Eine solche "Seerose" war für ihn die jüngste Studie aus Ischgl: "Mich hat das unheimlich beeindruckt: Rund 40 Prozent hatten sich dort in der ersten Welle infiziert – und bei der zweiten gab es kaum mehr Neuinfektionen. Das könnte bedeuten, dass bereits eine Durchimpfungsrate von 40 bis 45 Prozent kombiniert mit Masken und Abstandhalten ausreicht, um zu einem weitgehend normalen Leben zurückzukehren. Das hat in mir ein Glücksgefühl ausgelöst."
Für solche Glücksmomente im Alltag müsse man aber auch offen sein: "Wenn ich immer nur grantig bin und nur das Negative sehe, lasse ich das Glück nicht zu. Bereits ein paar freundliche Worte können einen Unterschied ausmachen."
Man sollte aber auch nicht bewusst nach Glück streben – "damit stehen wir dem Glück im Wege. Glück lässt sich nicht erzwingen – es kommt von selbst. Man muss es nur erkennen und festhalten."
Eine Möglichkeit dazu seien "positive Flashbacks". Das englische Wort bezeichnet das Wiedererleben früherer Gefühlszustände. "Bekannt sind die negativen Flashbacks, das neuerliche Durchleben traumatischer Erlebnisse. Wir erinnern uns aber auch oft – ausgelöst etwa durch Gerüche oder Musik – an Positives aus der Vergangenheit: eine schöne Wanderung, eine innige Begegnung, ein Erlebnis mit der Familie. Ich schreibe mir diese Momente dann schnell auf, bevor ich sie wieder vergesse. Damit habe ich einen Speicher von Glücksmomenten, den ich hervorholen kann und der mir hilft, mich bewusst an diese schönen Ereignisse zu erinnern und kleine Schübe des Glücks zu erleben."
Kunze versucht auch Menschen, die ihren Job verloren haben, Zuversicht zu vermitteln: "Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, sich in eine neue Richtung mit mehr Chancen weiterzubilden, eine neue Perspektive zu erkennen." Auf jeden Fall gebe es Wellenbewegungen des Glücks: "Positive und negative Phasen wechseln sich im Zeitraum von mehreren Monaten bis eineinhalb Jahren ab."
Kunze betont, dass es sich bei dem Buch nicht um einen herkömmlichen Glücksratgeber handelt: "Wir haben den Stand der Glücksforschung und mögliche persönliche Strategien zusammengetragen – aber jeder muss seinen eigenen Weg finden." Wichtig sei, das eigene Glück nie isoliert zu sehen: "Wer selbst glücklich sein will, sollte auch auf das Glück seiner Mitmenschen schauen", ist Kunze überzeugt. "Auch Freundlichkeit, Dankbarkeit und Bescheidenheit sind Schlüssel für ein glücklicheres Leben."
Ihn selbst machen seine Sonnenaufgangsspaziergänge im Frühjahr entlang des Donaukanals glücklich. Aber auch die Unterstützung zum Beispiel für Menschen, die trotz Kälte im Freien schlafen, ist ihm wichtig: "Sich nur auf sich selbst zu konzentrieren, ist eine zu enge Sichtweise."
Kunze erinnert sich an einen Vortrag des Philosophen Sir Karl Popper 1985 in Zürich. "Er hat gesagt: ,Ich bin 83 und heute der glücklichste Mensch, den ich kenne. Ich finde das Leben unbeschreiblich wundervoll.‘ – Dem kann ich mich nur anschließen. Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, früher war alles besser. An jedem Tag kann es einen Glücksmoment geben."
Buchtipp: Michael Kunze, Silvia Jelincic: "Der Glücks-Kompass – Das ganze Wissen der Welt über Glück in einem Buch", edition a, 288 Seiten, 24 Euro
TV-Tipp: Checkpoint: Michael Kunze, Buchautor und langjähriger Leiter des Instituts für Sozialmedizin der MedUni Wien, zu Gast bei Marlene Auer. 23. 2. um 19.30 Uhr (WH alle 2 Std.) auf schauTV und KURIER.at
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