Die edelsten Sextoys der Welt und wer sie erfindet
Ein Vibrator um eine Million US-Dollar? Gibt’s!
Auf die Idee kam der australische Schmuckkünstler Colin Burn, nachdem er sich gefragt hatte, ob es möglich wäre, ein richtig anspruchsvolles Luxus-Sexspielzeug zu designen – für Menschen, die das Besondere schätzen. Kronjuwelen dienten als Vorbild, das Modell „Pearl Royale“ entstand (siehe Kasten, Seite 51). Diamonds Are a Girl’s Best Friend.
Da mutet der 24-Karat-vergoldete Vibrator „Inez“ fast wie ein Schnäppchen an. „Läppische“ 12.000 Euro sollte der geneigte Käufer locker machen können, dafür wird das gute Stück vom schwedischen Edel-Sexspielzeug-Hersteller Lelo individuell gefertigt. Ein Solitär, auf den Kunden mindestens 30 Tage warten müssen: So lange dauert es, bis der Goldschatz im Schoß der Beschenkten landet. Aber dann: das große Schnurren, Rolex-Effekt inklusive. Wer das zahlt? „Es sind dieselben Menschen, die sich statt einer normalen Uhr eine luxuriöse Markenuhr kaufen und sich mehr leisten können als der Durchschnittsverdiener“, sagt Natalja Rem, Sales Managerin bei Lelo. Anstelle einer Ming-Vase ziert nun ein vibrierendes Statussymbol das Schlafzimmer-Ensemble – stets zu Diensten, Madame. Man zeigt auch gerne seine Sammlerstücke her.
Intensive und schnelle Orgasmen
Dabei stellt sich die Frage: Was bringt das Bling Bling, rein praktisch betrachtet? Luxus ist in diesem Genre vor allem, was Befriedigung verspricht: schnelle und intensive Orgasmen, die harte Bewährungs-Währung. Dafür wird – mehr denn je – tief in die Tasche gegriffen: „Wir sehen, dass die Menschen bereit sind, im hochpreisigen Bereich einzukaufen – unsere Produkte kosten bis zu 250 Euro“, so Natalja Rem. Es lebe der Unterschied. Diesbezüglich wurde vor einigen Jahren ein Umsatzwunder erschaffen – das mittlerweile erfolgreichste Sexspielzeug der Welt namens „Womanizer“.
Dessen Geschichte begann im Jahr 2012, als Michael Lenke (70, Erfinder) im bayrischen Klosterort Metten vom „Orgasm Gap“ erfuhr, wie schwierig es für viele Frauen ist, zum Höhepunkt zu kommen. Er tüftelte daraufhin 18 Monate lang – Gattin Brigitte testete die Prototypen. Eine Erfolgsgeschichte, die den Markt revolutionierte, 2016 machte das Ehepaar einen Umsatz von über 10 Millionen Euro, Anfang 2017 übernahm Wow Tech die Erfindung des Frauenverstehers. „Die Basis für den Erfolg dieses Produkts ist die „Pleasure Air Technologie“, dieStimulation der Klitoris mittels Druckwellen“, erklärt Johanna Rief, Kommunikations-Chefin bei Wow Tech. Günstig ist der Glücksritter – das meistverkaufte „Premium-Modell“ kostet 189 Euro – nicht. Dafür gibt’s eine Ohhh-Garantie.
Als die Vibratoren „laufen“ lernten, sahen viele so aus wie ein männlicher Geschlechtsteil. Man dachte, Frauen würden das schätzen, wo doch „sein Genital“ im Epizentrum weiblicher Fantasien kreise. Welch ein Irrtum – heute ist klar, was Frauen wirklich wollen: ästhetisch ansprechende, verlässliche und hochwertige Lifestyle-Produkte, beginnend bei edlen Dessous bis zu Vibratoren, die aussehen wie Kunstobjekte. „Sexual Wellness“ und Selbstfürsorge stehen im Mittelpunkt: Orgasmen und ein gutes Sexualleben machen nicht nur glücklich, sondern auch gesund. Das Geschäft für hochwertige Toys brummt: „Da gibt es nach oben eigentlich keine Grenzen“, sagt Lina Gralka vom Erotikhändler „Amorelie“ – und: „In bestimmten Kreisen haben manche Editionen, etwa mit Schmucksteinen, einen gewissen Sammler-Effekt, wie in der Kunst.“
Bestseller von Wow Tech: der „Womanizer Premium“. Er stimuliert die Klitoris berührungslos mit sanften Luftschwingungen – und legt erst bei Hautkontakt los.
Mittels „Autopilot“ übernimmt das Toy die Führung: 189 €, womanizer.com
Luxus-Vibrator „Inez“ aus Edelstahl oder mit 24 Karat vergoldet. Um 12.000 € wird er extra angefertigt.
