Auf den Sex umgelegt, würde das ungefähr so aussehen: intensives Vorspiel, kurzer Orgasmus und dann diese leise Tristesse danach, wenn sich zwei wieder die Alltagskleider anlegen. Genug des Philosophierens. „Ich wünsche mir Ekstase“, hörte ich unlängst eine Frau zur anderen sagen – das war auf einer Party und man hatte schon einigermaßen getrunken. Da ich die zwei nicht kannte, beobachtete ich den Dialog still, weil ich unbedingt wissen wollte, was die andere nun zur einen sagen würde. Die reagierte, so wie ich auch reagierte hätte – nämlich mit einer Gegenfrage: „Was genau meinst du damit?“ Ich glaube, die Dame mit der offenbar gerade sehr ausgeprägten Sehnsucht nach Ekstase wusste das in diesem Moment nicht so genau, nach kurzem Zögern antwortete sie nämlich: „Naja, beim Sex soll’s halt irgendwie leiwander werden, weißt eh …“
Hm, verstehe – oder auch nicht. Ihre etwas unpräzise Erklärung zeigt jedenfalls gut, wie wenig wir von Ekstase am Ende wirklich wissen. Vielleicht auch deshalb, weil der Begriff inflationär gebraucht wird. Ich denke da beispielsweise an Sport. Erst unlängst las ich: „Irres Fußball-Märchen. Ex-Bremer sorgte für Ekstase.“ Oder „Liverpool – Arsenal, League Cup: Mesut Özil versetzt die Fans in Ekstase.“ Ehrlich: Was genau heißt das, bitte? Verlieren alle Anwesenden den Verstand? Legt sich ein kollektives Vergeistigt-Sein über den Rasen? Umarmen einander alle und weinen in ihre Fanschals? Und warum geraten die Menschen beispielsweise bei „Gummistiefelweitwurf“-Bewerben nicht in Ekstase?
Pardon, stimmt, ich schweife ab, jetzt aber der Sex: Da wäre mehr Ekstase natürlich nicht übel. Weil’s um Verzückung geht – in einem so hohen Ausmaß, dass man für Sekunden die Kontrolle über sich verliert. Und da fände ich eben schon, dass das eine feine Alternative zu dem wäre, was wir täglich an mentalem Hochleistungsirrsinn und geistigem Verzetteln erleben. Das Thema Ekstase passt also sehr gut in diese vorweihnachtlichen Tage – weil es Stille, Intensität, Tiefe und Fokus braucht, damit man überhaupt in so einen tranceartigen Zustand geraten kann. Sexuelle Ekstase kann nur jemand erleben, der mehr fühlt als tut. So viele Menschen denken allerdings, beim Akt zähle vor allem verhaltensauffälliger Aktionismus – je lauter und je mehr Herumturnerei desto yeah! Das kann manchmal so sein, manchmal aber auch nicht. Ekstase verlangt – im Gegensatz dazu – absolute Präsenz und etwas, das viele Frauen und Männer gar nicht mehr können: sich für eigene Gefühle, aber auch für den Partner selbst zu öffnen, sich tief berühren zu lassen und sich vertrauensvoll hinzugeben. Dem Gegenüber, dem Fühlen – dem Augenblick. Da sein, hier und jetzt. All das wunderbar entschleunigt, weit, weit weg von Termindruck, To-dos und dem steten Pingpingping des Smartphones. Oh ja, dann wird Sex sogar ein bisschen „heilig“ – oder wie es die Dame von der Party formulieren würde: „Richtig leiwand, halt.“
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