Streetstyle-Fotograf Scott Schuman: "Sich gut zu kleiden ist eine Kunst"

Streetstyle-Fotograf Scott Schuman: "Sich gut zu kleiden ist eine Kunst"
Im Interview verrät der New Yorker, welche Fashion-Fauxpas er beobachtet – und warum es trotzdem in Ordnung ist, sich an keinerlei Moderegeln zu halten.

Als Scott Schuman Anfang des neuen Jahrtausends seinen Blog „The Sartorialist“ aus der Wiege hob, stellte er damit das gängige Bild der Modefotografie auf den Kopf. Der US-Amerikaner zeigte online nicht die üblichen perfekt inszenierten Studioaufnahmen, sondern Alltagsoutfits von Frauen und Männern, die er auf der Straße angesprochen hatte. Schuman prägte das, was heute als Streetstyle-Fotografie bekannt ist. Soeben hat der 52-Jährige seinen fünften Bildband veröffentlicht. Die erreichte ihn telefonisch in seiner New Yorker Wohnung, um über das Geheimnis des guten Stils zu sprechen.

freizeit: Herr Schuman, wie kamen Sie vor fast zwei Jahrzehnten auf die Idee, ganz normale Menschen auf der Straße abzulichten?

Scott Schuman: Ehrlich gesagt wollte ich nie Modefotograf werden. Aber schon als Kind habe ich mich für Magazine und Mode interessiert. Erst nachdem meine beiden Kinder auf die Welt kamen, war das Interesse an Fotografie geweckt. Irgendwann habe ich beschlossen, dass das gut mit meiner Leidenschaft für Mode kombiniert werden könnte, wollte aber auf keinen Fall im Studio arbeiten. Niemand hat zu diesem Zeitpunkt jene Menschen auf der Straße fotografiert, die ich als interessant empfand.

Mittlerweile hat sich die Streetstyle-Fotografie ziemlich verändert.

Ja. Als ich damit anfing, kam das Thema Blogs gerade erst auf. Heute gibt es Instagram und jeder, der möchte, kann sich einen Account anlegen und Fotos hochladen. Alle Personen, die ich damals fotografiert habe, waren wie mysteriöse Wesen. Jetzt kann jeder Fotos von ihnen in den sozialen Medien finden. Aber die Leute lieben noch immer diese Art von Aufnahmen, wie man sieht.

Es ist ein regelrechter Hype um diese Art der Fotografie ausgebrochen. Heutzutage wartet bei den Fashion Weeks in New York oder Paris eine Fotografen-Meute auf die Show-Besucher, um sie vor die Linse zu bekommen. Es hat fast den Anschein, dass sich Letztere nur für die Kamera so herausputzen.

Das stimmt. Und es würde mich nicht stören, wenn sie dabei gut gekleidet wären. Aber die meisten dieser Leute ziehen sich nur an, um Aufmerksamkeit zu erregen. In vielen Fällen wollen sie einfach nur zeigen, dass sie Designerkleidung besitzen – und tun das nicht gerade auf originelle Art und Weise. Viele der dort anwesenden Frauen bekommen von den Designern Teile geliehen. Und genau so sieht es in vielen Fällen auch aus: Es fühlt sich wie Werbung an.

Können solche Outfits überhaupt noch als Inspiration für andere dienen?

Vielleicht ziehen sich diese Frauen ja wirklich jeden Tag so an, das weiß ich nicht. Aber es hat meiner Meinung nach nichts mit gutem Stil zu tun, in einem Moment jenes große Modehaus von Kopf bis Fuß zu tragen und kurze Zeit später schon wieder ein anderes. Das sind keine Stilikonen. Aber am Ende des Tages geht es nur darum, was der Betrachter für sich selbst mitnehmen kann. Vielleicht gefällt das Outfit nicht, dafür aber die Farbkombination oder die Art und Weise, wie jemand dasteht.

Ich habe Sie einmal beim Verlassen einer Show-Location in Paris beobachtet. Jene Frauen, die die anderen Fotografen ablichteten, haben Sie ignoriert. Welche Outfits wecken Ihr Interesse?

Ich habe da keine konkreten Vorstellungen, ich lasse mich gerne überraschen. Manche Frauen haben einen sehr dramatischen Stil, andere einen sehr zurückhaltenden. Mein Ziel ist: Wie kann ich ein Foto machen, auf dem die Mode ein wenig darüber verrät, wer diese Person sein könnte.

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