Humor prägt die Ehe von Hera Lind und Engelbert Lainer, genannt „Engel“. Auf den roten Samtsofas verbringen sie ruhige Abende zu Hause
Mitten in der Salzburger Altstadt hat sie sich mit ihrem Mann einen Ort des Rückzugs und der Kreativität geschaffen. Hier genießt das Ehepaar seine neue, unverhoffte Zweisamkeit.
Nebenan wurde Mozart geboren: Würde man ein Buch über Hera Linds Wohnung schreiben, könnte so der erste Satz lauten. Die 63-jährige Bestsellerautorin, die jedes ihrer Bücher mit dem Wörtchen „Nebenan“ beginnt, wohnt nur wenige Schritte vom Geburtshaus des Komponisten mitten in der Salzburger Altstadt entfernt. Die Liebe zum gebürtigen Saalbacher Engelbert Lainer führte Lind vor zwanzig Jahren zurück in ihre „Traum- und Wunschstadt“ Salzburg, wo sie in den Achtzigern Gesang studiert hatte. Im Sommer ist das immer noch schwer verliebte Paar auf die andere Seite der Salzach übersiedelt und bewohnt seitdem eine Altbauwohnung in einem denkmalgeschützten Haus mit dicken Mauern und verwinkeltem Stiegenhaus aus dem Jahr 1360.
Direkt vor der Haustür herrscht Markt-Gewusel, in den Wohnräumen, die früher Büros waren, behagliche Ruhe: Gelbe Wände, rote Polstermöbel, goldene Accessoires sowie Herzlichkeit und Humor der Gastgeberin sorgen für Wohlfühl-Atmosphäre. „Diese Wohnung war ein Glücksgriff, wir sind superhappy hier“, strahlt Lind und lässt sich auf ihr dunkelrotes Samtsofa im Wohnzimmer fallen.
Möbel mit Geschichte
Die Betonung liegt auf „wir“: Durch Lainers Beruf als Hotelmanager auf Kreuzfahrtschiffen und in Luxushotels, zuletzt etwa Schloss Fuschl, waren es die beiden gewohnt, wochenlang getrennt zu sein. Die Pandemie entpuppte sich als Glücksfall für ihre Beziehung, die 1999 auf einem Luxus-Dampfer im Indischen Ozean ihren Lauf nahm. „Seit Februar sind wir rund um die Uhr zusammen und sehr positiv überrascht. Das hätte auch anders ausgehen können“, schwärmt Lind, während ihr Mann, ganz Hotelier, auf dem Großfamilienesstisch ein spätes Frühstück mit Räucherlachs, Käse und Vitello tonnato kredenzt. Auch die Einrichtung trägt die Handschrift des 65-Jährigen.
Hera Lind und Ehemann Engelbert Lainer: Die Möbel hat er ausgesucht
„Mein Mann hat einen gehobenen Geschmack – ihm kommt kein Stück ins Haus, das einfach nur praktisch ist. Er sagt immer, ohne ihn würde ich immer noch wohnen wie eine Studentin. Nur die warmen Abendrotfarben waren mein Wunsch.“
Und ein Möbelstück, das unbedingt mitübersiedeln musste: Die großzügige Eckbank hat für Hera Lind weniger eine ästhetische als eine emotionale Bedeutung. „Auf dieser Bank sind meine Kinder aufgewachsen. Für mich ist das ein letztes Stück von früher, aus ihrer Kindheit.“
Fotos zeugen vom Familiensinn der vierfachen Mutter und bald zweifachen Oma. Das Gemälde in der Mitte stammt von Waris Dirie – Kunst-Fan Lind ersteigerte es bei einer Charity-Auktion
Heute sind Felix, Florian, Franzi und Fritzi (zwischen 33 und 23) über Deutschland und Österreich verstreut, regelmäßig kommt die Familie in Salzburg zusammen. Bei einer Tasse Tee spricht Lind offen über die schwierigste Zeit im Leben ihrer Familie: Dass sie vor 21 Jahren den Vater ihrer kleinen Kinder, einen Mediziner, für Schiffshoteldirektor Lainer verließ, entfachte einen Medienskandal. Dass zur selben Zeit einige prominente Männer in Deutschland ihre Frauen verlassen haben, empörte kaum jemanden, erinnert sie sich.
