Trendabkehr vom engen Modell: Ist die Röhrenjeans tot?

Eine Frau in Jeans der Marke Ganni steht am Strand, ihre Hose ist mit Sand bedeckt.
Immer mehr Frauen verschmähen den Bestseller. Was die Pandemie damit zu tun hat – und welches Modell der Skinny Jeans den Rang ablaufen wird.

Sich Gedanken zu machen, welches Outfit man tragen möchte, wenn das letzte Stündlein schlägt, mag für die meisten makaber wirken. Andy Warhol war sich jedenfalls sicher: „Ich möchte in meiner Blue Jeans sterben.“

Der Wunsch des exzentrischen Künstlers ging nicht in Erfüllung. Im Jahr 1987 verstarb die Pop-Art-Ikone aufgrund von Komplikationen nach einer Gallenblasen-OP im Krankenhaus. Warhols Liebeserklärung an die Hose aus blauem Baumwollstoff verlor nie an Bedeutung. Die Jeans, einst für Goldgräber erfunden, gehört heute zu den meistverkauften Kleidungsstücken. Durchschnittlich acht Modelle besitzen jede Österreicherin und jeder Österreicher, weltweit wandern pro Sekunde 60 Jeans über den Ladentisch.

Das bei Frauen mit Abstand populärste Modell des vergangenen Jahrzehnts: die Röhrenjeans. Ab Mitte der Nullerjahre hatte sie schleichend so gut wie alle Schnitte abgelöst, die Luft zwischen Haut und Denim ließen.

Lust auf Neues

Jetzt beginnt die Vormachtstellung der Röhrenjeans zu wackeln. In den vergangenen sechs Monaten verzeichnete die Modesuchplattform Lyst eine deutlich steigende Nachfrage nach weiten und ausgestellten Jeans. Von den Laufstegen ist das hautenge Modell verschwunden: Für die aktuelle Herbst/Winter-Saison präsentierten Modehäuser wie Chanel und Celine Denim, das wieder viel Raum zum Atmen lässt.

Auch bei der auf Jeans spezialisierten Marke Closed geht die Kauflaune bei eng sitzenden Schnitten zurück: „Sie waren bei uns immer die Bestseller, die Nachfrage nimmt aber ab“, sagt Johanna Czepalla vom Designteam. „Stattdessen gewinnen die lockereren Modelle an Relevanz.“

Eine Frau mit Cap, Pullover und Baggy Jeans posiert mit einer Stofftasche vor grauem Hintergrund.

Modell "Nolin" von Closed

Gerade bei Kundinnen, die früher ausschließlich zur „Röhre“ gegriffen haben, sei laut der Expertin ein Umdenken zu beobachten: „Sie fangen an, anderes auszuprobieren. Sind offener für Weites oder geradere Schnitte. Es muss nicht mehr extrem feminin sein.“

Das Comeback der Mode der Achtziger- und Neunzigerjahre sei einer der Gründe, die Pandemie habe ihr Übriges zum sinkenden Interesse an körperbetontem Denim beigetragen. Ähnliches beobachtet auch Katharina Fullenkamp, Premium Buyer bei Peek & Cloppenburg: „Der Trend zu mehr Komfort und Lässigkeit, welcher sich schon seit ein paar Saisonen abzeichnet, wurde im vergangenen Jahr nochmals deutlich verstärkt.“

Ein Model präsentiert ein Outfit von Chanel mit Tweedjacke, Jeans und Fellstiefeln.

Herbst/Winter 2021-Kollektion von Chanel

Eine Frau mit Sonnenbrille trägt eine Tweedjacke, weite Jeans und Cowboystiefel.

Weite Jeans bei Celine

Frage der Zeit

Hat somit die letzte Stunde der Skinny Jeans geschlagen? „Sie ist ein Basic, das viele nach wie vor gerne kaufen. Das wird sich nicht so schnell ändern“, glaubt Fullenkamp.

Sowohl die Einkäuferin als auch Designerin Johanna Czepalla sind sich jedoch sicher, dass in den kommenden Jahren der Straight Fit (Anm.: gerade, am Unterschenkel nicht hauteng anliegende Hose) der Skinny Jeans den Rang ablaufen wird. „Die Röhrenjeans wird noch lange nicht vom Straßenbild wegzudenken sein“, glaubt Czepalla. „Ich denke aber, dass sie in den kommenden fünf Jahren vom Straight Fit abgelöst wird.“

Kommentare