Spontaner und lauter Sex: Endlich was Verrücktes tun
Sowas aber auch. Da liegt man im Bett, will schlafen – plötzlich das da: Ah! Oh! Ein Keuchen, ein Raunen, ein Stöhnen, ein Rumpeln und Lärmen. Und schon stehen zwei, die sich im Rahmen einer Party zum Vögeln ein wenig zu verhaltensauffällig in Nachbars Garten zurückgezogen haben, in den Schlagzeilen.
Passiert vor Kurzem in Bayern, vermutlich in einer lauen Sommernacht, möglicherweise unter alkoholischem Einfluss. Dabei war die Leidenschaft so heftig, dass die ins Verkehrsgeschehen involvierte Terrassentür zu laut bums gemacht hat. Was eine 74-jährige Dame bedrohlich empfand, sie dachte an Einbrecher und rief die Polizei. So weit, so verständlich – man weiß ja schließlich nie.
Anderntags dann die Schlagzeilen: „Seniorin hatte Angst vor lüsternem Paar“, „Lauter Sex auf der Terrasse – Seniorin ruft Polizei“. Die Amtshandlung zum Geschlechtsakt sah schließlich so aus: „Die Beamten nahmen in der Nacht zum Sonntag die Personalien des 22-jährigen Mannes auf.“ Dabei hätten sich „die Kollegen sehr amüsiert“ und „das Pärchen weitergeschickt“ (Wohin? Ins Bett?). Sachbeschädigung gab’s keine: „Die Terrassentür, an die das Duo mit den Füßen stieß, wurde den Angaben zufolge nicht beschädigt.“ Haben wir für so etwas Verständnis? Irgendwie schon. Wenn zwei Menschen in Stimmung kommen, kann es passieren, dass der Rest der Welt ausgeblendet und der Vernunftknopf im Hirn ausgeknipst wird. Geilheit siegt: Raus muss es, rein muss er! Egal wo und egal unter welchen Umständen. Spontanität als Elixier des Lebens.
„Die Menschen wollen es auf der Herdplatte treiben, im Auto, auf einem Parkplatz (Cabrio!), im Meer, im Freibad, im Haus der Schwiegereltern.“
Yeah! Ich habe mich gespürt...
Übrigens: Schon einmal etwas von „Bucket-Lists“ gehört? Das sind Gedanken und Aufzählungen zum Thema „Was ich in diesem Leben unbedingt noch tun will“. Fallschirmspringen zum Beispiel. Oder unterm Eiffelturm O Sole mio! singen. Ein Plakat für die Liebste aufhängen, auf dem steht: „Du bist das Beste, das mir je passiert ist – ich will dich heiraten!“ Verrückte Sachen, die Mut erfordern, Grenzen und Konstrukte sprengen, uns aber das Gefühl geben: Yeah! Ich habe mich gespürt, ich habe mich probiert. Ich bereue nichts. Und natürlich gibt es auch „Sex-Bucket-Lists“, zum Beispiel die da: „15 Orte, an denen ich noch unbedingt Sex haben möchte.“ Da ist eher nicht vom Bett die Rede. Die Menschen wollen es auf der Herdplatte treiben, im Auto, auf einem Parkplatz (Cabrio!), im Meer, im Freibad, im Haus der Schwiegereltern, im Hinterhof, im Passfoto-Automaten, im Hochsitz, in der U-Bahn, im Stiegenhaus – und: im warmen Sommerregen, irgendwo draußen im Garten, nachts, wenn’s keiner sieht (aber hört).
Ein Ausdruck des Augenblicks, der Gedanken- und Sorglosigkeit: Leben, jetzt. Dopaminkick, spontan sein, nicht über mögliche Folgen nachdenken müssen. Literarisch kam diese Art der Begegnung in Erica Jongs Bestseller und mittlerweile Erotik-Klassiker „Angst vorm Fliegen“ bereits 1973 zu Ehren – in Form des „Zipless Fuck“ (was etwas herb mit „Spontanfick“ ins Deutsche übersetzt wurde). Der stand für unbekümmerten Sex, womöglich mit einem Unbekannten als Selbstbefreiungsversuch der Protagonistin. Was die Autorin – ein wenig blumig – so beschrieb: „Die Reißverschlüsse lösen sich wie fallende Rosenblätter, die Unterwäsche weht davon wie Löwenzahnflocken“ – und schließlich auch so: „Du bist, was du träumst ... Tabellen und Diagramme sagen uns alles über Sex und sagen uns doch nichts darüber. Weil Sex sich ganz und gar im Kopf abspielt.“ Und ja – dabei kann man schon mal in Nachbars Garten landen, auf einer versteckten Parkbank oder auf einer Terrasse unter Sternen Verboten, aber schon auch sehr reizvoll.
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