Die Umsätze sind zwar noch weit weg vom Vorkrisenniveau, dennoch kehren die Kunden hierzulande langsam in die wiedereröffneten Geschäfte zurück. Ebenso wichtig für die meisten Modelabels: In China ist auch die Produktion von Kleidung wieder aufgenommen worden. Denn das Land, in dem die Coronakrise ihren Anfang nahm, ist die unangefochtene Nummer eins in Sachen Textilexport – und somit unverzichtbar für den weltweiten modischen Kreislauf.
Laut Statista betrug dort 2018 der Exportwert für Kleidung 119 Milliarden US-Dollar. Im Vergleich dazu mutet Indien mit 18 Milliarden fast schon wie ein kleiner Fisch an. Nicht nur fertige Kleidungsstücke gehen ins Ausland, sondern vor allem auch Stoffe, die andernorts weiterverarbeitet werden, sowie Zubehör.
Nachdem die Schotten in China dichtgemacht wurden, hat die weltweite Branche darunter gelitten. Ein Schaden, der nicht so schnell wieder gutzumachen ist.
Bittere Erkenntnis
„Sehr viele internationale Designer müssen sich jetzt überlegen, wie sie ihre Kollektionen noch fertigstellen können“, sagt Zigi Mueller-Matyas, eine der Organisatorinnen der MQ Vienna Fashion Week, im Gespräch mit dem KURIER.
Viele Firmen stünden vor dem Problem, dass die finale Produktion in Europa aufgrund der fehlenden Lieferungen der vergangenen Monate zum Erliegen gekommen ist. Es ist eine bittere Erkenntnis über die Tatsache, dass es sich um eine äußerst fragile Lieferkette handelt.
Mueller-Matyas: „Es ist verrückt, wie abhängig alle von China sind. Ausfälle wie dieser zeigen, dass auch die größten und besten Systeme nicht vor Krisen gefeit sind.“
Preisfrage
Die Expertin ist sich sicher, dass dringend ein Umdenken stattfinden muss: „Viele kleine Marken produzieren ausschließlich in Europa, jetzt müssen sich auch größere Labels umorientieren, um künftig den reibungslosen Ablauf ihrer Produktionsketten garantieren zu können.“
Doch das wird sich auf die Preise auswirken. „Kleidung wird dann natürlich teurer werden“, gibt Mueller-Matyas, die auch Mitbesitzerin des Not Another Concept Store in Wien ist, zu bedenken. Ist der Kunde bereit, künftig mehr für sein neues Outfit zu bezahlen? „Wir stellen schon seit Längerem fest, dass die Kunden in unserem Store vermehrt lokales Design nachfragen“, verrät ihr Shop-Manager Rene Schopf. „Und das wird langfristig natürlich nicht nur die Mode betreffen.“
Dass es nicht am Preis scheitern muss, beweist die heimische Designerin Andrea Kerber. Für ihr Label Vis A Vis kauft die Wienerin alle Stoffe lokal ein, genäht wird im Atelier in der Kirchengasse. „Bei mir kostet eine Hose ab 150 Euro“, sagt Kerber. „So manche große Modekette verkauft diese um denselben Preis. Es stimmt also nicht, dass lokale Mode automatisch deutlich teurer ist.“
Günstige Dauerbrenner
Sie beobachtet ebenso, dass regionales Design derzeit mehr denn je geschätzt wird. „Den Kunden wird zum ersten Mal bewusst, welche weiten Wege die Ware zurücklegt – und dass es nicht selbstverständlich ist, dass alles reibungslos funktioniert.“ Sie hofft, dass auch nach der Krise der Griff vermehrt zu heimischer Mode gehen wird.
Am Status Chinas als modische Weltmacht wird das freilich nichts ändern. Denn auch ultragünstige Massenware wird in Zukunft noch zahlreiche Abnehmer finden. „Es wird immer etwas Made in China geben“, weiß Zigi Mueller-Matyas.
Die zu Schleuderpreisen verkauften Kleidungsstücke könnten aufgrund der Coronakrise gar keinen Imageschaden erleiden. „Denn sie haben gar kein Image. Sie sind billig. Dss war’s.“ Dennoch hofft die Expertin, dass die weltweite Branche vor allem eines künftig zunehmend verinnerlichen wird: „Wir müssen global denken, aber lokal handeln.“
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