Alles, was man mit einem Namen versehen konnte, wurde von Trussardi bald bespielt: Schmuck, Parfums, Sonnenbrillen, verschiedenste Modelinien, Inneneinrichtung für Autos wie Alfa Romeo, ja, sogar Zigaretten gab es von der einstigen Ledermanufaktur. 1984 zeigte Nicola seine Modekollektion direkt am Domplatz in Mailand vor riesigem Publikum. Das Image des italienischen Luxus-Lebensgefühls wurde damit einzementiert.
Am Zenit der Expansion traute man sich 1991 sogar an eine Haute-Couture-Kollektion, 1996 eröffnete noch ein Mailänder Restaurant und Café unter dem Logo des Windhundes.
Doch dann kamen die Schicksalsschläge. Nicola starb 1999 bei einem Autounfall, Sohn Francesco übernahm und verunglückte nur vier Jahre später ebenfalls bei einem Verkehrsunfall. Die Firma wurde in Vierteln an Nicolas Frau und die drei verbliebenen Kinder aufgeteilt – Beatrice, Tomaso und Gaia. Erst fungierte Beatrice als CEO, dann Tomaso, der durch Ehefrau und Moderatorin Michelle Hunziker mehr in der Öffentlichkeit steht als seine Schwestern.
Aber gerade, weil man wohl nur in der an sich konservativen Familie verbissen versucht hatte, am Laufsteg jugendlich zu agieren, blieben die Verve und Coolness auf der Strecke. Gaia konnte als modische Kreativdirektorin nicht für den großen Erfolg sorgen. Die Firma verstaubte ab den Nullerjahren zusehends.
Jetzt will man wieder aufholen und überlässt die Verjüngung erstmals einem externen Profi in Form von Sebastian Suhl, der vergangenen Oktober zum CEO ernannt wurde. Er hat schon Givenchy wieder hip gemacht und war zuletzt für Valentino tätig – auch dieses einst so elegante Modehaus wurde radikal verändert. Heute gibt es bei Valentino Streetwear für viel Geld zu kaufen.
Mit Suhl einigte man sich darauf, für Trussardi junge Wilde als Kreativdirektoren anzuheuern. Und zwar Serhat Isık und Benjamin A. Huseby. Die beiden gründeten 2016 ihr eigenes Label GmbH, deren Patchwork-Hosen und Cut-Out-Pullis schnell zum Must-have in der Berliner Clubszene wurden.
Mit ihnen ist ein kontroverser Neuanfang garantiert. Die zwei in Deutschland aufgewachsenen Kinder von Migranten spielen mit der Ästhetik von Arbeitskleidung und sind stark von der Techno-Community beeinflusst. Wie sich diese Kombination mit dem klassischen, um nicht zu sagen biederen Stil von Trussardi vereinbaren lässt, beobachtet die Modewelt nun mit Argusaugen. "Trussardi hat einen Stammbaum und ein enormes ungenutztes Potenzial zu bieten. Die Möglichkeit, das Modehaus neu aufzubauen, ist sehr anziehend für uns", sagen Isık und Huseby zu dem Deal.
Was die Finanzen angeht, hoffen wohl einige antiquierte Modehäuser auf ähnliche Erfolge wie es Hedi Slimane mit dem Luxushaus Yves Saint Laurent vor einigen Jahren vorgemacht hat. Er zeigte sexy Ultraminikleider und Teenie-Garderobe statt Abendroben und verdoppelte den Umsatz der Marke. Auch im französischen Luxushaus Givenchy, das für zeitlose Eleganz à la Audrey Hepburn steht, hat kürzlich Streetstyle-Experte Matthew Williams angeheuert. Er setzt auf viele Promi-Freunde wie die Kardashians, die seine überdimensionalen Taschen und extrem transparenten Kleider bewerben.
Ob die neuen Teile von Isık and Huseby für Trussardi dann auch noch von Tomasos Gattin Michelle Hunziker vorgeführt werden sollen, ist allerdings fraglich.
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