#ReclaimTheseStreets: Mord an junger Britin löst Netz-Debatte aus

In den sozialen Medien berichten Frauen, warum die Angst vor dem Heimweg für sie alltäglich ist - und warum es ein Umdenken braucht.

Proteste nach Mord und Polizeieinsatz in London

Das Verschwinden der Marketingmanagerin Sarah Everard hat in ganz England Entsetzen ausgelöst. Die 33-Jährige war auf dem Heimweg von der Wohnung einer Freundin im Süden Londons, kam aber nie zu Hause an. Eine Woche später wurde ihre Leiche in einem Waldstück gefunden - ein tatverdächtiger Polizist, den sie nicht kannte, wurde festgenommen.

Nach der Tat schlug die Londoner Polizei vor, Frauen sollten nachts nicht mehr alleine das Haus verlassen, was in den sozialen Medien für Empörung sorgte: Denn so würde einmal mehr vermittelt, dass Frauen, nicht Männer ihr Verhalten ändern müssten, um nicht mehr belästigt zu werden.

Täter-Opfer-Umkehr

Unter den Hashtags #ReclaimTheseStreets oder #ReclaimTheStreets (erobert die Straßen zurück) teilten danach Tausende Nutzerinnen auf Twitter und Instagram ihre eigenen Erfahrungen mit Angst vor dem Nachhauseweg oder Übergriffen, die sie selbst erlebt haben. Und sie fordern ein Ende des "Victimblaming", bei dem den Opfern die Schuld zugeschoben wird - wegen ihrer Kleidung oder weil sie so spät ohne männliche Begleitung unterwegs sind. (Etwas, das auch Sarah Everard vorgeworfen wurde.)

Die Postings zeigen, dass der Satz "Schreib mir, wenn du zu Hause bist" für fast alle Frauen normal ist, weil sie davon ausgehen, dass ihnen oder ihren Freundinnen etwas passieren könnte. Laut einer internationalen Umfrage der Jean-Jaures-Stiftung in Paris aus dem Jahr 2018 wurde jede dritte Frau schon einmal verfolgt, jede zehnte wurde Opfer von sexueller Gewalt auf der Straße. In England und den USA sind die Zahlen noch höher.

Ausgangssperre für Männer

Die britische Politikerin Jenny Jones zeigte mit ihrem - nicht ganz ernst gemeinten - Vorschlag die Absurdität der Debatte auf: Nicht Frauen sollten abends zu Hause bleiben, sondern Männer, die ihnen etwas antun könnten, twitterte sie. Nein, nicht jeder Mann sei gefährlich, aber jede Frau hätte schon einmal Angst gehabt. Es handle sich um ein strukturelles Problem, das nur auf gesellschaftlicher Ebene gelöst werden kann.

Auch Männer beteiligen sich an der Aktion. Jeder, der nun sagt, was Sarah Everard anders hätte machen sollen, sollte sich eine Frage stellen, twitterte ein Nutzer: "Wurdest du jemals verängstigt, gestört oder belästigt von einer Frau, die hinter oder neben dir ging? Nein, also solltest du den Mund halten. Männliche Gewalt muss aufhören."

Kommentare