Umfrage: 50 Prozent der Eltern sind vom Schulsystem enttäuscht

Umfrage: 50 Prozent der Eltern sind vom Schulsystem enttäuscht
Lernplattform GoStudent hat 3000 Eltern in Europa befragt. Viele bezahlen während der Pandemie private Nachhilfe.

Fragt man Eltern in Deutschland und Österreich, wie sie das Schuljahr 2020/21 empfunden haben, zeichnet sich ein doch sehr deutliches Bild ab: Die Hälfte gibt an, dass sie vom öffentlichen Schulsystem schlichtweg enttäuscht waren. Rund acht Prozent der befragten Eltern meinten, ihnen fiele die Decke auf den Kopf, sie seien frustriert und wüssten oft nicht weiter.

Die Hälfte der Umfrageteilnehmerinnen  und -teilnehmer konnte das Schuljahr nur durch zusätzliche Unterstützung, beispielsweise durch private Nachhilfe, bewältigen. Auch in anderen europäischen Ländern setzten Eltern verstärkt auf Extra-Lerneinheiten für ihre Kinder, um das Schuljahr zu meistern. Dies ergab eine Umfrage, die die Lernplattform GoStudent aus Wien im Mai unter rund 3.000 Eltern von Schulkindern in Österreich, Deutschland, Spanien und Frankreich durchführte.

So gaben in Spanien fast vierzig Prozent der Befragten an, dass zur Bewältigung des Schuljahres private Nachhilfe erforderlich war. In Frankreich waren mehr als vierzig Prozent der Eltern vom Schulsystem während der Covid-Pandemie enttäuscht. Jeder dritte Elternteil benötigte zusätzliche Lernhilfe, um gemeinsam mit dem Kind das Schuljahr zu bewältigen.

Noten für Lehrpersonal

Hätten Eltern die Möglichkeit, Lehrkräfte mit einer Schulnote für ihre Unterstützung im Homeschooling zu bewerten, so vergibt mehr als ein Drittel der Eltern die Note “Befriedigend”. Knapp fünf Prozent würden die Pädagoginnen und Pädagogen mit einem “Sehr gut” und 15 Prozent mit einem “Gut” bewerten.  Über ein Viertel der Eltern sehen die Leistung des Lehrpersonals als nur “Genügend” an, fast 20 Prozent lassen die Lehrkräfte im Homeschooling glatt durchfallen.

In Spanien (Schulnotensystem 1 “Sehr gut” bis 5 “Ungenügend”) vergeben je ein Drittel der Eltern die Schulnote “2” und “3”. Mehr als 10 Prozent der Eltern in Spanien würden das Lehrpersonal für ihre Leistung im Homeschooling glatt durchfallen lassen. In Frankreich (Schulnotensystem 1 “Sehr gut” bis 5 “Ungenügend”) sind die Eltern etwas strenger. Rund 40 Prozent bewerten die Lehrpersonen mit einem “Befriedigend”, ein Viertel mit einem “Ausreichend” und mehr als 15 Prozent sogar mit einem “Ungenügend”.

Kompensation durch Nachhilfe

Die fehlende Unterstützung durch das Lehrpersonal wurde im Schuljahr 2020/21 bei 45 Prozent der Eltern in Österreich und Deutschland durch regelmäßigen, privaten Nachhilfeunterricht kompensiert. Rund ein Viertel der Befragten gab an, dass zusätzliche Lernunterstützung in Form von Nachhilfe “ab und zu” in Anspruch genommen wurde. Rund ein Drittel der Eltern benötigten laut Umfrage keinen zusätzlichen Nachhilfeunterricht für ihre Kinder.

In Frankreich und Spanien war der Bedarf nach regelmäßiger Nachhilfe übrigens vergleichsweise gering: In Frankreich gaben nur 27 Prozent an, dass diese erforderlich war. In Spanien benötigten 37 Prozent der Eltern regelmäßige Lernunterstützung in Form von privater Nachhilfe für ihr Kind.

60 Prozent der Eltern in Deutschland wünschen sich, dass die Nachhilfelehrerinnrn und-lehrer sie dabei unterstützen, die Lernmotivation und den Enthusiasmus der Kinder zu steigern. Mehr als die Hälfte der Eltern sagte, dass die Verbesserung von Schulnoten an oberster Stelle stünde. 43 Prozent der Eltern erwarten von ihnen, dass sie einen persönlichen Lernplan für ihr Kind erstellen, um mehr Struktur sowie ausreichend Zeit für die Beantwortung von Fragen (38 Prozent) zu haben. Da das Homeschooling Stress verursacht, wünscht sich mehr als ein Drittel der Eltern, dass private Nachhilfe ihnen hilft, diesen zu bekämpfen.

