Wie hält man inmitten einer Pandemie Kundschaft bei der Stange, die sich Kleider um sündhafte Summen leisten kann? Diese Woche wurden, wie jedes Jahr im Jänner, die Haute-Couture-Kollektionen für die Frühjahr/Sommer-Saison präsentiert – jedoch ausschließlich digital.
Die gut betuchte Klientel konnte nicht aus aller Welt anreisen, um bereits während der Show in der ersten Reihe sitzend gedanklich die Einkaufsliste zu erstellen. Stattdessen wurden die Laufsteg-Präsentationen aufgezeichnet oder aufwendige Imagefilme kreiert.
Für Letzteres entschied sich Dior-Chefdesignerin Maria Grazia Chiuri. Die gebürtige Italienerin ließ sich für diese Saison von Tarotkarten inspirieren, dementsprechend mysteriös mutet die neue Mode an: Goldener Samt mit Tierkreiszeichen, von Hand bemalte Verzierungen und lange Capes erinnern an eine magische Welt. Firmengründer Christian Dior soll fasziniert gewesen sein vom Tarot. Visionäre Persönlichkeiten haben ihm zu Lebzeiten angeblich vorhergesagt, dass seine Mode die Welt revolutionieren werde. Und behielten recht.
Starbesetzt
Revolutionär auch das, was bei Fendi passiert. Es ist das erste Mal, dass das Traditionshaus eine Neuausrichtung erfährt, seit Karl Lagerfeld im Jahr 1965 als Chefdesigner die Zügel in die Hand nahm.
Kim Jones, der seit vergangenen September als Kreativdirektor der Damenkollektion fungiert, präsentierte seine ersten Couture-Looks. Mit einer Show, die zwar ohne Gäste auskommen musste, jedoch mit umso mehr Prominenz auf dem Laufsteg: Hollywood-Star Demi Moore eröffnete, dicht gefolgt von Topmodel Kate Moss und ihrer Tochter Lila Grace. Mindestens genauso medienwirksam war Jones’ Entscheidung, der normalerweise fast ausschließlich Frauen vorbehaltenen Couturewelt ein paar Entwürfe für Männer zu liefern.
Vorfreude auf Hochzeit
Chanel ließ es sich nicht nehmen, wie immer im Pariser Grand Palais zu präsentieren. Ganz leer blieben die Stühle am Rande des Laufstegs hier jedoch nicht. Zu den Klängen von „Be My Baby“ von Linda Ronstadt verfolgten mit großem Sicherheitsabstand einige Musen des Hauses, darunter Penélope Cruz und Marion Cotillard, die Show. Einen „Festzug ähnlich einer Familien- oder Hochzeitsfeier“ hatte Kreativchefin Virginie Viard im Sinn und stellte ein weißes Zelt auf, in das die Models verschwanden, sowie Blumenbögen.
Wann derlei Feierlichkeiten wieder stattfinden können, ist noch nicht klar. Bis solch kostspielige Kreationen in der Öffentlichkeit ausgeführt werden können, verkürzt Ulyana Sergeenko die Wartezeit mit einem Blick in die Entstehung ihrer Kollektion. Die Moskauerin ließ ein Video produzieren, welches unter anderem die aufwendige Handarbeit hinter der Krestetskaya-Stickerei zeigt, die nur noch an wenigen Orten Russlands beherrscht wird.
Sofort in Paris, der Heimat der Haute Couture, konnten Sergeenkos Kundinnen die aufwendigen Techniken also nicht begutachten. Bestellt nur auf Basis einer Video-Präsentation jemand ein Kleid, das in manchen Fällen bis zu eine Million Euro kostet?
Extra Kundenservice
„Ja“, heißt es auf KURIER-Anfrage seitens Ulyana Sergeenkos Team. „Die meisten unserer Kundinnen müssen wir aktuell online betreuen. Die Vorstellung der neuen Entwürfe mittels Video-Formaten ist die derzeit beliebteste.“ Zusätzlich bereite man für diesen erlesenen Personenkreis extra Bücher vor, in denen die Materialien und Handarbeiten nochmals detailliert erklärt und bebildert werden.
Doch es gebe auch Länder, in die das Team derzeit offiziell reisen dürfe: „Nach Qatar zum Beispiel. Dort sind viele unserer Kundinnen zu Hause.“
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