Eine andere, Patricia Gucci, steht der neu entfachten Aufmerksamkeit hingegen skeptisch gegenüber. Ihr Vater Aldo, immerhin von Jahrhundertschauspieler Al Pacino verkörpert, würde als „kleiner, übergewichtiger Kleinkrimineller“ dargestellt, dabei sei dieser der „Inbegriff von Eleganz“ gewesen. Überhaupt: Die Korrektheit der Vorlage zweifle sie an. Sie selbst, die ein Buch über ihre Familie schrieb, habe Angebote zur Verfilmung stets ausgeschlagen: Aus Angst, der Wille zum Profit würde die realen Ereignisse verzerren.
Mit dem Erfolg begann der Krieg
Doch was real ist und was nicht, ist in dieser Geschichte schwer zu unterscheiden. Zu unglaublich, zum Kopfschütteln wahr ist sie, ein blutfunkelnder Schandfleck in einer erfolgsgestylten, im Luxus badenden Jetset-Welt. Mit „House of Gucci“ nimmt sich Regie-Altmeister Ridley Scott („Blade Runner“) des heimgemachten Mordkomplotts im Modehaus an. Gedreht wird in Mailand, Florenz, Rom, Gressoney-Saint-Jean und am Comer See. Und gibt damit auch den Blick frei auf eine zutiefst gebeutelte Familiendynastie.
Ihr Aufstieg begann mit dem Großvater Maurizios, lange bevor dieser in einem braunen Kamelhaarmantel vor seinem Büro in der Mailänder Via Palestro in einer Blutlache lag: Guccio Gucci. Der Sattlermeister gründete 1921 in Florenz die kleine Firma mit dem (später erfundenen) ikonischen Logo, das zwei verschränkte G’s zeigt und stellte Lederwaren und Gepäck her. Qualitätsarbeit.
Flugs kamen neue Filialen hinzu. 1947 gelang ihm ein Kunstgriff, der zum Kassenschlager geriet: die Bamboo Bag, eine Damenhandtasche mit Bambusgriff, die der Jetset, von Ingrid Bergman bis Jackie Onassis, liebte. Später wurden Guccis Mokassins ein Hit. Doch mit dem Erfolg – Aldo Gucci, das älteste von Guccios Kindern hatte die Firma übernommen – begannen auch die Machtfehden. Und die wurden nicht mit Faden und Zwirn, sondern mit dem Breitschwert ausgetragen.
Devise: Jeder gegen jeden
Das ging so weit, dass etwa Paolo Gucci seinen Vater Aldo wegen Steuerhinterziehung an die Polizei verriet. Die Folge: Er musste mit 81 Jahren für ein Jahr ins Gefängnis. Paolo und Maurizio zeigten sich gegenseitig an; und zweiterer kämpfte gegen Onkel Aldo um die Firmenmacht. Aufgrund der anhaltenden Zwistigkeiten geriet das Unternehmen schwer ins Trudeln. 1989 verkaufte Maurizio 50 Prozent der Anteile an einen Investor. 1993 musste er auch den Rest veräußern. 1995 wurde er ermordet. Warum?
Gucci hatte sich in die falsche Frau verliebt. Kennengelernt hatte er die ausgehfreudige Schönheit auf einer Party und war hingerissen. Sie nicht so ganz: „Als Erstes brachte ich ihn zum Friseur.“ Maurizios Vater Rodolfo misstraute ihr; dennoch heiratete er sie 1972. Doch Reggiani war vor allem verliebt in den Luxus.
Und den konnte der Gucci-Erbe ihr bieten. In New York residierten sie im Onassis-Tower in einem spektakulären Penthouse. Reggiani lebte ein schillerndes Glamour-Leben, liebte Schmuck und Mode, wurde mit Elizabeth Taylor verglichen. „Ich weine lieber in einem Rolls-Royce“, ließ sie wissen, „als glücklich auf einem Fahrrad zu sitzen.“
Den Mord gab sie aus Kränkung in Auftrag (er hatte sie für eine Jüngere verlassen) und Habgier (sie fürchtete wohl, Maurizio könnte das Vermögen mit seiner Neuen durchbringen). Hass soll nicht im Spiel gewesen sein. „Ich war wütend auf ihn“, sagte sie kürzlich. Sogar ihren Wursthändler hatte sie gefragt, ob der ihr einen Killer vermitteln könne.
Es wurde schließlich eine bizarr zusammengewürfelte Bande, zu der sogar eine Hellseherin zählte. Einer verplapperte sich und so flog zwei Jahre danach alles auf. Reggiani warf einen Pelzmantel über, ließ sich abführen, bekam 26 Jahre Haft. 18 musste sie absitzen. Und genießt jetzt erneut die Aufmerksamkeit.
Die True Story scheint lange genug her für Hollywood und ein hochkarätiges Timepiece. Die Vintage-Looks der Mimen begeistern im Internet. Dass sich nach Maurizios Tod das Hause Gucci, das davor einen gewissen Tom Ford als Chefdesigner engagierte, prächtig erholte, ist Ironie des Schicksals. Heute führt es der revolutionäre Kreativdirektor Alessandro Michele, der den Umsatz verdoppelte, zu neuen Höhenflügen. Gucci, das ist heute keine verstaubte Luxusmarke, sondern jung, hip und Zeitgeist. Nicht mehr exklusiv für den Jetset, sondern für alle. Mode statt Mord, so soll es sein.
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