„Einer der Fehler von uns Eltern ist, dass wir meinen, für die Gefühle unserer Kinder verantwortlich zu sein. Wir tun alles, um sie vor Misserfolgen zu bewahren, was bedeutet, dass sie nie lernen, mit unangenehmen Erfahrungen umzugehen. Ihnen fehlt es an Selbstständig- und Hartnäckigkeit“, so Wojcicki.
Respekt. „Für die Entwicklung der Persönlichkeit braucht es Geduld und den Respekt, das Kind so sein zu lassen, wie es ist.“ Besonders wichtig sei das „in der Phase, in der sie keine Ahnung haben, was sie da eigentlich tun“, etwa als ihre Tochter nach dem Biologie-Studium erstmal nur als Babysitterin arbeiten wollte. Sie brauchte die Zeit, um sich klarzuwerden, wie es weitergehen sollte – und bekam dann einen tollen Einstiegsjob.
Die Gratwanderung ist manchmal schwierig, weiß sie: „Woher soll man wissen, ob jemand seinen Weg noch findet oder man sich einmischen muss? Meine Herangehensweise: Sie müssen etwas tun, egal was. Nichtstun ist ein Problem.“
Man solle die Interessen der Kinder unterstützen, betont sie: „Respekt und hohe Erwartungen gehen Hand in Hand. Man hat keinen Respekt vor ihnen, wenn man sie verhätschelt. Aber auch nicht, wenn man sie zu Höchstleistungen auf Gebieten zwingt, die ihnen nichts bedeuten.“
Vertrauen. Als ihre Kinder klein waren, konnten sie alleine in die Schule gehen, das ist heute bei ihren Enkeln nicht mehr so. Daher ließ sie zum Üben der Selbstständigkeit ihre Enkelinnen die Einkaufsliste für den Schulbeginn in einem Geschäft alleine zusammenstellen. Ein Erfolgserlebnis für Enkelinnen und Oma und eine Schrecksekunde für die Mama.
Oft fehlt Eltern das Vertrauen. Das bemerkte sie, als ihr Enkel verspätet zu sprechen begann: „Manchmal stellt man die Fähigkeiten eines Kindes in Frage, weil es sich nicht so entwickelt wie gewünscht.“ Das gelte übrigens auch für Schulerfolg: Wenn der Erwartungsdruck zu hoch ist, bekommt das Kind das Gefühl zu versagen – und dann tut es das wirklich. Bei allen Erziehungsentscheidungen rät Wojcicki zu einem Filter: „Zeige ich meinem Kind, dass ich ihm vertraue, oder schränke ich es ein?“
Ihr Vertrauen wurde auch enttäuscht: Als einer ihrer Schüler im Einkaufszentrum statt im Unterricht war, sollte er ihr als humorvolle Konsequenz für die Lüge ein Keks kaufen. „Es war wichtig, ihn zu Rechenschaft zu ziehen, aber auch, ihm auf nette Weise die Möglichkeit zu geben, sich zu entschuldigen.“ Auch bei ärgeren Verstößen mit Suspendierung sei wichtig, dass Schüler ihre Lektion lernen und das Vertrauen wieder hergestellt werden kann.
Selbstständigkeit. Wenn man die Kinder selbstständig sein lässt statt ihnen ständig Vorgaben zu machen, sei Erziehung nicht der ständige Kampf, als den ihn Eltern vor allem in der Pubertät empfinden. „Für mich ist Selbstständigkeit wichtig, weil sie Halt schenkt. Die Freiheit, alleine unterwegs zu sein, geht mit der Verpflichtung einher, sich zu melden. Zur Selbstständigkeit in der Schule gehört auch die Frage, warum Schüler etwas lernen sollen: „So wecken wir ihre Neugier. Sie haben eine bessere Antwort verdient als ,Weil wir eine Prüfung schreiben’.“
Sie rät Eltern, kreative Projekte ihrer Kindern zu fördern, die YouTube-Kids-App dafür biete viele Inspirationen, Kinder bringen sich sogar Sprachen mit dem Internet bei. „Solche Projekte erlauben es den Kindern, ihre Vorstellungskraft zu trainieren, zu experimentieren, aber vor allem zu spielen.“ Ein Zugang, der in Schulen oft fehlt.
Zusammenarbeit. In der Familie müssen Kinder die Grundregeln des Zusammenlebens lernen, dafür eignen sich Hausarbeiten, die diszipliniert gemeinsam bewältigt werden müssen. „Meine Lieblingsaktivität, um Zusammenarbeit in der Familie zu lernen, ist Ferienplanung. Sie können ein paar Optionen anbieten, dann lassen Sie die Kinder recherchieren, einen Ort und das Programm aussuchen. Dann werden Sie sie im Urlaub nicht zwingen müssen, weil sie ihn ja selbst geplant haben.“
Freundlichkeit und Mitgefühl. Bei diesem Thema sieht Wojcicki den größten Mangel. „Um Dankbarkeit zu lehren, lebt man sie vor, genau wie Höflichkeit.“ Sie bringt ein witziges Beispiel: „Wir pflegten traditionell den erbarmungswürdigsten Weihnachtsbaum zu kaufen und gaben uns die größte Mühe, ihn schön zu schmücken. Meine Töchter liebten das.“
Esther Wojcicki: „Panda-Mama. Wie man glückliche und selbstbewusste Kinder großzieht, Ullstein, 20,60 €
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