Familienzusammenhalt enger

Der durch die wiederkehrenden Schulschließungen und Homeschooling bedingte Stress der Eltern in Österreich und Deutschland wirkte sich nur für knapp 15 Prozent negativ auf die Beziehung der Familienmitglieder zueinander aus. Während rund 45 Prozent der Befragten meinten, dass die außergewöhnliche Situation die Dynamik innerhalb der Familie nicht veränderte, meinten sogar fast 40%, dass durch das Homeschooling der Familienzusammenhalt positiv verändert wurde.

Mittelmäßig bis schlecht

Mehr als ein Drittel der Eltern sagte aus, dass es ihren Kindern mit dem Homeschooling “mittelmäßig” ging, ein weiteres Drittel meinte, den Kindern ging es mit der Situation “schlecht” oder “sehr schlecht”. Nur rund 10 Prozent meinten, ihren Kindern wäre es in der Homeschooling-Zeit “sehr gut” ergangen. Nach Einschätzung der befragten Eltern wirkten sich die Schulschließungen bei fast 50% der Kinder physisch negativ aus, 53 % klagen über negative psychische Auswirkungen auf ihre Kinder. 90 Prozent der Eltern hätten sich gewünscht, dass sich ihre Kinder während des Lockdowns mehr im Freien bewegen hätten können.

In Frankreich ging es nach Einschätzung der Eltern ebenfalls einem Drittel der Kinder mit dem Homeschooling “mittelmäßig”. Mehr als die Hälfte sagten sogar aus, dass es ihren Kindern mit der Situation “schlecht” ging. In Spanien schätzte vergleichsweise nur knapp über ein Viertel der Eltern, dass es den Kindern “mittelmäßig” ging. Jedoch meinten 60 Prozent, dass es ihren Kindern mit der Situation “schlecht” ging.

Lernen in den Ferien

Für viele Eltern in Deutschland und Österreich ist der Bildungsverlust ihrer Kinder, der durch mangelhaftes Homeschooling und wiederkehrende Schulschließungen entstanden ist, ein ernsthaftes Problem. 36 Prozent der Eltern schätzen, dass ihr Kind während der Sommerferien zwischen sechs und zehn Stunden pro Woche lernen muss, um entstandene Bildungslücken bis zum Start des neuen Schuljahres zu schließen. Fast 40 Prozent der Eltern sind der Auffassung, dass weniger als fünf Stunden Lernen ausreichend sind. Während zwölf Prozent denken, dass keine Extra-Lerneinheiten im Sommer erforderlich sind, meinen weitere zwölf Prozent, dass Kinder während der Sommerferien sogar mehr als zehn Stunden die Woche lernen müssen, um Versäumnisse aufzuholen.

In Frankreich meinen über 50 Prozent der befragten Eltern, dass weniger als fünf Stunden Lernen pro Woche ausreichend sind, um über die Sommerferien Bildungslücken zu schließen, während über ein Viertel der befragten Eltern meinen, dass sechs bis zehn Stunden Lernen pro Woche erforderlich wären. Rund zehn Prozent sagen aus, dass über 10 Stunden notwendig sind.

In Spanien meinte jedes fünfte Elternteil, dass keinerlei Lerneinheiten während der Sommerferien für ihre Kinder erforderlich wären. 45 Prozent finden 1-5 Stunde(n) ausreichend, fast ein Drittel meint, Kinder sollten zwischen sechs und zehn Stunden pro Woche lernen und nur fünf Prozent geben an, dass über zehn Stunden Lernen zur Schließung entstandener Bildungslücken notwendig wären.

Ein Blick in die Zukunft

Im Zuge der Umfrage wollte GoStudent von den Eltern außerdem wissen, wie optimistisch sie ins neue Schuljahr starten. Tatsächlich sind sich über 40 Prozent der Befragten in Deutschland und Österreich nicht sicher, ob das kommenden Schuljahr nicht weitere pandemiebedingte Schulschließungen mit sich bringt. Jeder fünfte Elternteil geht davon aus, dass die Schulen wieder schließen werden, jeder dritte ist sich sicher, dass die Schulen im Schuljahr 2021/22 geöffnet bleiben.

In Spanien zeigen sich die Eltern hingegen weitaus zuversichtlicher: 66 Prozent sind sich sicher, dass die Schulen geöffnet bleiben. In Frankreich entspricht dieser Wert knapp über 50 Prozent.

Homeschooling-Gehalt für Eltern: 970 Euro pro Monat wären angebracht

GoStudent fragte die Eltern darüber hinaus, welches Gehalt sie für die geleistete Mehrarbeit in der Betreuung ihrer Kinder im Homeschooling monatlich verrechnen würden. Hier ergibt sich ein Durchschnitt von 970 Euro. Damit sind die Eltern in  Österreich und Deutschland weitaus bescheidener als jene in Spanien und Frankreich:  In Spanien würden die Eltern durchschnittlich ein Monatsgehalt von 3.540 Euro verrechnen, in Frankreich fänden Eltern ein Extra-Gehalt von monatlich 1.330 Euro angemessen.

 

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