Um einiges günstiger, aber auch hübsch: „Soraya 2“ für klitorale und G-Punkt-Höhepunkte um 219 €, alle bei: lelo.com
Paar-Toys sind aktuell sehr gefragt. „Lush 2“ von „Love Sense“ vibriert im Takt der Lieblingssongs und funktioniert via Fernsteuerung und App über große Distanzen hinweg. Ideal für Fernbeziehungen – 119 €, z. B. bei amorelie.de
Toys als Lifestyle-Objekte
Dass modernes Sexspielzeug nicht mehr schmuddelig-billig anmutet, hat mit dem Wunsch zu tun, es „in den Mainstream zu holen“, sagt Lina Gralka, Senior Brand Strategist beim Erotikhändler „Amorelie“. „Sex and the City“ oder „Fifty Shades of Grey“ waren es, die das Thema noch selbstverständlicher gemacht haben, die Digitalisierung verstärkte den Effekt: „Das alles hat zur Enttabuisierung beigetragen“, meint Johanna Rief. Ansprüche veränderten sich: „Sextoys wurden zu Lifestyle-Objekten, die weiblichen Bedürfnissen entsprechen“, so Lina Gralka. Sie sind es, die als Zielgruppe den Markt verändert haben. „Früher war man in Sexshops auf Pornos und die männliche Sicht fixiert, Vibratoren und Dildos haben ausgesehen wie übertriebene Penis-Imitate“, so Johanna Rief. Das sei nun anders. Masturbation wird nicht als Ersatzbefriedigung verstanden, sondern als Ergänzung. „Frauen wollen keinen Penisersatz, sondern etwas, das gut aussieht, funktioniert und Qualität verspricht.“ Was noch dazu kommt: Körperbewusstsein. „Die Menschen lassen nicht jedes x-beliebige Material an sich heran und in sich hinein“, meint Lina Gralka.
"The Pearl Royale“ heißt dieses orgasmische Kunstwerk – designt wurde der Superluxus-Vibrator von dem australischen Schmuckkünstler Colin Burn. Das gute Stück ist aus Platin, mit weißen und seltenen rosafarbenen Diamanten sowie blauen Saphiren und Perlen besetzt. Zirka eine Million US-Dollar sollte man dafür locker machen können. „Preis auf Anfrage“ heißt es dazu aber bei der ACA-Gallery in Beverly Hills. Dort ist der Bling Bling-Beglücker zu bewundern – neben weiteren High-End-Vibratoren mit Namen wie „Casanova“ oder „Jinlong“.
Trotz Corona-Krise oder gerade deshalb brummt das Geschäft mehr denn je – der Lockdown bescherte Sextoy-Unternehmen enorme Umsatzzuwächse. „Verständlich, die Menschen verbringen den Tag zu Hause und suchen nach Dingen, die Spaß machen. Es ist eine Alternative zu Tinder, Treffen mit Freunden oder Kochen“, erklärt Johannes von Plettenberg, Geschäftsführer von Wow Tech das Phänomen.
Im Trend lagen übrigens nicht nur Vibratoren, sondern Toys für Paare. Und da vermehrt solche, die über Distanzen hinweg gemeinsame Sex-Erlebnisse ermöglichen. Darin sieht von Plettenberg ein großes Potenzial für die Zukunft: „Long Distance, mit Hilfe von Virtual Reality-Technik so realistisch wie möglich zu sich nach Hause zu holen.“ Motto: Wien – Paris – New York: Die Frisur hält, der Orgasmus kommt.
Johannes von Plettenberg: „Ich habe noch nie so viel gelacht wie in dieser Branche ...“
Nach klassischen Jobs in der Wirtschaft macht Johannes von Plettenberg „in Liebesspielzeug“ – er ist Chef des Sextoy-Unternehmens Wow Tech. Die sprach mit ihm über „Produkte, die glücklich machen“.
Sie sind ursprünglich Wirtschaftsingenieur – wie lebt es sich als Geschäftsführer einer erfolgreichen Sextoy-Firma?
Das ist für mich inzwischen selbstverständlich, in der Branche bin ich ja schon seit 2015. Der Wechsel war aber schon speziell und ich kann mir vorstellen, dass bei einigen die Augenbraue hochgegangen ist. Ich hatte aber große Lust auf etwas Neues und Anderes – brutale Action und möglichst jung. Jetzt sind wir sehr erfolgreich und über allem steht der Satz: „Unsere Produkte machen Menschen glücklicher“. Ich habe noch nie so viel gelacht wie in dieser Branche. Das fasst es perfekt zusammen.
Wie wird denn neues Sex-Spielzeug erfunden? In Brainstormings, bei Klausuren oder sagen Mitarbeiter zu Ihnen: „Hey, ich hätte da etwas?“
Das läuft nicht anders als bei anderen Produktherstellern, denn die grundlegenden Prozesse sind ähnlich, egal ob man einen Toaster oder ein Handy entwickelt. Der einzige Unterschied ist das Thema. Wer bei uns am Innovationsprozess teilnehmen möchte, tut das freiwillig – und stimmt somit zu, explizit über intime Themen zu sprechen. Es ist keine Pflicht – die, die wollen, sind jedoch herzlich eingeladen. Alle Ideen fließen in eine Checkliste, werden strukturiert und weitergedacht. Es kommen auch Anregungen von außen, uns erreichen wöchentlich Ideen von Erfindern aus aller Welt. Und wir haben eine Forschungsabteilung, mit 3D-Druckern, die erste Modelle baut und prüfen kann, ob ein Toy z.B. gut in der Hand liegt. So robbt man sich vorwärts über den Prototypenbau bis zur Marktreife.
Wow Tech hat Sextoy-Tester gesucht, wie viele haben sich gemeldet, welche Vorteile hat das?
Wir haben mittlerweile einen Pool von 17.000 Testern – Menschen, die neugierig sind und Spaß an Sexualität haben. Oder Paare, die gerne experimentieren. Der Vorteil? Sie bekommen Sachen zu sehen, die noch niemand zu sehen bekam. Man ist bei der Neuentwicklung beteiligt und darf die Toys natürlich behalten. Wir brauchen das Feedback von draußen, um noch besser zu werden.
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