Wer im Tierreich die besten Mütter, Väter und Omas sind
2004 löste ein Tsunami im Indischen Ozean einen Wirbelsturm der Gefühle aus. Ein Flusspferd-Baby, das durch die Welle der Verwüstung auf ein Riff gespült wurde, eroberte durch Beharrlichkeit das Herz einer alten Riesen-Schildkröte. Schließlich waren der zweijährige Owen – klein, grau, runder Rücken – und der 130 Jahre alte Mzee – groß, grau, runder Rücken – unzertrennlich. Die Geschichte der artübergreifenden Adoption ging um die Welt. Jetzt steht sie auch in Mario Ludwigs neuem Buch.
In „Das Familienleben der Tiere“ beschreibt der deutsche Biologe und fleißige Autor „Wie sie leben, lieben, streiten“. Nicht nur Zufallsbekanntschaften – siehe Säuger und Reptil – haben darin ein Kapitel, viel mehr geht es auf den 192 Seiten um die unzähligen, von der Natur vorgesehen Spielarten familiärer Beziehungen.
„Tiere sind sehr breit aufgestellt“, sagt Ludwig im Gespräch mit dem KURIER. Prinzipiell gilt: Je mehr Nachkommen eine Spezies produziert, desto weniger kümmern sich die Eltern um den Nachwuchs – je mehr Energie und Zeit die Aufzucht der Jungen fordert, desto eher stehen Paare treu zusammen. Denn dann ziehen zwei am selben Strang, um die lieben Kleinen möglichst sicher groß zu bekommen.
Kernfamilie
Wölfe in freier Wildbahn sind das beste Beispiel für „Familie Mustermann“. Zum Rudel gehören in der Regel Mutter, Vater, Kinder. Die Leitwölfe sind die Elterntiere, die ein Leben lang zusammenbleiben. Dabei ist Monogamie im Tierreich, wo es primär um den Arterhalt geht, ein seltenes Erfolgsrezept. Viel öfter ziehen die Herren der Schöpfung nach Brautschau und Fortpflanzung eilig weiter.
„Großmütter sind für uns enorm wichtig“, zieht der Autor eine weitere Parallele zwischen Tier und Mensch. In der Fauna ist nur wenigen Weibchen nach der Menopause ein langes Leben vergönnt. Elefantenomas gehören etwa dazu und das Privileg zahlt sich aus: Die Dickhäuter hüten die Enkel, halten der Herdenführerin den Rücken frei für weiteren Nachwuchs und sie machen dem Elefantengedächtnis alle Ehre, wenn sie in Dürrezeiten Wasserstellen wiederfinden. Auch bei Walen und Affen leisten die betagten Damen ihren Beitrag für die Gruppe.
First Lady Strauß
Apropos Gruppe: Von Löwen, Hirschen und Pavianen ist bekannt, dass sich ein dominantes Männchen mit einer Schar von Weibchen umgibt. „Der Strauß mit seinem strukturierten Harem gefällt mir sehr gut“, begeistert sich „Katzenmensch“ Ludwig für den größten Vogel der Erde. Der flugunfähige Pascha paart sich zunächst mit seiner Haupthenne; dann kommen die Nebenfrauen an die Reihe. Auch bei der Ei-Ablage hat die First Lady den Vortritt. Sie darf die Kinderstube auswählen und ihr Gelege in der gut bebrütbaren, vor Fressfeinden am ehesten geschützten Nestmitte platzieren.
Auch ein anderer Vogelvater liefert ein faszinierendes Beispiel dafür, wie vielseitig die Natur das Familienleben gestaltet. Beim Nandu übernehmen die Hähne die Brut der 20 bis 80 Eier. Genauso halten die Alleinerzieher die Küken nach dem Schlupf pfeifend zusammen.
Aufopfernd
Den besten Vater macht Ludwig, der auch über tierische Muttersöhnchen, schwule Väter und schwangere Seepferdchen-Männer schreibt, aber im Zwerghamster aus. Die Nager stehen ihrer Partnerin als Hebamme bei, sie reparieren – ganz Heimwerker – den Bau und sitten pflichtbewusst die Babys.
Die Frage nach der besten Mutter beantwortet der Tierfreund mit „Diaea ergandros“: Die 2 cm kleine Krabbenspinne bietet sich ihren Kindern als Speisekammer an – Frau Mama lässt sich bei lebendigem Leib auffressen.
Es geht immer um die Gene
„Weibchen wollen immer das Männchen mit den besten Genen“, schließt Ludwig, der aktuell an zwei weiteren Büchern arbeitet: „Männchen wollen vor allem ihr Erbgut breit streuen.“ Patchwork-Ergebnisse vorprogrammiert.
BUCHTIPP: Mario Ludwig: „Das Familienleben der Tiere. Wie sie leben, lieben, streiten.“ wbg Verlag. 192 Seiten. 20,60 €
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