Schon kurz nach Veröffentlichung schossen die Online-Suchanfragen nach Dianas detailgetreuen Serien-Outfits – von den berühmten Bubikrägen bis zum roten Abendkleid, das sie auf ihrer Australientour 1983 trug – in die Höhe, meldete eBay. Der Kurznachrichtendienst Twitter verzeichnet pro Stunde mehrere hundert Postings mit dem Schlagwort #TheCrown – die meisten über Diana und wie unfair sie von der Royal Family, inklusive ihrem Ehemann, behandelt wurde. Drehbuchautor Peter Morgan lässt nichts aus, um das Leiden der Lady Di begreifbar zu machen: Charles’ Liebe zu Camilla, Dianas Bulimie, der eisige Ton der Queen. Und wild gewordene Paparazzi, die sie auf Schritt und Tritt verfolgen.
Wie die Jagd der Presse endete, ist bekannt. Seit ihrem Unfalltod im August 1997 kehrt Dianas Schicksal immer wieder zurück in das kollektive Bewusstsein: etwa 2006 im Morgan-Film „The Queen“ oder 2013 in „Diana“, gespielt von Naomi Watts. Zu ihrem 20. Todestag erschien das Buch „Imagining Diana“, das sich mit der Frage befasst, wie ihr Leben heute aussehen würde.
„Der frühe Tod einer schönen Frau, deren Vita von Tragik und Kontroverse gekennzeichnet ist, beflügelt unsere
Vorstellungskraft. Wir fühlen uns angezogen von modernen Heldinnen, die wir überhöhen können, denen wir uns aber trotzdem nahe fühlen, weil unter der Fassade zutiefst menschliche Probleme zum Vorschein kommen“, erklärt die Kulturhistorikerin Sandra Mayer den Mythos Diana, der im Kontext aktueller Royal-Entwicklungen an Relevanz gewinnt: „Für die Allgemeinheit ergeben sich eindeutige Anknüpfungspunkte zum ‚Megxit‘: eine schöne, unkonventionelle Frau, die medial verfolgt wird und in Konflikt mit den verknöcherten Strukturen der ‚Firma‘ gerät. Das verstärkt den Eindruck, dass sich Dianas Geschichte auf tragische Weise wiederholt.“
In der britischen DNA sei Diana für immer als "People's Princess", Prinzessin des Volks, fest verankert: "Ein Mitglied der Königsfamilie, das die steife royale Etikette durchbricht und sich über soziale Barrieren hinweg volksnah zeigt, sich zum Beispiel als Fan von Popgruppen outet oder Aidskranken gegenüber keine Berührungsängste zeigt." Ein Mythos, den die Prinzen William und Harry aufrecht erhalten: durch ihre karitative Arbeit und symbolische Gesten wie die Weitergabe von Dianas Verlobungsrings an Kate Middleton.
Diana sei eine Identifikationsfigur, weil sie als „eine von uns“ erschien, sagt die Psychologin Dunja Radler – die toxische Beziehung zu Charles, die Suche nach Anerkennung, der Konflikt mit der Schwiegerfamilie sei etwas, das viele Frauen kennen. „Man kann dieses Beziehungsdilemma nachempfinden und will mehr darüber wissen. Wir hatten ja damals schon über verschiedene Medien das Gefühl, hautnah dabei zu sein, und jetzt bekommen wir mit ‚The Crown‘ das Gefühl, bei ihr im Wohnzimmer zu sitzen.“
Wie in einem klassischen Märchen sind die Täter-Opfer-Rollen in „The Crown“ klar verteilt, das Mitleid mit Charles und Camilla, die ihr ramponiertes Image über die Jahre mühevoll repariert hat, hält sich nach Serienkonsum in Grenzen. Mit teils gefährlichen Folgen: Wie die Duchess of Cornwall bekannt gab, bekomme sie seit Beginn der neuen Staffel unzählige Drohungen und Hasskommentare in ihren Social-Media-Kanälen.
„Man hätte genauso gut den Spieß umdrehen und die Liebesgeschichte der beiden in den Vordergrund und in ein positives Licht rücken können. Einfacher ist es allerdings, das Bild der Prinzessin, wie wir es aus Märchen kennen, für Diana zu übernehmen: durch und durch unschuldig und reinen Herzens“, sagt Radler. "In einer Gesellschaft brauchen wir eine gewisse Definition davon, was wir übereinstimmend als 'gut' bzw. 'böse' ansehen, um uns in dieser zurechtfinden zu können. Je eindeutiger ein Verhalten oder ein Gedanke als 'gut' oder 'böse' bewerten werden kann, desto leichter können wir uns orientieren", so die Psychologin.
Aus dem Palast gibt es bis dato kein offizielles Statement zur Serie – Insidern zufolge sollen die Windsors über die neue „Dianamania“ aber wenig erfreut sein. Ob die wenig schmeichelhafte Abbildung dem Königshaus dauerhaft schaden wird? Eher nicht, glaubt Historikerin Mayer: "In Zeiten, in denen sich die Folgen von Covid, Brexit und politischem Chaos auf unglückliche und höchst besorgniserregende Weise miteinander verbinden, hat das Land mit ganz anderen Problemen zu kämpfen."
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