Warum Frauen ihr Verhältnis zu Körperhaaren überdenken

Warum Frauen ihr Verhältnis zu Körperhaaren überdenken
"Ich habe gemerkt, dass ich mich hauptsächlich deswegen rasiere, weil ich Angst hatte, was andere denken könnten."

Wozu noch rasieren, wo man ohnehin nicht unter Leute kommt? Eine Frage, die sich im Laufe der Lockdowns geradezu aufgedrängt hat. Auch Franziska (Name geändert), 28, ließ es sprießen. „Erst dachte ich, meinen Freund würde es stören. Doch es stellte sich heraus, dass in der Krise andere Dinge zählen.“

Inzwischen vermisse sie ihre glatten Beine nicht mehr. „Ich habe gemerkt, dass ich es hauptsächlich deswegen gemacht habe, weil ich Angst hatte, was andere denken könnten. Mich selber stört es gar nicht.“

Die neue Lust am Wildwuchs offenbarte sich bereits im November, als „The Crown“-Star Emma Corrin (25) mit unrasierten Achselhöhlen auf dem Cover einer Modezeitschrift posierte. Im Interview gab sie zu Protokoll, dass sie sich nicht mehr rasieren wolle, nur weil es die Gesellschaft von ihr als Frau erwarte. Eine Erkenntnis, die sie im vergangenen Jahr gewonnen habe.

Ein Kahlschlag für Oralsex

„In der Pandemie haben viele Frauen ihre Einstellung zu Schönheit und Körperpflege hinterfragt: Was mache ich warum? Will ich das eigentlich wirklich?“, sagt Elisabeth Lechner, Autorin von „Riot, don’t diet!“. Glatte Frauenkörper gelten seit der Antike als Inbegriff von Weiblichkeit, das Ideal hält sich hartnäckig: In einer belgischen Studie aus dem Jahr 2019 gaben 67 Prozent der Frauen an, dass sie sich durch die Rasur „femininer“ fühlen und nannten Oralsex mit Männern als häufigsten Grund für den Kahlschlag (im Intimbereich).

„Viele glauben zwar, dass sie die freie Wahl haben, aber das stimmt nicht. Wir leben in einer lookistischen Gesellschaft, in der Frauen nach ihrem Aussehen bewertet werden. Wer nicht der Norm entspricht, hat schlechtere Chancen. Und Körperhaare gelten in unserer heteronormativen Welt immer noch als Grenzüberschreitung“, sagt die Kulturwissenschafterin. „Gleichermaßen formiert sich Widerstand.“

Vor allem Tiktok, beliebte Videoclip-App der Generation Z, trägt stark zur Entstigmatisierung weiblicher Körperbehaarung bei. Hashtags wie #bodyhairisnatural, #bodyhairdontcare oder #bodyhairpositivity verzeichnen zig Millionen Aufrufe, Influencerinnen wie die US-Amerikanerin Solana strecken ihre gefärbten Achselhaare in die Handy-Kamera.

Ihr Motto? Wir unterwerfen uns keinem Schönheitsdiktat – auch dann nicht, wenn der Lockdown zu Ende geht.

Auch die Industrie denkt langsam um. Die hippe Rasur-Marke Billie gilt in der Branche als revolutionär, weil sie ihre Nassrasierer auf ästhetischen Fotos mit Körperhaaren bewirbt – ein Anblick, der vor einigen Jahren absurderweise noch undenkbar gewesen wäre.

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