Blick ins Schlafzimmer und Einsatz im Swingerklub

Muss man wirklich für eine Geschichte im Swingerklub mitmachen?
Wer über Sex schreibt, darf nicht zimperlich sein. Manches geht trotzdem zu weit – zum Beispiel, wenn Körpereinsatz gewünscht wird.

Bald zwei Jahrzehnte – so lange gibt es diese Kolumne bereits. Und selbst, wenn sich manche Themen wiederholen, erfahre ich immer wieder Neues, lerne etwas dazu oder werde überrascht. Durch die lieben LeserInnen, zum Beispiel, die sich mir anvertrauen, die Fragen haben, die auf respektvolle Weise den Dialog mit mir suchen. Das finde ich schön und auch sehr bereichernd.

Und dann gibt’s natürlich auch die da – die, die mich fragen, ob ich für sie nicht Vibrator, Modell Gewagt, frivol, X-Large testen könnte: „Wissen S’ warum? Weil ich mir unsicher bin, ob das was für meine Freundin wäre – und Sie sind doch Expertin. Ich würde Sie auf so ein Ding selbstverständlich einladen und Sie erzählen mir dann ganz, ganz genau, was Sie gefühlt haben.“ Sie staunen? Um ehrlich zu sein: Nichts ist mir mittlerweile fremd.

Sachen wie diese gibt’s immer wieder, denn in manchen Fällen wird da maximaler Ganzkörpereinsatz verlangt. Manche haben gar die Auffassung, ich sei den werten Lesern (Sorry, wenn ich nicht die -Innen erwähne, die betrifft das nicht) Schlafzimmer-Blicke schuldig. So kam es schon zu recht konkreten Anfragen in Sachen „Lieblingsstellung“ oder Verkehrsfrequenz.

Und so geschah es dann auch, dass ich ein paar Mal gefragt wurde, ob ich nicht einmal Lust hätte – ganz unter uns, natürlich, und Champagner gibt’s eh auch – einer privaten Orgie beizuwohnen. Swingen auf sehr hohem Niveau („Anwälte sind auch dabei!“) und ich als, trara, Party-Gag. Ein Fall von „embedded journalism“, quasi, man könnte in Folge ja darüber schreiben. Eh. Bitte ohne mich, so viel Fadesse sei mir bitte gewährt. Dass das mitunter etwas anders gelebt wird, finde ich umso erstaunlicher. Erst unlängst las ich von einer dänischen Journalistin, die bei laufendem Aufnahmegerät Sex im Swingerclub hatte und den Mann „in ihr“ dabei interviewte. Anlass war die Wiederöffnung des Etablissements nach Lockerung der Corona-Maßnahmen.

Vertrauensvolle Atmosphäre

Da stellt sich natürlich die Frage, ob ein möglichst hautnaher Bericht tatsächlich bedingt, selbst ans Werk zu gehen. Aus Sicht der Dame offenbar schon, gegenüber der Zeitung Jyllands-Posten erzählte sie, dass die Swinger-Szene verschlossen sei und sie eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen wollte. Atmo-Investigativ-Journalismus, also!

Für ihren Einsatz und Mut zum Experiment bekam die Reporterin immerhin viel Lob von der Senderchefin. Andere wiederum meinten, hier wurde eine Grenze überschritten. Das ist durchaus nachvollziehbar – denn wenn auf einmal der Wille zum totalen Körpereinsatz zur Benchmark wird, kann das für Journalisten, die sich auf „Lust und Liebe“ spezialisiert haben, aber anders denken, heikel werden: „Geh, Karin, wir hätten in der nächsten Ausgabe gerne eine tiefgehende G’schicht über S/M-Sex und ausgefallene Praktiken, magst dich nicht, rein dienstlich, ein bisserl auspeitschen lassen?“ Was, wenn das die Karin – verständlicherweise – nicht will, aber die aufgeschlossene Kollegin schon?

Welches Licht wirft das auf mögliche Karrierechancen oder Gehaltserhöhungen? Stimmt, das muss man jetzt nicht zu Ende denken, sowas ist ja eher selten der Fall. Und wer weiß, vielleicht sehen ja manche KollegInnen darin auch gewisse Chancen und Möglichkeiten? Etwa, wenn Investigativ-Spezialist XY seiner Ehefrau daheim sagen kann: Darling, ich bin diese Woche öfter in diversen Puffs unterwegs – aber weißt eh, aus rein beruflichen Gründen und er daraufhin mit einem Luftbussi ins harte Arbeitsleben entlassen wird. Wegen der authentischen Berichterstattung wäre es, ganz nach dem Motto: Check. Re-Check. Double-Check.

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