Von der Magie des Küssens und Corona-Home-Kissing-Regeln
Allseits Erregung: Küssen – ab sofort nur mehr mit Maske. Geht’s noch? Dem war der Rat der „obersten Medizinerin Kanadas“, Theresa Tam, vorangegangen, die nicht nur zu Mund-Nasen-Schutz beim Sex riet, sondern auch dazu, das Küssen zu vermeiden sowie die Berührung der Gesichter. Aber wie sehr braucht’s den Kuss zum sexuellen Glück und was bedeutet er für Beziehungen?
Zunächst gilt: Sex ohne zu küssen kann in gewissen Situationen durchaus reizvoll wirken. Doch in den meisten Fällen gehört das Lippen-an-Lippen-Sein zu den erotischen Basics. Ein Kuss ist etwas sehr Wesentliches – denn damit „schmecken“ wir die Persönlichkeit eines anderen Menschen und dessen biochemische „Seele“. Man erschnuppert sein Gegenüber, kann sich auf ihn einstellen – über den Kuss nehmen wir potenzielle Sexualpartner auf vielen Ebenen wahr. Wenn all das halbwegs passt, ist das Lippenbekenntnis ein Türöffner zu mehr. „Ein Kuss zählt zum wichtigsten Kommunikationsmittel zwischen zwei Menschen, er fungiert als nonverbale Sprache, mit der wir unausgesprochene Gefühle ausdrücken können“, weiß die Forscherin Sheril Kirshenbaum, die sich der „Wissenschaft des Küssens“ angenähert hat. Er kann für schlichte Gier und Geilheit stehen, für Liebe, Sehnsucht, Zärtlichkeit und, ja, auch Verzweiflung. Und er kann einen Menschen – beziehungsweise zwei – verrückt machen. Ein schönes Zitat dazu stammt interessanterweise von Albert Einstein: „Jeder Mann, der sicher fahren kann, während er eine schöne Frau küsst, schenkt dem Kuss einfach nicht die Aufmerksamkeit, die er verdient.“ Selbst in Gesellschaften, in denen der Kuss nicht zwingend zum Paarleben gehört, wird am anderen geleckt oder geknabbert. Apropos geleckt – natürlich existiert so etwas wie eine Kuss-Kunst, sie entscheidet meist, wie es weiter geht.
„Allein der Ausdruck ,schmusen’ drückt auf wundersam-weiche Weise aus, was in der Berührung zweier Lippenpaare steckt, so viel herrlich-Zärtliches, Verschlungenes.“
Wahre Kuss-Künstler
Ein guter Kuss kann so überwältigend wirken, dass man sich in der Sekunde ausziehen möchte, um den Rest vom anderen zu spüren und loszuvögeln. Küsse, überall! Egal, wie man es anstellt, feucht ist es dabei immer – selbst beim schmallippigen Typ „Pressen & Drücken“ kommt es zum Austausch von Speichel. Beim Typus „Schlecken & Schlatzen“ kann das durchaus ausufern. Wahre Kuss-Künstler wählen den goldenen Mittelweg und lassen Lippen und Zunge so spielen, dass alles herrlich durchblutet, aber nicht so durchnässt ist, dass man am liebsten einen Löffel Babypuder schlucken würde.
Natürlich sind alle Küsse aus hygienisch-virologischer Sicht betrachtet „unsauber“. Dennoch: Der Mensch sehnt sich danach. Allein der Ausdruck „schmusen“ drückt auf wundersam-weiche Weise aus, was in der Berührung zweier Lippenpaare steckt, so viel Herrlich-Zärtliches, Verschlungenes. Etwas, das nach „Anfang“ schmeckt, aber auch nach Einfühlungsvermögen und Füreinander-da-Sein. Oder der Begriff „Bussi“ bzw. „Busserl“, laut Peter Wehle („Sprechen Sie Wienerisch?“) ein „uraltes Schallwort expressiver Gemination, also: ausdrucksvoller Verdopplung des Zischlautes“. Heißt: Allein von „Busserl“ zu reden, bedeutet, ein bisserl herumzuspucken. Prinzipiell gilt: Es gehört mehr g’schmust, vor allem in Langzeit-Partnerschaften. Aktuell können wir daher von der „Home Kissing“-Regelung sprechen – küssen erlaubt, aber doch eher mit jenem Menschen, mit dem wir zusammenleben. Psychologen sind übrigens überzeugt, dass Küsse für Beziehungen mitunter wichtiger sind als Sex. Wo kaum mehr geküsst wird, herrscht nicht nur physisch betrachtet Dürre. Auch die Seele und das Herz trocknen langsam aus.
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