im blauen Fiat Abarth 750 Zagato neben dem KURIER-Fotograf Franz Gruber. https://steinbacher.eu
Neben der 1906 erstmals ausgetragenen Targa Florio gelten die „Tausend Meilen“ in Norditalien als Klassiker unter Langstreckenrennen auf öffentlichen Straßen. Seit der Premiere 1927 gewannen fast nur Italiener auf Fahrzeugen aus Turin oder Modena.
1955 starteten erstmals Autos mit Dieselmotoren: Der Innsbrucker Mercedes-Händler Helmut Retter holte sich mit Walter Larcher auf einem 180 D den Klassensieg. 1957 forderte ein Unfall eines Teilnehmers auch unter den Zusehern mehrere Opfer und setzte den Schlusspunkt für das Autorennen zwischen Brescia und Rom. 1977 wurde es als Oldtimer-Rallye wiederbelebt.
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