Allen Widerständen zum Trotz hielt die Ehe, der familiäre Zusammenhalt ist heute stärker denn je. Besonders glücklich macht Lind ihr erstes Enkelkind, ein kleiner Bub. „Ich bin sehr stolz auf meine Kinder, jedes ist seinen eigenen Weg gegangen. Das ist nicht so einfach, wenn man eine bekannte Mutter hat.“
Wahre Schicksale
Während sich „Engel“, wie Hera Lind ihren Mann nennt, in sein Arbeitszimmer zurückzieht, zeigt die Schriftstellerin, wo ihre Bücher entstehen. In den Regalen hinter ihrem Schreibtisch aus Glas reihen sich all ihre Bestseller aneinander. Mehr als fünfzehn Millionen Bücher hat sie verkauft, dabei entstand das erste aus Langeweile während ihrer ersten Schwangerschaft 1988: „Ein Mann für jede Tonart“ erklomm die Bestsellerliste und machte die studierte Theologin und Germanistin zum Gesicht der unterhaltenden Frauenliteratur.
Nach vielen Erfolgen wuchs der Wunsch, ernstere Themen und wahre Begebenheiten zu erzählen – so erschien 2010 der erste Tatsachenroman, basierend auf der Geschichte eines Mannes, dessen Frau während der Schwangerschaft ins Wachkoma fiel. Monat für Monat flattern viele persönliche Schicksalsberichte in ihren Postkasten, die Lind in ihrem Arbeitszimmer hortet, aus manchen werden Bücher. „Ich lese sie alle mit großem Respekt und Dankbarkeit für das Vertrauen und die Mühe, die sich die Einsender machen. Und ich antworte jedem persönlich.“
An ihrer Traumstadt Salzburg schätzt die Tochter eines Arztes und einer Musikpädagogin die Kunst und Kultur sowie die „traumhafte Umgebung“: „Wir haben in diesem Jahr sicher achtzig Wanderungen gemacht.“ Der Buchhändler ums Eck ist stolz auf die prominente Nachbarin und platziert ihre neuen Bücher (aktuell den Bestseller "Die Frau zwischen den Welten") stets gut sichtbar in der Auslage. „Ich schätze die Freundlichkeit der Salzburger sehr. Ich habe lange in Köln gelebt, das war auch schön – aber wenn du einmal hier warst, willst du nie mehr weg.“
Das weiße Piano „Engelbert“ begleitet Lind seit ihrer Ausbildung zur Konzertsängerin. Und es hieß schon so, bevor sie ihren Mann kennenlernte
Sobald Kontakte erlaubt sind, wird sich ihr Wohnzimmer wieder in eine Romanwerkstatt verwandeln: Vor einem Jahr hatten Hera Lind und ihr Mann die Idee, mehrtägige Schreibseminare mit bis zu acht Teilnehmerinnen in ihren privaten Wohnräumen anzubieten – kulinarische Verpflegung durch Göttergatte Engelbert inklusive (Infos: www.heralind.com). „Ich freue mich sehr darauf, wenn es wieder losgehen kann. Die letzten Male waren das total nette, familiäre Runden. Wenn am Ende jede ihren Text vorliest, bleibt kein Auge trocken.“
Herrscherin über das kreative Chaos: Jeden Monat bekommt die Autorin „einen hübschen Stapel“ an persönlichen Lebensgeschichten zugeschickt: „Ich lese sie alle“
Manchmal setzt sich die Autorin und ausgebildete Konzertsängerin dann sogar an ihr weißes Piano, das so heißt wie ihr Mann – zufällig. „Ich habe das Piano vor vierzig Jahren als Musikstudentin von meinem ersten Geld gekauft“, erzählt Lind und „haut“ in die Tasten. „Wenn dieses Klavier gewusst hätte, dass es einmal zu Mozart ziehen würde ... Jedenfalls nannte ich es ‚Engelbert, der Verstimmte’, weil es so schnell verstimmte – nicht ahnend, dass ich zwanzig Jahre später meinen Traummann Engelbert kennenlernen würde, der niemals verstimmt ist.“
Inzwischen hat „Engel“ (der menschliche) wieder einmal den Tisch gedeckt, dieses Mal mit selbst gemachten, warmen Scones. „Sehen Sie“, sagt Hera Lind und strahlt ihren Mann an, „den geb’ ich nicht mehr her.“
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